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Onlinezugangsgesetz

Wie CIOs der Bundesländer die Digitalisierung angehen

Julia Lamml war bis Dezember 2019 Redakteurin des CIO-Magazins.
Seit zwei Jahren setzen die Bundesländer das Onlinezugangsgesetz (OZG) um. Die verantwortlichen CIOs ziehen eine erste Bilanz.
Das Hamburger Rathaus ist eins der vielen Verwaltungsorte, die durch digitale Angebote entlastet werden sollen.
Das Hamburger Rathaus ist eins der vielen Verwaltungsorte, die durch digitale Angebote entlastet werden sollen.
Foto: S.Borisov - shutterstock.com

Das Onlinezugangsgesetz (OZG) beschert Bund, Ländern und Kommunen seit 2017 große IT-Projekte: Bis 2022 sollen Verwaltungsleistungen, die digitalisiert werden können, bundesweit über einen Portalverbund zur Verfügung stehen.

"Die große Aufbruchsstimmung und der Optimismus aller an den Digitalisierungslaboren Beteiligten dürfte für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes ein fast unbezahlbarer Wert sein", erklärt Hans-Henning Lühr, Bremer Finanzstaatsrat und Vorsitzender des sogenannten IT-Planungsrats, in der kommunalen Fachzeitschrift Vitako aktuell. Im IT-Planungsrat sitzen neben Lühr unter anderem mit der IT betraute Vertreter der Bundesländer. Im Rahmen des OZG versuchen sie, digitale Einzelbemühungen der Kommunen in eine gemeinsame Architektur und Strategie einzubinden.

Das OZG - Hintergründe

Bisher wurde die DigitalisierungDigitalisierung der öffentlichen Verwaltung von den Kommunen selbst vorangetrieben. Dies liegt an deren Selbstständigkeit, die im Grundgesetz verankert ist. Deshalb tätigten die Kommunen bisher viele einzelne Investitionen, es entstand eine sehr heterogene IT-Landschaft. Vor diesen Voraussetzungen koordinieren die CIOs der Länder nun eine einheitliche Digitalisierung von Dienstleistungen, die in einem arbeitsteiligen Prozess entwickelt werden. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

Das Vorgehen ist in einem Digitalisierungsleitfaden und in architektonischen Grundprinzipien für den Portalverbund geregelt. Seit September 2018 gibt es einen Prototyp, der in Anwendungsbeispielen zeigt, wie digitale Leistungen im Portalverbund angeboten werden können.

Insgesamt müssen 575 Leistungen digitalisiert werden. Diese werden in 14 Themenfeldern bearbeitet, die Federführung der einzelnen Felder übernehmen Arbeitsgruppen, bestehend aus dem entsprechenden Bundesressort und einem oder mehrerer Bundesländer. In sogenannten Digitalisierungslaboren analysieren Fachleute, E-Government-Experten, Designer und Nutzer gleichzeitig Leistungen mit besonderer Priorität und bereiten diese für die Implementierung vor.

Die "Nachnutzung" als größte Herausforderung

Den CIOs der Bundesländer bereitet dabei vor allem die sogenannte Nachnutzung Kopfzerbrechen. Denn die Konzepte, die in den Laboren erarbeitet werden, sollen entweder direkt von anderen Ländern und Kommunen genutzt werden können oder in einer Referenzimplementierung als Vorlage dienen. Ein Konzeptpaket mit Designkriterien, einem Klick-Prototypen, Referenzartefakten (modellierte Soll-Prozesse) und sogenannte Artefakte für föderales Informationsmanagement (FIM) in Form von Prozessen und Datenfeldern sollen bei der Umsetzung helfen.

Stefan Krebs, CIO von Baden-Württemberg
Stefan Krebs, CIO von Baden-Württemberg
Foto: Land Baden-Württemberg

"Überaus herausfordernd ist die Einrichtung eines nachhaltigen Programmmanagements", erklärt Stefan Krebs, Ministerialdirektor und CIO/CDO in Baden-Württemberg. Man müsse sicherstellen, dass jede der am Ende mehreren Hundert digitalen Leistungen über den gesamten Lebenszyklus stets rechtlich aktuell, technisch stabil sowie intuitiv nutzbar sei.

Ina-Maria Ulbrich, CIO von Mecklenburg-Vorpommern
Ina-Maria Ulbrich, CIO von Mecklenburg-Vorpommern
Foto: Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung

Dies lasse sich für die Themen, die man selber bearbeite, gut steuern und umsetzen, sagt Ina-Maria Ulbrich, Staatssekretärin und IT-Beauftragte des Landes Mecklenburg-Vorpommern. In den anderen Themenfeldern sei man auf die Ergebnisse der dortigen Labore angewiesen.

Strategien für die richtige Infrastruktur

Um dieser Herausforderung mit der richtigen Infrastruktur zu begegnen, wählen die Länder-CIOs verschiedene Lösungsansätze. Harmut Beuß, CIO von Nordrhein-Westfalen, konzentriert sich etwa auf die Entwicklung einheitlicher Entwicklungs- und Schnittstellenstandards, sodass die geschaffenen Dienste auf allen gängigen Portalinfrastrukturen in NRW laufen.

Hartmut Beuß, CIO von NRW
Hartmut Beuß, CIO von NRW
Foto: Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen

Diese StandardisierungStandardisierung technischer Bausteine will er bis Ende 2019 vorantreiben. Ähnlich geht Krebs in Baden-Württemberg vor: "Mit service-bw, der gemeinsamen Plattform von Land und Kommunen, haben wir eine funktionierende Infrastruktur, auf der wir die digitalen Verwaltungsleistungen nutzerzentriert anbieten." Alles zu Standardisierung auf CIO.de

Randolf Stich, CIO und Staatssekretär im Ministerium des Innern und für Sport für Rheinland-Pfalz, geht in den meisten Fällen von einer Parametrisierung der Lösungen aus und will für die eigenen Kommunen Schnittstellen als zentrale Infrastrukturkomponente entwickeln.

Synergieeffekte für Dataport-Länder

In sechs anderen Bundesländern übernimmt dagegen der IT-Dienstleister Dataport eine unterstützende Rolle. Das Unternehmen mit Sitz in Altenholz bei Kiel arbeitet für die Landesverwaltungen seiner Trägerländer Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt, für die Steuerverwaltungen von Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen sowie für viele Kommunalverwaltungen in Schleswig-Holstein. Für diese entwickelte die Firma die modulare Plattformlösung "Online Service Infrastruktur" (OSI), auf der die Online-Dienste der digitalisierten Verwaltungsleistungen laufen sollen. "Für die Dataport-Länder ergeben sich viele Synergieeffekte durch die gemeinsame Infrastruktur", erklärt Sven Thomsen, CIO von Schleswig-Holstein.

Sven Thomsen, CIO von Schleswig-Holstein
Sven Thomsen, CIO von Schleswig-Holstein
Foto: Staatskanzlei Schleswig-Holstein

Interne Verbünde, institutionelle Interventionen

Einige Länder-CIOs stützen sich zusätzlich auf länderinterne Verbünde. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel erfolgt bis Ende 2019 der Aufbau eines technischen Portalverbundes NRW. In Schleswig-Holstein soll der neu gegründete IT-Verbund SH (ITVSH) den Gemeinden bei der Umsetzung unter die Arme greifen.

Thomas Popp, CIO Sachsen
Thomas Popp, CIO Sachsen
Foto: Sächsische Staatskanzlei

Sachsen-CIO Thomas Popp dagegen beschäftigt derzeit eine ganz andere Hürde. Federführend im Themenfeld "Recht und Ordnung" entwickelte sein Digitalisierungslabor "Bußgeldverfahren Geschwindigkeitsübertretung" entsprechende Lösungen. Allerdings wurden diese und einige andere Leistungen mittlerweile nachträglich als Justizleistung identifiziert. Damit fallen sie nicht unter das OZG-Gesetz. Die bisherige Arbeit soll nun allerdings als teilweise Digitalisierung auf freiwilliger Basis genutzt werden. Zudem sollen Anforderungen zur Einführung der E-Akte in der Justiz mit den Ergebnissen des Digitalisierungslabors abgeglichen werden.

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