Keine Meetings, keine E-Mails
Wie ein Unternehmen produktiver werden will
Wenn Sie MitarbeiterMitarbeiter fragen, was sie an ihrem Job am liebsten ändern würden, stünden weniger Anrufe, Mails und Meetings vermutlich ganz oben auf der Liste. Daran hat auch die Pandemie nichts verändert, im Gegenteil. Führungskräfte verbringen durchschnittlich 23 Stunden pro Woche in Meetings, und 71 Prozent der Manager sind der Meinung, dass Meetings unproduktiv und ineffizient sind - egal ob persönlich oder online. Alles zu Personalführung auf CIO.de
Um dieses Problem zu lösen, gäbe es einen einfachen und konsequenten Schritt: Meetings ganz abschaffen. Diesen innovativen Ansatz hat das internationale Online-Medienunternehmen The Soul Publishing gewählt, als es seine "No-meetings"-Richtlinie eingeführt und gleichzeitig alle internen E-Mails verboten hat.
Warum Meetings meist ineffizient sind
Anstatt Mitarbeiter dabei zu unterstützen, sich auf ihre Ziele zu konzentrieren, nutzen die meisten Unternehmen Meetings im Übermaß. Das kann jedoch schnell zu einem "Eile mit Weile"-Szenario führen, bei dem Mitarbeiter die Tendenz haben, Maßnahmen bis zur nächsten Besprechung aufzuschieben.
Führungskräfte müssen erkennen, dass jeder auf seine eigene Art und Weise arbeitet. Wenn jemand früh am Tag am produktivsten ist und man genau da ein Meeting in seinen Kalender einträgt, vergeudet man die produktivste Zeit dieses Mitarbeiters. Die Opportunitätskosten für Meetings sind in der Regel zu hoch, da sich diese Zeitinvestitionen kaum auszahlen.
Die Abschaffung von Besprechungen stärkt hingegen die Mitarbeiter, ihre Effizienz und ihre Motivation. Anstatt sich an einen vorgegebenen Zeitplan halten zu müssen, können Mitarbeiter so ihren eignen Rhythmus finden, ihre To-Do-Listen selbst verwalten und damit insgesamt Dinge effizienter abarbeiten. Unternehmen, die den Mut haben, auf eine sogenannte asynchrone Kommunikation umzustellen, werden langfristig mehr Erfolg haben.
Wie man Meetings abschafft
Diesen Mut hatte das global tätige Medienunternehmen The Soul Publishing, als es seine "No-meetings"-Policy einführte. Fairerweise muss man zugeben, dass es bei TheSoul eine aus der Unternehmensstruktur und den internen Arbeitsabläufen bedingte Notwendigkeit gab, eine andere Art der Zusammenarbeit zu entwickeln.
Den Grund beschreibt Patrik Wilkens, Vice President Operations bei The Soul Publishing so: "Achtzig Prozent unserer weltweit 2.200 Mitarbeiter arbeiten nicht in unseren Studios und Büros, sondern per Remote-Zugriff. Sie müssen sich ein Arbeitsumfeld vorstellen, das sehr vielfältig und dynamisch ist und sich über 70 Länder, verschiedene Kontinente und Zeitzonen erstreckt." Wenn zwischen den Teams bis zu neun Stunden Zeitunterschied liegen, dann sei eine zeitlich synchrone Zusammenarbeit und persönliche Meetings nicht möglich, weil es für mindestens einen Mitarbeiter immer außerhalb der Geschäftszeiten stattfindet.
Radikale Transparenz
Deutlich mehr Erfolg erzielt man durch Umstellung auf eine asynchrone Kommunikation - eingebettet in einen allgemeinen Projektzeitrahmen. Asynchrone Kommunikation innerhalb einer Belegschaft bedeutet den Verzicht auf regelmäßige Meetings, und dass keine sofortigen Antworten auf eine E-Mail oder andere Nachrichten erwartet werden. Die Mitarbeiter haben so die Kontrolle darüber, wann sie mit ihren Kollegen kommunizieren.
Diese Form der Zusammenarbeit ist vor allem für dezentrale Organisationen perfekt. Aber auch Unternehmen, deren Mitarbeiter in nur einer Zeitzone arbeiten, könnten von der asynchronen Kommunikation profitieren. Damit das Modell funktioniert, bedarf es laut Wilkens bestimmter Voraussetzungen und Vorarbeiten. "Ein weiteres Schlüsselprinzip, auf das wir neben der asynchronen Kommunikation setzen, ist die radikale Transparenz", berichtet Wilkens. In einer Umgebung, die stark dezentralisiert sei, ist es unerlässlich, die Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, autonom Entscheidungen zu treffen. Dafür müssen sie ausreichend Zugang zu Informationen haben.
Das Modell der radikalen Transparenz zu betreiben und jedem einen ausreichenden Kontext über den Ablauf von Projekten im gesamten Unternehmen zur Verfügung zu stellen, war für The Soul der Weg dorthin. "Deshalb haben wir auch interne E-Mails verboten. Denn E-Mails sind das Gegenteil von Transparenz", meint der Medienmanager. Der Austausch sei nur innerhalb der Gruppe sichtbar. Jeder, der Zugang zu den Informationen benötige, sollte sie bekommen können, um sicherzustellen, dass alle auf dem gleichen Stand sind.
Weg mit den Zoom-Sitzungen
Daher werden bei The Soul Publishing die meisten Projekte schriftlich verwaltet. Es besteht also keine oder nur eine äußerst geringe Notwendigkeit für Zoom-Calls oder eine persönliche Kommunikation via MailMail oder Telefon. Die meisten Interaktionen innerhalb des Unternehmens laufen über gemeinsame Tools und Plattformen, die allen an einem Projekt Beteiligten zur Verfügung stehen. Alle Informationen im Unternehmen werden auf der Plattform gemeinsam genutzt. Auf diese Weise hat jeder den gleichen Zugang und ist sofort auf dem neuesten Stand. Alles zu Mail auf CIO.de
Obwohl es einfach klingt, erfordert die Einführung eines Meeting-Verbots Weitsicht und Planung und muss eingebettet sein in die Unternehmenskultur. Dies ist eine weitere wichtige Voraussetzung, damit dieses Arbeitsmodell funktioniert. "Ein Team zu haben, das nach diesem Modell arbeiten kann, beginnt mit der Rekrutierung. Man muss agileagile Mitarbeiter einstellen, die bereit sind, diese Ansätze zu übernehmen und die alte Arbeitsweise aufzugeben", so Wilkens. Alles zu Agile auf CIO.de
Man habe dabei beobachtet, dass je unkonventioneller die Unternehmenskultur sei, desto intensiver und länger ist der Onboarding-Prozess. Neuen Mitarbeitern werde bei The Soul Publishing als erstes beigebracht, wie die Beschäftigten untereinander kommunizieren. Es gibt bei jedem eine Lernkurve und jeder neue Mitarbeiter braucht Zeit, um das zu verdauen, bevor er in den Arbeitsprozess einsteigen kann. Denn wenn ein Mitarbeiter nicht darauf trainiert ist, auf diese Art und Weise zu arbeiten, wäre wahrscheinlich das erste was er tun würde, ein Meeting mit jemandem zu vereinbaren.
Es gibt Ausnahmen
Obwohl von Meetings abgeraten wird, gibt es auch bei The Soul Publishing Ausnahmen von der Regel. In besonderen Fällen sind Treffen erlaubt. Zu diesem Zweck gibt es ein Verfahren, wie eine Besprechung einzuberufen ist. Zunächst muss der Mitarbeiter versuchen, das Problem mit Hilfe der Projektmanagementsoftware zu lösen. Gelingt dies nicht, muss mindestens 24 Stunden im Voraus eine Einladung mit einer Tagesordnung verschickt werden, und zwar nur an die Personen, die wirklich an der Besprechung teilnehmen müssen.
Standardvorgabe ist die Begrenzung auf zwei Personen und eine maximale Dauer von 30 Minuten. Nach der Sitzung muss der Inhalt dokumentiert und auf der Projektmanagement-Plattform veröffentlicht werden. Dieser nicht ganz so angenehme Vorbereitungsprozess solle die Leute dazu motivieren, Dinge ohne eine Besprechung zu lösen. Und das ist das ultimative Ziel bei The Soul Publishing.
Vorteile des Verbots von Meetings
Die Abschaffung von Besprechungen hat zahlreiche Vorteile. Das Hauptziel besteht darin, die Effizienz und Produktivität zu steigern und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Mitarbeiter ihre Zeit mit dem verbringen, was sie am besten können, anstatt sich in einem Prozess zu verstricken, der keinen Mehrwert bringt. Asynchrone Kommunikation trägt dazu bei, die Konzentration aufrechtzuerhalten, und gibt den Mitarbeitern Zeit, klare Botschaften in schriftlicher Form zu formulieren. Dadurch werden Ablenkungen auf ein Minimum reduziert und alle Mitarbeiter sind produktiv und können sich auf ihre Aufgaben konzentrieren.
"Wir haben von neuen Mitarbeitern das Feedback bekommt, dass unser Modell ohne Meetings anfangs ungewohnt und etwas stressig ist, aber sobald sie sich daran gewöhnt haben, fühlen sie sich befreit und ihre Produktivität schießt in die Höhe. Wir haben so ein Umfeld geschaffen, in dem die Mitarbeiter in kürzerer Zeit eine unglaubliche Produktivität erreichen können", so Wilkens.
Kollegenaustausch findet dennoch statt
The Soul ist deswegen aber kein "unmenschliches" Unternehmen geworden. Im Gegenteil: Den sozialen Austausch mit den Kollegen gibt es nach wie vor. Schließlich wollen die Menschen den Kontakt zu ihren Arbeitskollegen nicht verlieren. Auch wenn bei dem Studio alles, was für die Arbeit wichtig und notwendig ist, auf der Kollaborationsplattform gespeichert und geteilt wird, findet trotzdem noch das Gespräch und der soziale Austausch mit Kollegen statt.
Zu diesem Zweck hat das Medienunternehmen soziale Plattformen eingerichtet, wie Buchclubs, in denen die Mitarbeiter sich austauschen können. Der Schwerpunkt liegt darauf, die Barrieren bei der Arbeit abzubauen. "Arbeit muss Spaß machen und wir versuchen die Prozesse so zu gestalten, dass sie Freude machen und gleichzeitig effizient sind, damit sich die Leute auf das konzentrieren, was sie am besten können. Sobald sie anfangen, mehr von dem zu tun, was sie gut können, werden sie im Allgemeinen auch glücklicher", so Wilkens.
Eines der Kriterien, nach denen sein Unternehmen die Leistung von Teams bewertet, ist, wie gut sie Informationen über ihre Projekte und ihre Erfolge weitergeben und wie offen und transparent sie kommunizieren.
Chefs müssen Vorbild sein
"Radikale Transparenz ist für die Menschen normalerweise unangenehm. Und genau hier kommt die Unternehmenskultur ins Spiel. Diesen Ansatz zu fördern, mit gutem Beispiel voranzugehen und den Mehrwert zu demonstrieren, ist die größte Herausforderung, der wir uns im Management stellen," so Wilkens.
Das Beispiel von TheSoul Publishing zeigt, dass Führungskräfte nicht einfach über Nacht einen Schalter umlegen können, sondern dass sie zunächst transparente und asynchrone Kommunikationsprozesse im Unternehmen etablieren müssen. "Es reicht nicht aus, Meetings einfach abzuschaffen - man muss parallel auch interne E-Mails abschaffen, ein Projektmanagement auf Teamebene etablieren und eine Kultur schaffen, die den Ansatz klar kommuniziert. Erst wenn diese Schritte erfolgreich umgesetzt sind, können Sie erwarten, dass Ihr "No-meetings" Ansatz zu positiven Ergebnissen führt", fasst Wilkens die Erfahrungen zusammen.