Strategien


Neue Diskussion

Wie man Mitarbeiter von neuen Tools überzeugt

Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
Wie kriegt man auch den dümmsten anzunehmenden User dazu, mit neuen Systemen zu arbeiten? Darüber flammt in den USA gerade eine Diskussion auf. Anwender-Beschimpfung ist aber einer Erörterung von Affordanz und Enablement gewichen, wie Nutzer-Experte Stephen Fishman erklärt.

"A fool with a tool is still a fool", stellen US-amerikanische Informatiker fest (deutsch etwa: Auch das beste Werkzeug macht einen unbegabten Menschen nicht begabter). Rund 35 Jahre nach dem ersten PC (wenn als solcher der Commodere PET gelten darf) stehen IT-Chefs vor der Frage: Was tun, damit die Belegschaft Anwendungen nutzt?

Aktuell hat sich diese Diskussion in akademische Höhen geschraubt. Das belegt der Beitrag "Affordance versus enablement - the value of simplicity is not that simple" von Stephen Fishman auf cmswire.com.

Aus dem englischen Affordance leitet sich der Begriff Affordanz (auch: Angebotscharakter oder Aufforderungscharakter) ab. Dazu ein Beispiel: Eine Tasse hat eine ziemlich eindeutige Affordanz, die meisten Menschen werden etwas Trinkbares hineingießen und es trinken. Ein Computer hat eine weniger eindeutige Affordanz: Man kann damit arbeiten (privat oder gewerblich), oder Spiele spielen, oder mit anderen Menschen kommunizieren, oder im Internet Reisen buchen, oder Online-Banking machen, oder vieles andere mehr.

Fishman interessiert der Zusammenhang zwischen Affordanz und Enablement. Konkret: Er will in Fragen der Benutzerführung zunächst einmal zwischen intuitiver FührungFührung und Affordanz unterscheiden. Vereinfacht ausgedrückt setzt eine intuitive Benutzerführung darauf, dass der Anwender sie schon verstehen wird. Affordanz dagegen bemüht sich aktiv um den Anwender. Alles zu Führung auf CIO.de

Schweigende und sprechende Eingangstüren

Fishman verdeutlicht das an einem sehr handfesten Vergleich zweier Eingangstüren. Die eine hat einen schlichten Griff in Höhe der Hüfte eines Erwachsenen, auf der anderen prangt ein Hinweisschild mit dem Abdruck einer Hand. Damit "sagt" sie dem Passanten, dass er mit der flachen Hand drücken muss.

Nach diesem Schema möchte Fishman Social-Enterprise-Anwendungen gestaltet sehen. Nach eigener Darstellung stößt er jedoch auf taube Ohren - jedenfalls bei allen, die auf das Geld gucken müssen. Sie wollen wissen, ob und wie sich Verbesserungen bei der Affordanz in Heller und Pfennig rechnen. In diesem Falle also in höherer Nutzung der Anwendungen. Für Fishman versteht sich von selbst, dass bessere Nutzungsraten mehr Geschäftserfolg bringen. Er verweist auf AppleApple, weil das Team um Steve Jobs von Anfang an Erfolg mit Produkten hatte, die sich eng am Affordanz-Prinzip orientieren. Alles zu Apple auf CIO.de

Es geht Fishman darum, bei der Entwicklung von Anwendungen durch die Brille künftiger Nutzer zu sehen. Er strapaziert dabei aber nicht das DAU-Klischee ("dümmster anzunehmender User"), sondern plädiert für eine Perspektive, die den Anwender ernst nimmt.

Soviel zur Klärung der Begrifflichkeiten. In der Gegenüberstellung von Affordanz und Enablement warnt Fishman davor, Affordanz zum goldenen Kalb zu erheben. Er plädiert für einen pragmatischen Blick.

Das heißt: Wird ein Produkt oder ein Service neu eingeführt, steht das Enablement im Vordergrund. Es ist für das Unternehmen wichtiger, als Erster etwas ermöglichen zu können, als ein besonders holistisches Design vorzuweisen. Erst im Laufe der Zeit, wenn das Produkt oder die Dienstleistung nicht mehr neu ist, rückt die Affordanz ins Zentrum.

Je weniger Zwang, umso wichtiger die Affordanz

Wie Affordanz und Enablement zu gewichten sind, hängt vor allem von der Zielgruppe ab. Handelt es sich um Anwender, die die Lösung nicht nutzen müssen, ist die Affordanz wichtiger. Handelt es sich um Mitarbeiter, die die Anwendung auf jeden Fall für ihren Job brauchen, spielt Enablement die größere Rolle.

Ein anderer wichtiger Aspekt ist schlicht und einfach das Geld. Wer mit einer bestimmten Anwendung zufrieden ist, sollte nur dann auf ein ansprechender gestaltetes Äquivalent umsteigen, wenn es nicht zu teuer ist.

Stephen Fishman ist Director of Consumer Platforms for AutoTrader.com. Er schreibt zurzeit an seinem ersten Buch.

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