Distributed Ledger sucht Unternehmen

Warum Blockchain noch nicht zündet

Lucas Mearian ist Senior Reporter bei der Schwesterpublikation Computerworld  und schreibt unter anderem über Themen rund um  Windows, Future of Work, Apple und Gesundheits-IT.


Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.
Die Blockchain stellt zahlreiche Benefits für Unternehmen in Aussicht. Der große Durchbruch der Technologie lässt allerdings weiter auf sich warten. Kommt er überhaupt?

Zwar manifestiert sich die Blockchain-Technologie inzwischen nicht mehr nur in einigen wenigen Pilotprojekten und branchenbezogenen Proof-of-Concepts. Doch viele Unternehmen haben weiterhin Bedenken, wenn es um die Aspekte IT Security, Interoperabilität, Bandbreite und regulatorische Anforderungen geht. Nicht nur deswegen haben sie auch in vielen Fällen damit zu kämpfen, Entwicklungsbudgets für Blockchain-Projekte zu rechtfertigen.

Die Blockchain-Technologie birgt revolutionäres Potenzial - doch der große Durchbruch bleibt bislang aus. Wir werfen einen Blick auf die Gründe.
Die Blockchain-Technologie birgt revolutionäres Potenzial - doch der große Durchbruch bleibt bislang aus. Wir werfen einen Blick auf die Gründe.
Foto: Alexey Godzenko - shutterstock.com

Geht es nach den Marktforschern von IDC, werden sich die Investitionen für BlockchainBlockchain im Unternehmensumfeld in diesem Jahr dennoch auf circa 2,7 Milliarden Dollar belaufen. Das käme einem Anstieg um 80 Prozent gleich (verglichen mit dem Jahr 2018). Bis zum Jahr 2023 soll sich dieses Investitionsvolumen laut IDC auf 15,9 Milliarden Dollar belaufen - ursächlich hierfür sei vor allem die fortlaufende Adaption der Blockchain-Technologie im Bereich Finanzdienstleistungen und Handel. Der Bankensektor soll beim globalen Durchbruch der Blockchain weiterhin eine Vorreiterrolle einnehmen: 30 Prozent aller Distributed-Ledger-Projekte werden laut IDC in den Jahren 2018 bis 2023 hier angestoßen. Alles zu Blockchain auf CIO.de

Distributed-Ledger-Überraschungen

Nach Ansicht von James Wester, Research Director bei IDC, hat die Blockchain-Technologie über verschiedene Use Cases (etwa Payment-Lösungen, Supply Chain Management oder -Tracking) mittlerweile einen kritischen Punkt erreicht: Viele Unternehmen, die bislang in diesen Bereichen experimentiert haben, überführen ihre Pilotprojekte nun in die Praxis.

Dennoch sieht er die Distributed-Ledger-Technologie noch in der Entwicklungsphase: "Es gibt noch zu viele unbekannte Faktoren, um genau vorherzusagen, in welche Richtung diese Entwicklung gehen wird. Aber das ändert nichts am disruptiven Potenzial der Technologie. Sie wird die Art und Weise, wie Business Software entwickelt und verbreitet wird, vollständig verändern. Dabei sollte man mit kleineren Unwägbarkeiten rechnen", so Wester.

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Problemstellungen ergeben sich offenbar insbesondere in den Bereichen Governance und ComplianceCompliance. Wenn ein Unternehmen beispielsweise ein Netzwerk auf Distributed-Ledger-Grundlage dazu nutzen will, Informationen zwischen Partner innerhalb der Supply Chain auszutauschen, drängen sich Fragen auf: Wer hat bezüglich Governance das Sagen oder wenigstens Mitspracherecht? Wie werden die Kosten und Vorteile der Blockchain-Technologie gerecht zwischen den Parteien verteilt? Alles zu Compliance auf CIO.de

Dazu gesellen sich weitere Hürden - beispielsweise, wenn es um die Erfüllung von regulatorischen Anforderungen geht oder die Interoperabilität Blockchain-basierter Netzwerke. Stacey Soohoo, Research Manager bei IDC, warnt, dass solche Probleme oft erst im Projektverlauf sichtbar würden: "Viele Unternehmen stecken bereits mitten in entsprechenden Projekten und merken dann, dass viele Dinge nicht wie ursprünglich gedacht umsetzbar sind. Auch, weil sie oft nicht ausreichend durchdacht wurden."

Dabei könne es auch passieren, so Soohoo weiter, dass das eine oder andere Projekt gedanklich bereits "durch" ist. Dann aber wird klar, dass mehr Zeit nötig ist, um die richtigen Partner zu finden und den Distributed Ledger auch mit den eigenen Legacy-Systemen in Einklang zu bringen.

Die Blockchain und die Krux mit dem RoI

Da es sich bei Blockchain nicht um Middleware handelt, ist die Technologie grundsätzlich auch nicht darauf ausgelegt ist, in Legacy-Systeme "eingewoben" zu werden. Dennoch existieren Mittel und Wege, Daten aus einem ERP-System automatisiert in einen Distributed Ledger fließen zu lassen. Typischerweise geschieht das über Application Programming Interfaces (APIs) oder Data-Sharing-Standards wie GS1.

Letztgenannter Standard kommt etwa bei IBMs Blockchain "Food Trust" zum Einsatz, die unter anderem von Walmart USA verwendet wird. Der Einzelhandels-Riese kann so die Reise der Lebensmittel vom Bauernhof bis ins Supermarktregal verfolgen. Dabei ist kein manueller Input der Daten notwendig - der Transfer läuft automatisiert über den GS1-Standard.

Letztendlich spielt es keine Rolle, wie die Blockchain-Technologie implementiert wird: Ein Großteil der Aufgaben, die hierfür zu stemmen sind, erfordern die Einbindung von Partner, wie Kevin McMahon vom US-Beratungsunternehmen SPR weiß: "Ein Governance-Modell aufzugleisen und nebenbei Herausforderungen auf Business-Ebene zu meistern, stellt unsere Kunden regelmäßig vor überraschende Probleme. Den meisten wird erst an diesem Punkt klar, dass das kein leichtes Unterfangen ist, das man einmal eben nebenbei umsetzt."

Nicht leicht ist es in den meisten Fällen auch, den RoI (Return on Investment) bei Blockchain-Projekten zu identifizieren - beziehungsweise diesen auf C-Level-Ebene attraktiv darzustellen. Schließlich handelt es sich nicht um eine Business App, die einen klaren Mehrwert bringt, sondern um eine Grundlagentechnologie. Dieser Umstand passt nicht zur gängigen Kalkulation von Umsatzpotenzialen und Effizienzgewinnen in Unternehmen. "Die Kosten und Benefits von Distributed-Ledger-Projekten unterliegen einem dynamischen Wandel, der sich nach der Anzahl der Beteiligten richtet. Sie sind möglicherweise nicht von Anfang an abzusehen", gibt Wester zu bedenken.

Die Blockchain-Revolution kommt langsam, aber sicher

Nichtsdestotrotz hat die Technologie riesiges Potenzial: Sie ist imstande, die Art und Weise wie Verbraucher kaufen, wie Unternehmen Daten austauschen und auch wie Software genutzt wird, maßgeblich und nachhaltig zu verändern. Heute nutzen Unternehmen in der Regel Datenbank-basierte Business-Software. Ein ERP-System etwa lädt, verändert und analysiert Daten in einer Datenbank. Ein Unternehmen nutzt es beispielsweise dazu, Produktdaten zu erfassen. Dann schickt es sein Produkt an ein weiteres Unternehmen, das seinerseits die Produktdaten im eigenen ERP erfasst.

Die Daten bleiben also dieselben, nur die Datenbank ist eine andere. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die ERP-Lösung vom gleichen Hersteller stammt. Von Effizienz kann dabei keine Rede sein, schließlich erfassen und verifizieren die Unternehmen Daten, die bereits unzählige Male erfasst wurden. Mit der Blockchain-Technologie hingegen könnten alle Beteiligten auf dasselbe Netzwerk zugreifen, die Daten würden über die Serverknoten jederzeit auf dem aktuellen Stand gehalten. Jede Transaktion würde festgehalten. "Alles was Unternehmen dann noch brauchten, wäre eine App, um zu sehen, was innerhalb der Blockchain vor sich geht", bringt es Wester auf den Punkt.

Ein Umbruch in Sachen Business Software ist demnach absehbar. Auch im Bereich der Lieferkettenverfolgung dürfte sich die Technologie durchsetzen, wie das Beispiel Walmart zeigt. Der US-Konzern bringt demnächst ein Pilotprojekt an den Start, bei dem Verbraucher per QR-Code-Scan nachvollziehen können, welchen Weg ihre Lebensmittel vom Feld bis ins Supermarktregal hinter sich gebracht haben.

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