Emotion Tracking
Was der Online-Kunde unbewusst preisgibt
Aus Tendenzen erwachsen Handlungsempfehlungen
Im Ernstfall würde der Test von mindestens zwölf Probanden absolviert. "Am Anfang steht immer die Definition der Fragestellung", berichtet die Diplompsychologin und Neurowissenschaftlerin Vera Pichardo, die als Consultant bei Namics arbeitet: "Dann entwickeln wir das Studiendesign - mit der Definition der Stichprobe und der Testaufgabe sowie dem Studienablauf." Die eigentliche Messung übergibt Namics dann an den Psychophysiologen Stürmer.
Nicht immer sind alle fünf Parameter mitsamt dem Eye-Tracking nötig, aber je mehr Stimuli zum Einsatz kommen, desto größer sollte die Anzahl der Testpersonen sein. Nach der Messung werden die Daten mit Hilfe mathematischer und statistischer Verfahren aufbereitet und ausgewertet. Am Ende stehen die "Insights", das Erkennen von Tendenzen und Schwachstellen. Die wiederum münzt Namics in Handlungsempfehlungen um.
Die vorgeschlagenen Änderungen drehen sich häufig um die zielgruppengerechte Tonalität von Sprache und Bild sowie das Design des Webshops, vielfach aber auch um die Usability. Ein falscher Farbton oder eine zu schnoddrige Ansprache wird im Allgemeinen eher verziehen als eine umständliche Handhabung oder nervende Popups.
Namics bietet seinen Kunden an, deren Website im Einklang mit den Erkenntnissen weiterzuentwickeln. Das erste Unternehmen, das dieses Angebot nutzt, ist der Autoverleiher Sixt. Neben der Interaktion der Nutzer mit der Website lässt sich auf diese Weise beispielsweise auch die Wirkung von Kommunikationsmaßnahmen austesten.
Übereinstimmung von 90 Prozent
"Emotionen steuern zwar das Verhalten des Individuums", stellt Pichardo klar, "sie lassen sich aber vom Individuum nicht steuern." Es handle sich ja um automatische Bewertungsprozesse, die auf einer unbewussten psychischen Ebene stattfänden. Damit unterschieden sie sich von den Gefühlen, welche die Emotionen bereits "interpretierten". Wer die tatsächliche Wirkung eines Produkts oder eines Service auf den Kunden herausfinden will, muss also zur Quelle zurückgehen und die körperlichen Reaktionen beobachten.
In einer Offline-Studie haben Stürmer und seine Co-Autorin Jennifer Schmidt herausgefunden, dass die verbalen Aussagen nur zu 18 Prozent mit den beobachteten Kaufentscheidungen übereinstimmten. Die Kongruenz zwischen dem, was die Elektroden meldeten, und dem Verhalten der Probanden lag hingegen bei 90 Prozent. "Die objektive Erforschung der Emotionalität erlaubt es, die wirklichen Ursachen des Verhaltens zu verstehen", fasst Pichardo zusammen: "So können die wahren Bedürfnisse der Kunden verstanden und erfüllt werden."