Cloud Repatriation
Warum CIOs ihre Public-Cloud-Strategie rekalibrieren
Der ehemalige CIO Stanley Mwangi Chege hört seit Jahren, wie sich Stakeholder über Cloud-Bereitstellungen beschweren. Als Hauptgründe für ihre Frustration nennen sie oft steigende Kosten und Datenschutzprobleme. Der Berater hat beobachtet, dass einige daraufhin Workloads aus der Cloud zurück in lokale Rechenzentren verlagert haben, da IT-Manager der Meinung sind, dass sie so eine bessere Kontrolle haben.
Darunter war laut Chege auch eine "Cloud-Repatriierung", die er vor einigen Jahren mit einer Bank durchgeführt hat. In diesem Fall war das Management über die Höhe der Cloud-Preise beunruhigt. Außerdem gab es Zweifel, ob der Provider die Bank dabei unterstützen konnte, die Anforderungen des kenianischen Datenschutzgesetzes und der Zentralbank angemessen zu erfüllen.
Abonnieren Sie unsere IT-Newsletter für mehr Hintergründe, News und Strategien aus der CIO-Community.
Abgesehen davon war man der Meinung, dass lange Latenzzeiten bei Transaktionen den Kundenservice beeinträchtigten. "Die Bank entschied sich, dass es für bestimmte Workloads besser war, on-Premises zu bleiben, da die Kosten-Nutzen-Analyse und die Gesamtbetriebskosten langfristig besser waren", erinnert sich Chege.
Cloud-Workloads in Bewegung
Unter Cloud-Rückführung versteht man in der Regel, Anwendungen, Daten, Workloads oder anderen Ressourcen, die in der Public Cloud gehostet werden, zu verlagern. Ziele des Umzugs sind Rechenzentren vor Ort oder eine andere dedizierte Umgebung, also eine private Cloud.
Derartige Cloud-Rückführungen sind zwar nicht die Regel, aber auch nicht gerade selten. Untersuchungen zeigen, dass CIOs schon seit vielen Jahren Arbeitslasten aus der Cloud zurückverlagern und dies auch weiterhin tun. In den Anfangstagen des Cloud ComputingCloud Computing lag das oft an fehlgeschlagenen Cloud-Implementierungen. Alles zu Cloud Computing auf CIO.de
Heute bewerten Analysten und IT-Führungskräfte viele der Rückführungen als smarte Entscheidungen, die dem Unternehmen Vorteile bringen. Darüber hinaus zeigt die Repatriierung, dass CIOs inzwischen eine ausgereiftere, adaptive Cloud-Strategie verfolgen.
"Repatriierung ist eine gute Option, die man sich unbedingt erhalten sollte", empfiehlt daher Natalya Yezhkova, Research Vice President beim Marktforschungsunternehmen IDC. "CIOs müssen stetig neu bewerten, ob die Public Cloud weiterhin Wert liefert." Schließlich würden sich die Anforderungen von Workloads, die Vorschriften sowie die Preise und Funktionalitäten verändern. Ihr Rat: "Unternehmen sollten sich weder der Public Cloud noch einer dedizierten Umgebung verschließen, auch um den Lock-in zu vermeiden."
Public Cloud - alles fließt
Laut dem IDC-Bericht "Assessing the Scale of Workload Repatriation" vom Juni 2024 erwarten etwa 80 Prozent der Befragten, dass sie in den kommenden zwölf Monaten ein gewisses Maß an Rückführung von Rechen- und Speicherressourcen erleben werden. Diese Quote stimmt mit früheren Umfrageergebnissen überein.
Der Bericht, der von Analystin Yezhkova verfasst wurde, zeigt auch, dass sich die Planungen für die Rückführung von Workloads im Jahr 2023 im Vergleich zu 2022 verlangsamt haben. Allerdings wurde in den sechs Monaten zwischen den beiden letzten Umfragen (September 2023 und März 2024) ein Anstieg der Rückführungspläne für Computing und StorageStorage im KI-Lebenszyklus sowie für Geschäftsanwendungen, Infrastruktur und Datenbank-Workloads verzeichnet. Alles zu Storage auf CIO.de
Lernen aus Fehlern
"Die Repatriierung begann in dem Moment, als die Public Cloud zum Mainstream wurde", sagt Yezhkova. "Es gibt immer eine gewisse Aktivität rund um die Repatriierung und das Volumen nimmt nicht ab."
Die IDC-Studie bietet zudem Einblicke in die Gründe für Rückführungen: In den ersten Jahren der Public Clouds war häufig eine mangelhafte Planung die Ursache für die Repatriierung, erinnert sich Yezhkova. Infolgedessen waren die Unternehmen nicht darauf vorbereitet, ihre Cloud-Implementierungen erfolgreich zu optimieren oder auch nur angemessen zu betreiben, was sie dazu veranlasste, zu On-Premises zurückzukehren.
KI verändert die Cloud-Strategien
Heute seien jedoch die meisten Unternehmen in der Lage, ihre Cloud-Implementierungen erfolgreich zu managen, berichtet Yezhkova. Sie stellen allerdings fest, dass einige Anforderungen an Sicherheit, DatenschutzDatenschutz, Leistung, Management und Governance besser in einer dedizierten Umgebung erfüllt sind. Alles zu Datenschutz auf CIO.de
Als Beispiel verweist die IDC-Analystin auf die komplexen Überlegungen beim Einsatz generativer KI. Demnach würden Firmen die Elastizität der Public Cloud gegen die steigenden Kosten abwägen, die mit dem unerschöpflichen Rechenbedarf von KI einhergehen, sowie gegen die Risiken, die mit der Freigabe geschützter Daten für öffentliche KI-Modelle verbunden sind.
Mehrere Optionen für den Rückzug
IT-Führungskräfte haben heute neben eigenen Rechenzentren und privaten Clouds mehr Möglichkeiten, um Dinge aus der Public Cloud zurückzuführen. Darunter fällt etwa das Modell "as-a-Service" (aaS).
Zwei Beispiele: GreenLake von Hewlett Packard Enterprise beispielsweise bietet Cloud-ähnliche Flexibilität für On-Prem-Rechenzentren und andere dedizierte IT-Umgebungen. Dell APEX Private Cloud offeriert eine On-Premises-Cloud-Erfahrung für VMware-Workloads in Rechenzentren und Edge-Standorten.
Derartige Produkte bieten laut Yezhkova eine Infrastruktur, die ähnlich wie die Public Cloud funktioniert und einen Marktplatz für Anwendungen sowie Messeinrichtungen umfasst, "weshalb diese Modelle die Rückführung erleichtern". Zudem können CIOs nun auch Edge Computing und Mikrorechenzentren als Alternativen zu herkömmlichen dedizierten Rechenzentren, Cloud- und aaS-Modellen in Betracht ziehen.
Es fühlt sich an wie Cloud
Neben der Repatriierung überlegen CIOs, als Alternativen zur All-in-Public-Cloud, Content-Delivery-Network-Services oder GPU-Cloud-Services zu nutzen, ergänzt Brian Alletto, Director beim Digitaldienstleister West Monroe, und ergänzt "Es gibt inzwischen Optionen, die Cloud-ähnliche Erfahrungen bieten, auch wenn es sich nicht um eine öffentliche Cloud handelt." Die Verfügbarkeit solcher Optionen beeinflusse die Entscheidung von CIOs, Workloads aus der Public Cloud zu verlagern.
Teile und herrsche
Nach Angaben der IDC-Analystin Yezhkova führen CIOs nicht ganze Systeme oder Anwendungen zurück, sondern eher spezifische Workloads. Laut IDC-Bericht gaben weniger als zehn Prozent der Befragten an, dass sie ganze Workloads aus der Public Cloud abgezogen haben.
Alletto und Chege sind ebenfalls der Ansicht, dass die Entwicklung keineswegs auf einen allgemeinen Rückzug aus der öffentlichen Cloud hindeutet. Allerdings weisen sie auf Herausforderungen hin, mit denen CIOs bei der Rückführung von Workloads häufig konfrontiert werden. Oft sind es dieselben Probleme, die mit dem Umzug aus der Cloud gelöst werden sollten: Kosten, Security, Datenschutz oder Performance.
"Bei der Reverse-Cloud-Migration kann es eine Reihe von Herausforderungen geben", warnt auch Delie Minaie, Senior Vice President für Digital- und Cloud-Lösungen bei Booz Allen Hamilton. Zu den typischen Problemen zählten die Komplexität der Datenmigration, Ausfallzeiten und Serviceunterbrechungen, Sicherheits- und Compliance-Anforderungen sowie die Umstrukturierung von Anwendungen. "Die Verantwortlichen in den Unternehmen müssen sorgfältig kalkulieren, bevor sie eine Cloud-Rückführung in Erwägung ziehen", sagt Minaie.
Optimieren statt repatriieren
Laut Chris Thomas, Principal bei Deloitte Consulting und Leiter der Cloud-Abteilung von Deloitte in den USA, sollten Führungskräfte sicherstellen, bei der Bewertung der Optionen nicht in eine Entweder-Oder-Entscheidung zu verfallen. Seiner Erfahrung nach sind Unternehmen mit einer dynamischen Cloud-Landschaft konfrontiert, in der oft versucht wird, die Kosten zu minimieren, während ihre Infrastruktur wächst. "Wenn es darum geht, die Kosten zu senken, ist die Rückführung häufig eine Option. Dies impliziert jedoch eine binäre Denkweise: Entweder wir migrieren in die Cloud oder wir migrieren aus der Cloud."
Die Schwarz-Weiß-Denke greift jedoch zu kurz. Für Thomas gibt es darüber hinaus nämlich viele Optimierungsmöglichkeiten für Unternehmen, die bereits in die Cloud umgestiegen sind. Hierzu gehören doppelte Datensätze zu entfernen, ungenutzte Instanzen herunterzufahren, eine stärkere Automatisierung und Selbstheilung, Investitionen in FinOps-Tools sowie die Übernahme neuer, von Cloud-Providern angebotener Services.
Hybrid-Cloud ist das Ziel
Auch Alletto beobachtet, dass immer mehr CIOs ihre Optionen gründlich abwägen. Wenn sie also Arbeitslasten repatriieren, dann tun sie dies zunehmend, weil sie sich davon Vorteile versprechen, und nicht, weil sie mit einer Cloud-Implementierung keinen Erfolg hatten: "Die Rückführungen aus guten Gründen machen inzwischen einen hohen Prozentsatz aus."
Als Beispiel verweist Alletto auf seine Arbeit an einen Firmenzusammenschluss, bei dem das federführende Unternehmen das Ziel hatte, die Kosten zu senken. Nach einer Analyse wurden Workloads aus der Cloud in ein On-Premises-Rechenzentrum des übernommenen Unternehmens verlagert, um ohne Leistungsverlust die gewünschten Einsparungen zu erzielen.
Auch andere IT-Führungskräfte passen ihre Cloud-Strategien an, um zu optimieren. Daher würden sie sich hin zu hybriden Lösungen als Idealtyp bewegen - mit Strategien, die auf der Grundlage sich ändernder Anforderungen bewerten, wo Workloads platziert werden sollten. "Wir optimieren ständig, um das richtige Gleichgewicht zu finden", sagt Berater Chege.