10 Gartner-Prognosen

Warum es sich lohnt, Mitarbeiter glücklich zu machen

19.01.2023
Von Redaktion Computerwoche
Viele Betriebe möchten alles berechnen und nichts dem Zufall überlassen. Der Return on Invest (RoI) ist der Heilige Gral. Doch vor allem, wenn es um Mitarbeiterzufriedenheit geht, funktioniert das nicht mehr.
Daryl Plummer, Distinguished VP Analyst bei Gartner, brachte beim IT Symposium/Xpo in Orlando, Florida, seine Prognosen unters IT-Volk.
Daryl Plummer, Distinguished VP Analyst bei Gartner, brachte beim IT Symposium/Xpo in Orlando, Florida, seine Prognosen unters IT-Volk.
Foto: Gartner

Neben den Technologietrends 2023 haben die Analysten von Gartner auf ihrem IT Symposium/Xpo Vorhersagen für "IT-Organisationen und User" getroffen. Die größte Herausforderung sind demnach für Unternehmen die sich schnell ändernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die oft nicht vorhersehbar sind. "Solche Ungewissheiten bergen Chancen, aber auch Risiken", sagte Daryl Plummer, Distinguished VP Analyst und Gartner Fellow.

Gleich mehrere Prognosen des Analysten beschäftigen sich mit den Mitarbeitenden in den Betrieben. Auch wenn Phänomene wie Great Resignation und Quiet Quitting in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und hoher Inflation wieder zurückgehen, sei es doch wichtig, sich intensiv damit zu beschäftigen, so Plummer. Das sei eine Aufgabe für Vorstände. Das Delegieren an die Personalabteilungen führe nicht weiter. Gartner wagt folgende zehn Prognosen für IT-Organisationen und User:

1. Der Arbeitskräftemangel in der IT wird teuer

Bis 2025 werden 40 Prozent der Unternehmen aufgrund der "volatilen Personalsituation" einen erheblichen Geschäftsverlust zu verzeichnen haben. Laut Gartner erzwingt der Mangel an IT-Talenten eine Verlagerung der Personalstrategie von verzweifelten Recruiting-Anstrengungen hin zu einer intensiven Zuwendung zu den vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Unternehmen müssten dafür sorgen, dass sich ihr Personal wohlfühle und lerne, mit Widerständen besser umzugehen.

Hintergrund ist, dass die oft nur schwache Bindung an die Unternehmen, aber auch Burnout oder Innere Kündigung es vielen Betrieben schwer machen, ihre Talente zu halten und zu guten Leistungen zu motivieren. Gartner erwartet, dass in Finanzberichten und Unternehmensmitteilungen schon bald häufiger auf negative geschäftliche Auswirkungen durch Personalmangel hingewiesen werden dürfte. Bestimmte Produkte oder Dienstleistungen könnten dann nicht mehr unterstützt, neue Aufgaben nicht angegangen oder fortgeführt werden.

"Der Zustand der Belegschaften hat direkte Auswirkungen auf die Execution- und Delivery-Modelle der Unternehmen", so Plummer. "Das wird sich auf die wirtschaftliche Performance auswirken." Der Analyst fordert die Unternehmen auf, sich auf Vorstandsebene mit Leistung, Motivation und Widerstandskraft zu befassen und diese Aufgabe nicht an die Personalabteilungen zu delegieren.

2. Ende des Gender Pay Gap

Bis 2025 werden die in vielen Unternehmen nachweislich bestehenden, geschlechtsspezifischen Unterschiede bei den Gehältern beseitigt, erwarten die Gartner-Analysten. Das werde die Fluktuation unter weiblichen Fachkräften senken und dazu führen, dass der durch den Talentmangel entstandene Druck auf die Firmen zumindest ein wenig nachlasse.

Laut Gartner gibt es derzeit keine allgemein anerkannte Methode zur Ermittlung von Lohn-Ungerechtigkeiten, weshalb es den Firmen immer noch schwer falle, geschlechtsspezifische Gehaltsunterschiede zu ermitteln. Allmählich bilde sich aber ein neuer Markt für Analyse- und Modellierungs-Tools heraus, und spezialisierte Anbieter könnten den Betrieben helfen.

Gartner prophezeit: Die Zeiten, in denen Frauen schlechter bezahlt wurden als Männer gehen zu Ende.
Gartner prophezeit: Die Zeiten, in denen Frauen schlechter bezahlt wurden als Männer gehen zu Ende.
Foto: Andrey_Popov - shutterstock.com

3. Wenn sich Beschäftigte wohlfühlen, zahlt sich das aus

Viele Unternehmen entdecken derzeit, dass sich Investitionen in das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter und Kunden finanziell direkt auszahlen - durch Umsatzwachstum und Kostenvermeidung. Laut Gartner kommen auch indirekte Auswirkungen hinzu wie ein schneller steigender Markenwert, ein besseres Image des Unternehmens und das einfachere Gewinnen und Binden von Mitarbeitern und Kunden (mehr zum Thema Employee Experience finden Sie hier).

Das Problem: Für diesbezügliche Ausgaben lässt sich nicht so einfach ein Return on Investment (RoI) errechnen. Es bleibt tendenziell unklar, ob kurzfristige Gewinne auf Investitionen in die Mitarbeiter- oder Kundenzufriedenheit zurückzuführen sind. Gartner ist aber überzeugt davon, dass hier der Nährboden für eine langfristige Steigerung des Unternehmenswertes liegt.

"Traditionelle RoI-Modelle für Investitionsentscheidungen zu verwenden, kann dazu führen, dass solche Vorteile unberücksichtigt bleiben", warnt Plummer. Deshalb sei es besser, umfassendere Bewertungsansätze zu verwenden und Faktoren wie langfristiges Wachstum, Innovationen und auch disruptive Entwicklungen einzubeziehen.

4. Bis 2027 wird das Metaverse das "Büroerlebnis neu definieren"

Gartner erwartet das Entstehen virtueller Arbeitswelten in verschiedenen Metaversen. Dort sollen Gruppen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch ihre jeweils persönlichen Avatare oder Hologramme repräsentiert sein. "Heutige Anbieter von Meeting-Lösungen müssen Technologien für das Metaverse und virtuelle Arbeitsräume anbieten, sonst riskieren sie, irrelevant zu werden", warnt Plummer. Virtuelle Arbeitsräume böten vergleichbare Kosten- und Zeitersparnisse wie die heute flächendeckend genutzten Videokonferenzen. Es gebe aber weitere Vorteile, die in einer besseren Einbindung und Zusammenarbeit der Beschäftigten bestünden (siehe auch: Google testet Holo-Videokonferenzen).

5. KI wird zum großen Energiefresser

Wie der Analyst ausführt, wird künstliche Intelligenzkünstliche Intelligenz (KI) bis 2025 in den Unternehmen durchschnittlich mehr Energie verbrauchen als die Tätigkeiten der Beschäftigten - sofern keine "nachhaltigen Praktiken" eingeführt werden. Dadurch könnten Einsparungsziele bei Kohlendioxid-Emissionen zunichte gemacht werden. Alles zu Künstliche Intelligenz auf CIO.de

Da sich KI rasant verbreitet und immer komplexere Modelle für maschinelles Lernen (ML) entstehen, werden mehr Daten, Rechenressourcen und damit auch Energie benötigt. Bleibe die derzeitige Art und Weise im Umgang mit KI-Vorhaben unverändert, könnte die Energie, die für das Training von ML-Modellen und die damit verbundene Datenspeicherung und -verarbeitung nötig ist, bis 2030 bis zu 3,5 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs ausmachen.

Plummer stellt jedoch fest, dass sich die KI-Praktiker des wachsenden Energieproblems bewusst würden. Sie entwickelten nachhaltige Vorgehensweisen - etwa energieeffiziente Kodierung, Transfer Learning, Small-Data-Techniken, föderiertes Lernen, das Verwenden spezieller Hardware mit geringem Energieverbrauch und vieles mehr.

Zudem erinnert der Analyst daran, dass KI am Ende doch eher die Lösung sei als das Problem: "KI bietet ein enormes Potenzial für die nachhaltige Optimierung der betrieblichen Effizienz. Das übersteigt den Footprint der Technik bei weitem." Voraussetzung sei aber, dass sie umfassender und effektiver als derzeit eingesetzt werden. Dann könne sie die globalen CO2-Emissionen um fünf bis zehn Prozent reduzieren.

6. Bürger entdecken Denial-of-Services-Angriffe

Eine ausgefallen Prognose wagt Gartner mit dem prognostizierten Aufkommen von Denial-of-Service-(DOS-)Angriffen, die von Bürgern ausgehen sollen. Hintergrund ist, dass Menschen entdecken, wie sie mit ihren virtuellen Assistenten zunehmend den Betrieb von Unternehmen durcheinanderbringen können.

Konkret erwartet Gartner, dass bis 2025 immerhin 37 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher über ihren virtuellen Assistenten mit dem Kundendienst von Firmen interagieren werden - zum Beispiel, um sich in einer Service-Warteschleife anzustellen. Solche legitimen Interaktionen werden den Analysten zufolge auch als Vehikel für Protestaktionen entdeckt. Gartner prophezeit sogar, dass bis 2024 Bürgerinnen und Bürger mit von virtuellen Assistenten unterstützten DOS-Attacken erstmals das Contact Center eines Fortune-500-Unternehmens lahmlegen werden.

7. Die großen Cloud-Ökosysteme führen zu Auslese im IT-Markt

Die nächste Prognose befasst sich mit den Auswirkungen der großen Cloud-Ökosysteme auf den Softwaremarkt. Laut Gartner führen die entstandenen Cloud-Monokulturen dazu, dass die Software-Anbieterlandschaft bis 2025 um 30 Prozent schrumpfen wird. Das werde dazu führen, dass die Kunden eine rückläufige Auswahl hätten und ihr "Software-Schicksal" immer weniger selbst bestimmen könnten.

Den Analysten zufolge schaffen die großen Cloud-Service-Provider (CSPs) Ökosysteme, in denen sie zusammen mit einigen bevorzugten Software-Anbietern eine Vielzahl vorintegrierter und komponierbarer Services anbieten werden. Die so entstehenden CSP-Ökosysteme machten den Kunden das Leben einfacher, da Beschaffung, Integration und das Nutzen verschiedener Softwarekomponenten weniger aufwendig werden dürfte. Je reifer diese CSP-Ökosysteme werden und je besser die Bereitstellung, desto geringer ist der Bedarf an Software-Tools von nicht beteiligten Dritten.

8. Globale Cloud-Provider suchen lokale Partner

Das Vertrauen in Cloud ComputingCloud Computing wird laut Gartner insofern steigen, als die Hyperscaler mit lokalen Partnern in den Ländern zusammenarbeiten und staatlich gestützte Sovereign-Cloud-Angebote vorantreiben werden. Die Marktauguren beobachten, dass die Gesellschaften zunehmend global vernetzt sind, gleichzeitig aber ihre lokalen regulatorischen Vorschriften und Gesetze durchsetzen wollen, um ihre Bürger und Unternehmen zu schützen, teilweise auch zu kontrollieren. Gleichzeitig müssen sie weiterhin die kontinuierliche Verfügbarkeit wichtiger, global bereitgestellter Dienste sicherstellen. Alles zu Cloud Computing auf CIO.de

"Regierungen und Aufsichtsbehörden, die solche gemeinsamen Ansätze von Cloud-Anbietern und deren lokalen Partnern genehmigen, können am ehesten solche lokalen Anforderungen erfüllen und gleichzeitig ihre technische Globalisierung vorantreiben", sagt Plummer.

9. Moonshot-Projekte werden salonfähig

In den kommenden Jahren werden Unternehmen mehr riskieren und häufiger ausgetretene Pfade im Bereich Forschung und Entwicklung verlassen, um sogenannte "Moonshot"-Initiativen voranzutreiben. Der Begriff leitet sich von dem Apollo-11-Programm ab, mit dem die NASA 1969 auf dem Mond landete. Damals ging es um höchste Risikobereitschaft, man war bereit, ein nahezu unerreichbares Ziel anzupeilen.

Diese Herangehensweise wird salonfähig, da sich in den vergangenen Jahren in immer mehr Branchen gezeigt hat, wie verheerend disruptive Angreifer für klassische Geschäftsmodelle sein können. Heute lassen Geschäftsführungen abenteuerliche Projekte mit ungewissem Ausgang öfter zu - auch wenn diese das eigene Geschäftsmodell herausfordern. "Die Firmen haben gelernt, dass das eigentliche Risiko darin besteht, zu wenig zu tun oder zu spät dran zu sein", beobachtet Plummer. Die Risikobereitschaft und Toleranz für Misserfolge würden erhöht.

10. Neue Identitätsstandards kommen mit Web3

Heute müssen Nutzerinnen und Nutzer ihre Identität bei verschiedenen Online-Diensten immer wieder aufs Neue nachweisen. Das ist weder effizient noch skalierbar - und schon gar nicht sicher. Gartner glaubt, dass sich bis 2027 mit dem dezentralen, Blockchain-basierten Web3 neue Identitätsstandards durchsetzen werden, die gleich mehrere bahnbrechende Vorteile mit sich bringen. Dazu gehört etwa die persönliche Kontrolle der Nutzer über freigegebene Daten und die Tatsache, dass wiederholten Identitätsnachweise bei verschiedenen Diensten nicht mehr nötig sein werden. (hv)

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