Bundesregierung zahlt 2.295,72 Euro pro Mitarbeiter
Was darf ein Arbeitsplatz im Homeoffice kosten?
Die Bundesregierung hat zwischen März und September 2020 für insgesamt 93,5 Millionen Euro 40.728 Desktop-PCs, Notebooks und Tablets inklusive Zubehör angeschafft. Ziel war es, dass Mitarbeiter von Ministerien und Behörden während der Corona-Krise von zuhause arbeiten können. Das ging Anfang Oktober 2020 aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Katharina Willkomm hervor.
Es lässt sich leicht ausrechnen, dass damit pro Gerät im Schnitt 2.295,72 Euro ausgegeben wurden. Das scheint viel zu sein. Allerdings blieb zunächst offen, was sich hinter dem Punkt "Zubehör" verbirgt. Auf Anfrage von ChannelPartner teilte das Bundesinnenministerium mit, dass er sowohl Hard- als auch Software umfasst. Unklar bleibt aber weiterhin, ob nur die Ausrüstung im Homeoffice vor Ort dazu gehört, oder ob darin auch Kosten für zusätzliche Anschaffungen im Rechenzentrum enthalten sind. "Eine entsprechend detaillierte Produkt- oder Kostenübersicht für die Bundesministerien und ihre Geschäftsbereichsbehörden liegt uns nicht vor", heißt es dazu aus dem Ministerium.
Etwas mehr Klarheit schafft die Antwort der Bundesregierung auf eine zweite Anfrage von Katharina Willkomm. In dem Schreiben, das ChannelPartner vorliegt, heißt es: "Die (…) angegebenen Kosten für die von der Bundesregierung im Zeitraum März bis September 2020 angeschafften 40.728 Computer beinhalten die erforderliche Hardware und Software. Das kann sowohl Zubehör wie Computermaus, Tastatur, Monitor oder Docking-Station umfassen als auch Installationsdienstleistungen oder erforderliche zusätzliche Software-Lizenzen."
Auch daraus geht jedoch der genaue Umfang der Anschaffungen nicht hervor. Proprietäre Dockingstations werden beispielsweise durch die Möglichkeiten, Zweitmonitore per USB C an Notebooks anzuschließen, immer seltener benötigt. Die Antwort legt jedoch nahe, das es sich bei den Neuanschaffungen zumindest zum überwiegenden Teil um Produkte handelt, die im Homeoffice stehen und genutzt werden. Sind dafür knapp 2.300 Euro pro Person gerechtfertigt?
Empfehlungen von Herstellern für die Homeoffice-Ausstattung
"Sinnvolle Geräte für das Homeoffice bekommen Knowledge-Worker, je nach Verfügbarkeit und individuellen Nutzungsszenarien, bereits im Preisbereich zwischen 500 und 1.500 Euro. Wobei es auch genügend Kunden gibt, die sich jenseits der 1.500 Euro bedienen", teilt Lenovo auf Anfrage von ChannelPartner mit. In dieser Einschätzung sind wohlgemerkt nur die Kosten für die Geräte mit Betriebssystem berücksichtigt, keine zusätzlichen Software-Lizenzen und auch keine Installationskosten.
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"Die technische Ausstattung für einen effizienten und benutzerfreundlichen Arbeitsplatz im Homeoffice muss nicht teuer sein", erklärt auch Marcus Reuber, Product Manager Workplace Solutions, bei Dell Technologies. Zu beachten sei jedoch, dass Desktop-PCs beziehungsweise Notebooks auf die Anforderungen der Anwender ausgelegt und entsprechend konfiguriert sind. Reuber empfiehlt daher mehrere Gesamtpakete. Sie bieten seiner Erfahrung nach "eine gute und ausgewogene Ausstattung für die 'Knowledge Worker' im Homeoffice und sind ideal auf deren besondere Bedürfnisse abgestimmt."
Als Variante mit einem Notebook für spätere mobile Nutzung empfiehlt er beispielhaft ein Paket aus dem 14-Zoll-Notebook Dell Latitude 5410 (rund 900 Euro), der Docking-Station WD19 130W (im Handel ab 140 Euro), dem 34-Zoll-Monitor P2419H (rund 140 Euro), dem Maus- und Tastatur-Set KM7120W (64 Euro) sowie dem Dell Pro Stereo-Headset UC150 (gut 50 Euro). Ein Hybrid-Aktenkoffer-Rucksack für 45 Euro komplettiert die Ausstattung. Sie ist aktuell zum Listenpreis von knapp 1.350 Euro erhältlich.
Projektpreise für mehrere Hundert Mitarbeiter liegen sicher deutlich darunter. Als stationären Arbeitsplatz im Homeoffice schlägt Dell zum Beispiel den Dell OptiPlex 3070 Micro zusammen mit dem 24-Zoll-Monitor P2419H vor. Gesamtpreis: knapp punter 700 Euro. Eine Alternative ist der Dell OptiPlex 7070 Ultra, der in der Rückseite eines 24-Zoll-Monitors untergebracht ist und komplett mit diesem rund 970 Euro kostet.
Bei HP entscheiden darüber, ob ein Notebook für den Business-Einsatz zuhause geeignet ist, unter anderem die Langzeitverfügbarkeit, die ab Werk enthaltenen Sicherheitsfunktionen, die Verarbeitung (was sich meist in Zertifikaten nach Tests nach Militärstandards niederschlägt) sowie der Garantieumfang. Die Listenpreise für vorgeschlagene Business-Notebooks fürs Homeoffice reichen bei HP von 800 bis 2050 Euro. Dazu kommen noch zwischen 240 und 460 Euro für das Zubehör. Der bestausgestattete Homeoffice-Arbeitsplatz mit Notebook mit dem Convertible HP Elitebook x360 1040 G7, lokal aufgesetzt und mit Vor-Ort Garantie, kommt hier also auf rund 2.500 Euro. Das Notebook ist dann allerdings bereits auch bestens für die künftige mobile Nutzung ausgelegt, etwa durch Sicherheitsfunktionen wie den integrierten Blickschutzfilter.
Die Basisausstattung gibt es jedoch schon für weniger als die Hälfte. Das ist zum Beispiel das HP Probook 440 G7 8VU43EA (ab 800 Euro) mit der Dockingstation 5TW10AA HP USB-C Dock G5 (rund 120 Euro) und dem 24-Zoll-Business-Display HP P24h G4 FHD (ebenfalls rund 120 Euro).
Zur Ausstattung des Homeoffice mit Desktop-PCs schlägt der Hersteller auf Anfrage den HP ProDesk 400 G5 DM i59500T 8GB 256GB SSD (Listenpreis ab 460 Euro) als Einstiegsmodell und den HP EliteDesk 800 G5 DM i79700 16GB 512GB SSD als Spitzenmodell vor (Listenpreis ab 1.300 Euro). Sie enthalten wichtige Leistungsdaten bereits im Produktnamen und werden jeweils schon mit Tatstatur und Maus ausgeliefert. Ein Display (etwa der 24-Zöller HP P244 für rund 140 Euro) muss hier noch zusätzlich angeschafft werden.
Bei Fujitsu fängt das Homeoffice mit dem kompakten Esprimo Q558, der sich auch an der Rückseite eines Displays montieren lässt, zum Listenpreis von 599 Euro an. Keyboard und Maus sind inklusive. Das etwas größere Modell Esprimo P558 kostet je nach Ausstattung zwischen 529 und 769 Euro. Allerdings wird in beiden Fällen noch ein Bildschirm benötigt. Dafür empfiehlt Fujitsu entweder das 24-Zoll Display E24-8 TS Pro (139 Euro) oder das Display B24-9 TS (211 Euro), wenn auf ergonomische Funktionen Wert gelegt wird. Hier ist eine dauerhafte, stationäre Homeoffice-Einrichtung also unter 1.000 Euro möglich.
Laut Christoph Schmidt, Vertriebsdirektor für öffentliche Auftraggeber bei Fujitsu, spielt allerdings nach der ersten, hektischen Homeoffice-Welle inzwischen immer öfter die Ergonomie der Arbeitsplätze zuhause eine Rolle: "Bei der Ausstattung des Heimarbeitsplatzes ist es wichtig, vor allem auf Qualität und die Fernverwaltbarkeit der Geräte zu achten, denn ein Service-Techniker kommt nicht 'mal schnell' im Homeoffice vorbei. Darüber hinaus sind auch ergonomische Aspekte, wie sie beispielsweise ein höhenverstellbarer Bildschirm mit automatischer Helligkeitsanpassung bietet, essenziell."
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Auch wenn im Homeoffice ein Notebook bevorzugt wird, bleibt Fujitsu mit seiner Arbeitsplatzempfehlung deutlich unter den 2.300 Euro der Bundesregierung. Mit dem Lifebook E5510 (899 Euro) und dem 27-Zoll Monitor Fujitsu P27-8TE Pro als Zweitmonitor, der derzeit bei etablierten Verkäufern rund 330 Euro kostet, erreicht das Homeoffice-Gesamtpaket samt Maus und Tastatur nicht einmal 1.400 Euro.
2.300 Euro pro Gerät sind "kaum nachvollziehbar"
Die Bundestagsabgeordnete Katharina Willkomm, die auch Verbraucherschutz-Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion ist, begrüßt, dass die Bundesregierung zum Schutz der Beamten vor Corona seit März 2020 über 40.000 Computer und Tablets allein fürs Homeoffice angeschafft hat. Das halte den Staat handlungsfähig. Sie kritisiert jedoch die Kosten.
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"Die Bundesregierung hat für die Homeoffice-Technik im Schnitt knapp 2.300 Euro pro Gerät und damit insgesamt 93,5 Millionen Euro ausgegeben. Diese Summe ist kaum nachvollziehbar", so Willkomm. "Sicherlich sind wegen der starken Nachfrage bestimmte Peripheriegeräte teuer geworden, wie man bei den Webcams beobachten konnte. Auch werden etliche Rechner eine besondere Sicherheitsausstattung benötigen. Aber angesichts der Masse an Geräten hätte die Bundesregierung deutliche Rabatte verhandeln müssen. Zumal nicht jeder Bundesbeamte fürs Checken der E-Mails das dünnste Ultrabook benötigt."
Zum Vergleich: Der saarländische IT-Dienstleister Krämer IT Solutions rechnet bei der Anschaffung von einem ein Windows-10-Notebook inklusive Dockingstation, Maus und Tastatur, zusätzlichem Monitor, Headset und Microsoft-Office-Lizenz im normalen Office-Bereich mit Kosten von rund 1.750 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer. "Bei einer gehobenen Hardwareausstattung für Architekten oder Programmierer bewegen wir uns dann im Rahmen von circa 3.000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer", schätzt Vertriebsleiter Stefan Müller.
- Thomas Zimmerer, Interim Manager CIO/CDO
Für Zimmerer (derzeit für einen Konzern im Nahen Osten tätig) und sein Team ist insbesondere Microsoft Teams aktuell das Tool, das vor allem für Chat, Videokonferenzen, Shared Sessions am PC, Notebook, iPad und iPhone den ganzen Tag im Einsatz ist. - Thomas Zimmerer, Interim Manager CIO/CDO
Sein Tipp für geplante Tages-Workshops: Spaltet man diese in mehrere kleinere Videokonferenzen von 1-2 Stunden auf, ist dies sogar effektiver, da die Teilnehmer nicht so sehr ermüden und man zwischen den Terminen die Ergebnisse bereits einbauen kann. - Thomas Siekmann, VP IT & Digitalization Senvion Deutschland GmbH
Siekmann bietet den Senvion-Mitarbeitern im Homeoffice einen „doppelten“ Zugang zu den Ressourcen: Genutzt werden VPN-Zugänge und - parallel für viele Nutzer - VDIs auf Basis von VMWare. - Thomas Siekmann im Home Office
Er selbst setzt im Home-Office ebenfalls auf redundante Zugänge: Alle Geräte sind neben dem Wifi-Zugang auch LTE-fähig. - Dirk Altgassen, CIO bei der Etex Group
Neben der Office-365-basierten Arbeitsumgebung und diversen IT-Tools unterstützen Altgassen und sein Team das Business auch bei einem neuen „way of working“, wie zum Beispiel dem Aufsetzen „virtueller Kaffeeküchen“, in denen man sich zwischendurch trifft. - Dirk Altgassen im Home Office
Das Lieblings-Gadget des Etex-CIOs im Home Office ist sein „Jabra“. - Christian Ammer, CIO und Head of Digital Transformation bei der Kanzlei Noerr
Für Ammer hat sich im Homeoffice die Arbeit an zwei Rechnern am besten bewährt: Cloud-Tools und Remote-Apps wie Office 365 (vor allem Microsoft Teams), Dokumentenbearbeitung- und -Sharing (via Nextcloud) und den Großteil der Kommunikation (Audio und Video-Konferenzen) kann er über den eigenen Heim-PC durchführen. Über das Firmen-Notebook (per VPN oder mit Virtual Desktop) läuft nur noch ein Teil der Kommunikation via E-Mail/Outlook. - Christian Ammer im Home-Office
Sein Top-Tipp (neben einer 2-Geräte-Strategie): Audio möglichst nur per Freisprechung. Das macht die Dinge schneller, einfacher und unkomplizierter als mit Headsets und Kopfhörern zu hantieren.