IT-Standort Deutschland

Was IT-Player, Politik und CIOs für Startups tun sollten

Dr. Carlo Velten schreibt als Experte zu den Themen Cloud-Platforms und -Developers, Enterprise Cloud Management und Digital Business. Dr. Carlo Velten ist CEO des IT-Research- und Beratungsunternehmens Crisp Research AG. Seit über 15 Jahren berät Carlo Velten als IT-Analyst namhafte Technologieunternehmen in Marketing- und Strategiefragen.

Politik: Apollo Programm für IT-Startups - Echte Nachfrage schaffen

Gründungswettbewerbe und Startup-Programme sind ein unverzichtbarer Bestandteil, um die Startup-Kultur zu fördern. Sie schaffen Motivation und unterstützen bei den ersten Schritten. Sie sind ein notwendiges aber nicht hinreichendes Instrumentarium.

Was es in Deutschland braucht, um IT-Innovationen ernsthaft voranzutreiben - abseits der Sonntagsreden und des medialen Schulterklopfens - sind großangelegte Infrastruktur- und Investitionsprogramme mit fairen Beteiligungsmöglichkeiten für Startups und mittelständische IT-Firmen. So ist es nicht hinnehmbar und volkswirtschaftlich schädlich, wenn bei Förder-und Investitionsprogrammen maßgeblich Konzerne und etablierte Unternehmen in den Genuss von Fördermitteln kommen. Was also ist zu tun?

Crisp Research schlägt an dieser Stelle Maßnahmen vor, die standortpolitisch geprägt sind und sich dadurch auszeichnen, dass sie Startups in Deutschland neue Absatzchancen und langfristige Finanzierungsmöglichkeiten öffnen. Dies würde auch dazu führen, den Startup- beziehungsweise IT-Standort für Gründer und Finanziers aus dem Ausland wieder attraktiver zu machen und bestenfalls einen Kapitalimport in Startups am Standort Deutschland zu erreichen.

Dabei zielen die Maßnahmen auf drei strategische Ziele ab:

  1. Zugang zu neuen Absatzkanälen für IT-Startups.

  2. Aufbau langfristiger Finanzierungsquellen zur Forcierung des digitalen Wandels.

  3. Schaffung intelligenter Anreizmechanismen und Synergien.

Ad 1) Digitale Infrastruktur - Neue Vergabeverfahren: Nach Studien des Bundeswirtschaftsministeriums verlangt der Ausbau einer flächendeckenden Glasfaserversorgung bis 2018 ein Investitionsvolumen von rund 80 Milliarden Euro. Die Aufrüstung der Netze mit breitbandiger Funktechnologie für den mobilen Einsatz wirft einen weiteren Milliardenbetrag an Investitionen auf. Nach Einschätzungen von Crisp Research könnten die Investitionen in Höhe von 100 bis 120 Milliarden Euro bis 2020 gestreckt und nach einem Verfahren vergeben werden, dass 20 Prozent der Investitionen an Startups oder junge Technologiefirmen in Deutschland vergibt. Das entspräche einem Umsatzvolumen von insgesamt 20 bis 24 Milliarden Euro, verteilt über einen Zeitraum von sechs Jahren. Ein solcher Anreiz würde Venture Capital- und FuE-Investments auch in kapitalintensiven Hochleistungs-IT-Segmenten, wie Netzwerk, Sicherheit, Data Center etc. rentabel machen und realistische Chancen auf ernsthafte Umsätze schaffen - vorausgesetzt die Technologien und Produkte entsprechen vorher festgelegten Qualitäts- und Sicherheitsstandards.

Aus heutiger Sicht erscheint das vielleicht etwas verwegen, immerhin dominieren mit Cisco (USA), Huwaei (China), Ericsson (Schweden) und Alcatel-Lucent (Frankreich) vier ausländische Telekommunikationsausrüster den globalen Markt. Bei realistisch planbaren Absatzchancen würden sich aber Investitionen auch am Standort Deutschland wieder lohnen. Und Innovationen im Networking- und Datacenter-Umfeld lassen auch mit Venture-Capital-Investments in einer Größenordnung von zehn bis 50 Millionen Euro stemmen, wie Firmengeschichten etwa von Ciena, Mellanox und Riverbed belegen. Um der Startup-Branche eine Vorbereitungsphase zu geben, könnte der an junge Technologiefirmen zu vergebende Anteil des Breitbandausbau-Budgets sukzessive gesteigert werden. Als Nebeneffekt könnte im Rahmen eines solchen Programmes wieder verstärkt Einfluss auf die Architektur und Sicherheit der Netzinfrastruktur genommen werden - sicherlich ein strategisches Pfand in Zeiten rasant ansteigender Cyber-Attacken und Spionage aus dem Ausland.

Ad 2) Digitaler Wandel - Fonds "Digitales Deutschland": Nachhaltig Chancen für IT-Startups und neue Dienste ergeben sich nur dann, wenn sich die digitale Transformation in Privatwirtschaft und im öffentlichen Sektor (Stichwort eGovernment, Bildung) langfristig finanzieren lässt. Hierzu bedarf es neuer Instrumente, deren Finanzierungslaufzeit über den Vierjahres-Bundeswahlzyklus hinausgeht. Crisp Research schlägt hier einen Fonds "Digitales Deutschland" vor, der sich aus verschiedenen Quellen speist und ein jährliches Budget von fünf bis zehn Milliarden umfasst.

Um dem Wandel im Medienverhalten ernsthaft Rechnung zu tragen, sollte bis 2020 eine Umwidmung der Rundfunkgebühren stattfinden. So sollten von den rund zehn Milliarden GEZ-Gebühren pro Jahr rund die Hälfte in den Fonds "Digitales Deutschland" fließen, um dann zweckgebunden neu vergeben zu werden - und nicht in die Taschen etwa der "Wetten, dass"-Macher zu fließen, die sich heute an den reichlich bemessenen Gebührenströmen gütlich tun.

Als weitere Finanzierungsquelle stehen die Mittel all derjenigen Internet-Unternehmen bereit, die aufgrund der heutigen steuerrechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland noch keine oder nur bedingt Steuern abführen. Crisp Research geht davon aus, dass im Rahmen der Diskussionen im G20-Gremium und der OECD eine Vereinheitlichung der Besteuerung sowie neue Bemessungsgrundlagen geschaffen werden. Sollte dies der Fall sein, schätzt Crisp Research das neu hinzukommende Steueraufkommen auf zwei bis vier Milliarden Euro pro Jahr ein. Allein die GoogleGoogle Germany GmbH dürfte dann für mehr als eine halbe Milliarde Steueraufkommen pro Jahr stehen. Alles zu Google auf CIO.de

Die Mittel des Fonds "Digitales Deutschland" können dann wahlweise neuen Förderprogrammen im Bereich der Bildung, der Unternehmensgründung und der Zwischenfinanzierung des Breitbandausbaus zugute kommen.

Ad 3) Rechenzentrums-Standort Deutschland - Anreize und Synergien:

Rechenzentren sind die Fabriken der digitalen Wirtschaft. Sie determinieren Investitionen und Wertschöpfung. Sie schaffen Arbeitsplätze vor Ort und unterwerfen ihre Betreiber unter lokales Recht. Somit schützen sie auch die Nutzer, die ihre Daten in den jeweiligen Rechenzentren ihrer Cloud-Dienstanbieter sichern. Ein lokaler Rechenzentrumsstandort ist sowohl für Geschäftskunden wie Privatanwender entscheidend.

Vor diesem Hintergrund sollte versucht werden, die Ansiedlung von Rechenzentren in Deutschland weiter zu befördern. Gute und verlässliche Rahmenbedingungen und intensiver Wettbewerb für den Betrieb von Rechenzentren bedeuten für Startups und Software-Unternehmen in Deutschland wiederum günstige Produktions- beziehungsweise Betriebskosten für ihre Cloud-Dienste und steigern die Standortattraktivität auch für ausländische Provider. Um die Nutzung deutscher Rechenzentrumsstandorte (unabhängig vom Betreiber) zu forcieren sind verschiedene Initiativen denkbar, die teilweise hinsichtlich ihrer Kompatibilität mit EU-Wettbewerbsrecht geprüft werden müssen.

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