Outen oder nicht?

Wie man mit depressiven Verstimmungen umgeht

07.12.2009
Von Christina  Kestel

Also verheimlichen, solange die Fassade aufrechterhalten werden kann?

Fischer: Nicht nur die Fassade, sondern auch die Funktionsfähigkeit bei guter Lebensqualität. Warum sollte jemand, der beispielsweise eine Herzrhythmusstörung hat, die aber gut medikamentös behandelbar ist, seinen Kollegen davon erzählen? Dazu besteht überhaupt kein Anlass. Das gilt auch für Depressionen - es gibt leichte Varianten, die entweder psychotherapeutisch oder medikamentös oder in Kombination von beidem behandelt werden können. Dabei kann jemand in seinem privaten und beruflichen Umfeld nicht nur die Fassade aufrechterhalten, sondern auch sehr leistungsfähig sein. Solange das gewährleistet ist, geht es niemanden etwas an.

W ir haben ja im Fall Enke viel zu spät erfahren, welche immensen Ängste der Fußballer vor dem Bekanntwerden seiner Depressionen hatte. Mit welchen Folgen müssen sich Betroffene im Falle eines Outings auseinandersetzen?

Fischer: Wenn beispielsweise eine Stelle zu besetzen ist, die mit sehr hohen Anforderungen verbunden ist, geht man das Risiko ein, nicht genommen zu werden. Nicht aufgrund der bisherigen Leistung, sondern aufgrund der Befürchtung in Zukunft nicht die erforderliche Leistung erbringen zu können. Und wenn man zu früh oder zur Unzeit etwas über eine Erkrankung offenbart hat, vergibt man sich möglicherweise Chancen.

"Verständnis für Krankheiten nimmt zu"

Das ist ein schmaler Grat, den man in einem solchen Fall entlanggehen muss.

Fischer: Ja. In dem Moment, in dem eine Krankheit objektiv und subjektiv zu einer solchen Beeinträchtigung führt, dass die Belastung nicht mehr durchzuhalten ist, sollte man seine Karriere und seinen Beruf danach ausrichten. Sonst richtet man sich zugrunde.

Tritt denn das ein, wovon die Betroffenen am meisten Angst haben: Häme, Scham, Versagen?

Fischer: Die Versagensängste sind immens. Und im Übrigen sind sie nicht irrational. Sie sind durchaus begründet. Sie addieren sich zu jener Angst hinzu, die zum Krankheitsbild einer Depression gehört.

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