Manager reden Klartext
"Was sollte das? Das war doch Scheiße!"
Heute ist ein Tag der Wahrheit. Ein Klartext-Tag, zu dem der rebellische Autor Dominic Multerer in seinem neuen Buch "Klartext - Sagen, was Sache ist. Machen, was weiterbringt" aufruft. Der Marketing-Experte ist jung, ist frech, trägt sein Herz auf der Zunge und versteht es gut, sich und seine Dienstleistungen zu verkaufen.
Aber wie reagiert der Jungspund eigentlich selber, wenn man ihm ganz unverblümt die Wahrheit zu seinem zweiten Buch sagt? Zugegeben: Ja, es war gemein, ihn dafür in die Falle zu locken. Aber der Chefredakteur hat sich nun mal eine "etwas andere" Art der Rezension gewünscht. Da kommt so ein Tag der Wahrheit doch wie gerufen, für den Multerer selber empfiehlt: "An diesem Tag sollte jeder ungefiltert sagen, was er denkt. (...) An diesem einen Tag soll alles raus."
So schreibe ich also dem 23 Jährigen per Facebook-Chat, dass mich auf den ersten Blick einiges auf seinen gut 200 Seiten an sein erstes Buch ("Marken müssen bewusst Regeln brechen, um anders zu sein"), das vor zwei Jahren erschienen ist, erinnert. Sie wissen schon, gleicher Inhalt, neue Verpackung. Alter Wein. Schläuche. Auch, dass mir einige der Statements von Unternehmern, die er zu Wort kommen lässt, teilweise zu glattgebügelt erscheinen und dass der Gedanke, es könnte gerade für Chefs und Manager sinnvoll und sein, Klartext zu reden, mir nun wirklich nicht neu erscheint. "Ich bin ehrlich. Noch hat's mich nicht überzeugt", tippe ich in das kleine Chatfenster und warte gespannt auf Reaktion. Doch Multerer bleibt gelassen und ebenso bei seinem Standpunkt. "Es ist das erste Buch zu Klartext. Es macht das Thema bewusst und sagt, was dazu gehört." Dann ergänzt er mit einem zwinkernden Smiley: "Es gibt keine andere Literatur dazu und so selbstverständlich wie für Sie und mich ist das Thema nicht."
Er hat angebissen. Ich antworte: "Klartext ist doch auch nur ein anderes Wort für Ehrlichkeit, Wahrheit und Authentizität - in jedem Managementratgeber wird das seit Jahren schon gepredigt." Multerer: "Trotzdem der erste Titel, der das Thema Klartext bedient und beschreibt. (...) Und ich versuche eine Philosophie zu beschreiben." Punkt.
Einen Augenblick später ploppt mein Chatfenster wieder auf. "Hey, wann bringt ihr den Text?", fragt Multerer, der außer unterhaltsam schreiben offenbar auch noch ganz gut die Redaktionsklinken putzen kann. "Wir fahren das eher klein. Aber fein", schreibe ich, nur um ihn ein bisschen zu ärgern. Reaktion: "Klein ist doch blöd." "Nun", antworte ich, "wir sind hier ja nicht bei Wünsch dir was." Multerer: "Gut, hoffentlich sind Sie da nicht so böse wie hier im Chat." Ich entgegne: "Ich bin doch nur ehrlich und rede Klartext!" Am späten Abend und nach einem halben Tag Funkstille macht es dann wieder "plopp". Multerer: "Ist trotzdem das erste Buch zum Thema."
Klartext gefährdet die Komfortzone
So weit so klar? Klartext sollte aber nicht nur in den Medien, sondern auch in der Politik und in Unternehmen gesprochen werden. "Passiert leider viel zu selten", sagt der Autor Multerer, der aus dem Bauch heraus und gerade so, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, gegen eine fehlende Klartextkultur in Deutschland polemisiert. Schließlich erfordert es Mut, Ehrlichkeit und einen klaren Standpunkt.
"Klartext gefährdet auch die Komfortzone", womit er meiner Meinung nach nicht Unrecht hat. Wer Klartext redet, lehnt sich nämlich aus dem Fenster und wird damit angreifbar. Lesenswert ist in Multerers Buch, warum sich Top-Manager Hartmut Mehdorn, ehemaliger Bahnchef und Klartext-Schwergewicht, mit seinen stets deutlichen Worten nicht zurückhalten will, wie der Unternehmer Jochen Schweizer jeden Tag Klartext lebt und warum Sänger und Songwriter Thomas Anders dafür plädiert, auch mal Tacheles zu reden - die aggressivere Variante von Klartext.
Finden Sie eine Auswahl der besten Stellen aus den Unternehmer-Statements auf den folgenden Seiten, mit denen ich Ihnen viel Vergnügen wünsche.