Data-Science-Projekte
Wie Datenwissenschaftler von Design Thinking profitieren
Isaac Sacolick ist Autor des Amazon-Bestsellers "Diving Digital: The Leader's Guide to Business Transformation thourh Technology". Er schreibt als freier Autor unter anderem für unsere US-Schwesterpublikation CIO.com.
Welche Rolle spielen Datenwissenschaftler in Ihrem Unternehmen? Erstellen sie Reportings, fragen sie Datenbanken ab, entwickeln sie Machine-Learning-Modelle oder Generative-AI-Experimente? Unternehmen, die sich zum Ziel gesetzt haben, "Data-Driven" zu arbeiten, beginnen ihre Data-Science-Journey oft mit einem Service-Mindset: Daten-affine Mitarbeiter werden (unter anderem) damit beauftragt, Reportings, Dashboards oder ML-Modelle zu entwickeln.
Fortgeschrittenere Unternehmen, die den Einsatz datengesteuerte Methoden forcieren möchten, gehen darüber hinaus und versuchen, Data und Analytics als Produkte zu entwickeln - und zu supporten. Diese Vorreiter haben die Vorteile erkannt, die umsetzbare Datenprodukte realisieren, die auf Grundlage von Endbenutzeranforderungen, strategischen Zielen und gewünschten Geschäftsergebnissen erweitert und verbessert werden.
Ein Weg, vom Service- zum Produkt-Mindset und -Bereitstellungsmodell überzuwechseln, führt über Design Thinking. Diese Methodik verfolgen einen iterativen, testgesteuerten Ansatz, um Annahmen zu validieren und die User Experience zu optimieren. Dabei kommt insbesondere Data-Science-Projekten zugute, dass sich die fünf Phasen des Design Thinking und etliche Aspekte der Datenwissenschaft überschneiden.
Dieser Artikel zeigt auf, die Data Scientists Design ThinkingDesign Thinking einsetzen können, um bessere, datengetriebene Business-Applikationen zu entwickeln, die ihrem Unternehmen auf diversen Ebenen zu besseren Entscheidungen verhilft. Alles zu Design Thinking auf CIO.de
So gehen Data Science und Design Thinking zusammen
Der Einfachheit halber gehen wir dabei von einem Data-Science-Team aus, das sich auf die Entwicklung eines neuen Produkts vorbereitet - und orientieren uns dabei am fünfphasigen Design-Thinking-Modell ("Emphasize", "Define", "Ideate", "Iterate", "Test"). Besagtes Produkt soll dem Unternehmen dabei helfen, die Rentabilität seiner Kunden zu verstehen.
1. In die Endbenutzer einfühlen
Selbst eine einfache Kategorie wie die Kundenprofitabilität bringt eine Vielzahl von Anforderungen, Fragen und Möglichkeiten mit sich, wenn es darum geht, Daten in umsetzbare Ergebnisse zu verwandeln. Daniel Fallmann, Gründer und CEO vom Softwareanbieter Mindbreeze, weiß, worauf es dabei ankommt: "Es ist erfolgsentscheidend, die unterschiedlichen Anforderungen zu verstehen, die die Geschäftsprozesse der Benutzer aufwerfen. Das Layout muss so gestaltet werden, dass die wichtigsten relevanten, personalisierten Erkenntnisse priorisiert werden."
Eine Gelegenheit für Datenwissenschaftler, sich in die Endbenutzer hineinzuversetzen: den aktuellen Stand der Datennutzung und Entscheidungsfindung beobachten. So muss ein Kundendienstmitarbeiter möglicherweise mehrere Systeme durchsuchen, um die Größe und Rentabilität eines Kunden zu ermitteln, wodurch er wertvolle Zeit für Kundenanfragen verliert - und wahrscheinlich Fehler macht, wenn er spontan Erkenntnisse gewinnt.
Marketer könnten hingegen bei der Optimierung von Kampagnen auf veraltete Informationen zurückgreifen, was wiederum zu verpassten Chancen und höheren Werbeausgaben führt. Fallman empfiehlt deshalb: "Datenwissenschaftler sollten mit einem nutzerzentrierten Ansatz beginnen, wenn sie Dashboards erstellen, die einen Rundumblick auf Informationen liefern sollen."
In unserem Beispiel wäre ein Verständnis über die verschiedenen Stakeholder-Segmente und die geschäftlichen Auswirkungen der Arbeitsweise ein erster Schritt in die richtige Richtung.
2. Vision hinter jedem Datenprodukt definieren
Die Endbenutzer zu beobachten und die unterschiedlichen Bedürfnisse der Stakeholder zu erkennen, kommt einem Lernprozess gleich. Als Data Scientist verspürt man möglicherweise den Drang, sofort mit der Problemlösung loslegen zu wollen. Die Design-Thinking-Prinzipien erfordern jedoch zunächst eine Phase der Problemdefinition, bevor es losgehen kann. Matthew Holloway, Global Head of Design beim Datenintegrationsspezialisten SnapLogic, erklärt: "Design Thinking wurde entwickelt, um bessere Lösungen zu finden, die die Bedürfnisse der Menschen mit den geschäftlichen und technologischen Möglichkeiten in Einklang bringen."
Damit sie "bessere Lösungen" entwickeln können, müssen Data-Science-Teams deshalb mit den Stakeholdern kooperieren, um:
eine Vision zu definieren, die die gewünschten Ziele umfasst,
die Fragen zu überprüfen, die mit Analytics-Tools beantwortet werden sollen, und
zu erfassen, wie die Antworten sich umsetzen lassen.
Diese Vision bereits im Vorfeld zu definieren und dokumentieren, bietet die Möglichkeit, sich zu Beobachtungen über die Stakeholder-Workflows auszutauschen und quantifizierbare Ziele festzuhalten. Ebenso wichtig ist es dabei, Prioritäten abzustimmen - insbesondere dann, wenn die Interessengruppen zwar gemeinsame Ziele haben, jedoch jeweils abteilungsspezifische Geschäftsprozesse optimieren wollen.
In unserem gewählten Beispiel zielt der Kundendienst darauf, Fragen zu einzelnen Kunden zu beantworten und ihre Rentabilität im Vergleich zu anderen Kunden im selben Segment zu benchmarken. Die Marketingabteilung weist eine andere Vision auf: Sie sucht die Top-Down-Ansicht der Rentabilitätstrends in führenden Kundensegmenten, um ihre Kampagnen zu optimieren. Das Unternehmen entscheidet sich in diesem Fall für die Bottom-up-Vision des Kundendienstes: Er ist in der Lage zu erkennen, wo der Zugang zu besseren Informationen die Kundenzufriedenheit verbessert und den Umsatz steigert.
3. Nicht-funktionale Anforderungen identifizieren
Beim Design Thinking gibt es eine Phase der Ideenfindung, in der agile Data-Science-Teams die Ansätze mit denen sie an Lösungen arbeiten (und ihre jeweiligen Kompromisse) diskutieren und erörtern können. In dieser Phase sollten Datenwissenschaftler diverse Fragen berücksichtigen. Zum Beispiel:
Gibt es gemeinsame Anforderungen von Stakeholdern und Endbenutzern, für die das Team Lösungen optimieren kann? Wo sind die wichtigeren Ziele zu berücksichtigen?
Verfügt das Unternehmen über die erforderlichen Datensätze oder sind neue nötig, um das Produktangebot zu optimieren?
Welche Datenqualitätsprobleme sind im Rahmen der Lösung anzugehen?
Wie sehen die zugrundeliegenden Datenmodelle und Datenbankarchitekturen aus? Bestehen technische Schulden oder ist eine optimierte Datenarchitektur erforderlich, um Skalierbarkeit, Leistung oder andere betriebliche Anforderungen erfüllen zu können?
Welche Faktoren sind in Bezug auf Datensicherheit, Datenschutz und andere Compliance-Faktoren zu berücksichtigen?
Das Ziel dieser Phase ist es, ein Gesamtbild darüber zu bekommen, was für das Datenprodukt erforderlich ist. Anschließend werden die erforderlichen Maßnahmen in sprintgroße Stücke zerlegt, damit das Team schrittweise optimieren kann.
4. Experience verbessern und Feedback erfassen
Bei der Arbeit mit Daten sagt ein Bild vielleicht mehr als tausend Worte - ein Dashboard, das umsetzbare Insights in die Waagschale wirft, ist jedoch noch wesentlich wertvoller. Agile Data-Science-Teams sollten mit jedem Sprint Back-End-Verbesserungen an der Datenarchitektur vornehmen, die Datenqualität verbessern und Datensätze auswerten. Das Ziel sollte dabei sein, den Endbenutzern so früh wie möglich ein funktionierendes Tool zu präsentieren. Das erfordert allerdings auch möglichst frühes Feedback - idealerweise bereits dann, wenn alle Funktionen und Verbesserungen noch in Arbeit sind.
Steven Devoe, Director of Data and Analytics beim Softwareanbieter SPR, erklärt, wie Datenwissenschaftler zu aussagekräftigen Dashboards kommen: "Konzentrieren Sie sich darauf, die wirklich wichtigen Fragen zu beantworten. Fokussieren Sie sich auf die Probleme, die Sie für Ihre Zielgruppe zu lösen versuchen. Menschen suchen in Dashboards nach Informationen, und als Data Scientist müssen Sie Ihre Dashboards logisch aufbauen, um ihnen diese Informationen zu liefern."
Weitere Maßnahmen im Sinne einer intelligenten Datenvisualisierung wären laut dem Experten:
Designstandards festzulegen,
visueller Elemente zum Zwecke des Storytellings zu nutzen, sowie
die iterative Verbesserung der Datenqualität anzustreben.
Am wichtigsten sei jedoch, mit den Endbenutzern in Kontakt zu treten und sicherzustellen, dass die Tools einerseits deren Fragen beantworten und andererseits mit umsetzbaren Arbeitsabläufen verbunden sind, meint Devoe: "Ich erlebe zu oft, dass Datenwissenschaftler versuchen, Dashboards zu erstellen, die alle möglichen Fragen beantworten sollen - nur um am Ende zu einem unübersichtlichen und wenig sinnvollen Ergebnis zu kommen."
Würde man in unserem Beispiel versuchen, die Anforderungen von Kundenservice und Marketing mit einem Dashboard zu bedienen, würde das sehr wahrscheinlich zu einem komplexen Design, funktionalen Problemen und letztendlich zu einem Analyse-Tool führen, das relativ schwer zu bedienen ist.
5. Testen, wo Analytics den Business Impact treibt
Neben der schrittweisen Optimierung von Daten, Modellen und Visualisierungen, sollte ein Hauptziel agiler Data-Science-Teams darin bestehen, Datenprodukte - beziehungsweise neue Versionen - in hoher Frequenz auszuliefern. Sobald diese in der Produktion sind, können Datenwissenschaftler, Endbenutzer und Stakeholder die Lösung testen und erfassen, wie sich die Analysen auf das Geschäft auswirken und wo Verbesserungen erforderlich sind.
Wie bei den meisten digitalen Produkten handelt es sich bei einem Datenprodukt nicht um ein einmaliges Projekt: Iterationen helfen dabei, die User Experience zu verbessern, aber erst im Rahmen des Testing zeigt sich, wo weitere Investitionen erforderlich sind, um die angestrebte Vision zu realisieren.
Design Thinking zu nutzen, um Datenprodukte iterativ zu verbessern, ist eine bedeutende Transformationsmöglichkeit für Unternehmen mit Data-Driven-Ambition. (fm)
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Infoworld.