Smarte Produkte treffen auf Smarte Fabrik

Wie smarte Produkte die Wertschöpfung in Unternehmen verändern

01.02.2019
Von   IDG ExpertenNetzwerk, Christian Zeller und Guido Horstmann
In seinen beruflichen Stationen bei Siemens, Staufen AG, MT Aerospace und aktuell Webasto trug Dr. Walter Huber überwiegend die Verantwortung für strategische Veränderungen. Aktuell ist er bei Webasto als Director im Produktionsbereich/Manufacturing Engineering beschäftigt. Im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit hat er über 30 Industrie 4.0 Projekte umgesetzt und mehrere Firmen in Richtung Industrie 4.0 transformiert. Hierzu ist auch beim Springer Verlag das Buch mit dem Titel Industrie 4.0 in der Automobilproduktion erschienen. Ein weiteres Buch mit dem Titel Wie Technologien unsere Wirtschaft und unsere Unternehmen verändert erscheint ebenfalls beim Springer Verlag.

Verschiebung der Wertschöpfung in den Unternehmen

Durch die stetige Verbreitung aber auch der zunehmenden Reife von smarten Maschinen verschiebt sich die Wertschöpfung weg von der Produktion und der Fertigung hin zum Engineering. Dies gilt sowohl für den Maschinen- und Anlagenbauer als auch für den OEM (also den Maschinenbetreiber oder -nutzer). Für den Maschinenhersteller ergibt sich die Situation, dass nicht ausschließlich Hardware in Form von entsprechenden Maschinen, sondern immer vermehrt Software an den Endkunden ausgeliefert wird.

Eine Differenzierung am Markt etwas für Bestückungsautomaten in der Elektronikfertigung ist rein über Hardware kaum mehr möglich. Das Thema ist mehr oder weniger Commodity, während die Software zur optimalen Auslastung der sehr teuren Maschinen und eine stringente Materialversorgung hingegen "gute" von "weniger guten "Herstellern auszeichnen. Die Wertschöpfung findet somit zusehens in den Entwicklungsabteilungen und weniger auf dem Shopfloor statt.

Damit aber nicht genug. Durch neue Geschäftsmodelle, die durch vernetzte Maschinen möglich werden, entwickeln sich die Produkthersteller zu Dienstleister. Maschinenverfügbarkeit und nicht mehr der Verkauf von Maschinen steht im Vordergrund. Turbinenhersteller in der Luftfahrtindustrie als Beispiel zeigen den Weg auf. Hierbei handelt es sich nicht um ein singuläres Phänomen, sondern ist vielmehr als "Muster" zu sehen, das branchenübergreifend festzustellen ist. Es betrifft nicht nur das B2B- sondern auch vermehrt auf das B2C-Geschäft. Verbraucher gehen immer mehr in Richtung Produktnutzung und weg von Produktbesitz. Dieser Trend wird sich zunehmend verstärken.

In Summe erfolgt eine deutliche Verschiebung der Wertschöpfung in den Unternehmen. Die Bedeutung der Produktion und Fertigung wird abnehmen. Demgegenüber wird die Relevanz der Produktentwicklung deutlich steigen. Damit verbunden ist der Bedarf nach entsprechenden Plattformen in Form von IIoT-Lösungen rsp. entsprechenden Eco-Systemen. Darüber hinaus wird die Software-Entwicklung und das darin abgebildete Know-How Kernkompetenz von Unternehmen werden.

Veränderung in der Organisationsstruktur

Agilität (wie auch immer diese in Organisationen auszusehen hat) reicht nicht aus, um im neuen Wettbewerb zu bestehen. Unternehmen müssen sich nachhaltig anders aufstellen - sie müssen robust werden. Es gilt die Bereitschaft zur Veränderung und Innovation zu stärken. Das konsequente und konstruktive Hinterfragen aktueller Geschäftsmodelle und Produkte sollte zur "DNA" werden. Zwar sind derartige Ansätze schon seit der Lean-Ära bekannt, nun aber wird es ernst: Es gilt diese Ansätze endlich konsequent umzusetzen.

Für Unternehmen ergibt sich die Situation, dass über Jahrzehnte erarbeitetes Wissen durch smarte Produkte und neue Technologien wie maschinelles Lernen massiv entwertet wird. Es entstehen somit vielfach massive Widerstände gegen anstehende und auch erforderliche Veränderungen, vor allem bei gut laufenden Geschäften ("Don't touch a running system"-Mentalität von Managern). Menschen und Organisationen müssen bekannte und vertraute Komfortzonen verlassen. Unternehmen sind daher vielfach erst bereit sich zu verändern, wenn Krisen bereits eingetreten sind. Dann ist es aber oftmals schon zu spät.

Zu dieser Veränderung gehört natürlich auch die Qualifizierung der Mitarbeiter auf allen Ebenen. Hierbei ist es aber nicht mit einer 1-2 tägigen Schulung in den Grundlagen von Industrie 4.0 getan. Aktives Change-Management ist hier gefragt.

Und auch die Öffnung interner Abteilungen, beispielsweise der IT-Abteilung nach außen ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Wer Software anbietet, muss diese betreiben und supporten. Während bisher lediglich Geschäftsapplikationen betrieben wurden, müssen im Umfeld von Industrie 4.0 auch Kunden- und Shopfloor-Anwendungen berücksichtigt werden.

Die Veränderungen zeigen sich auch in der veränderten Bedeutung von Bereichen. Software-Entwickler werden einen deutlich höheren Stellenwert in den Unternehmen einnehmen als bisher. Hierbei ist es unerheblich, ob diese organisatorisch in der Produktentwicklung oder im IT-Bereich beim CIO angesiedelt sind - Hauptsache, es gibt sie. Da Organisationen immer agiler werden müssen, sollte diese Diskussion unternehmensintern auch entspannt geführt werden.

Fazit

Durch die Digitalisierung und Industrie 4.0 wird sich die Industrielandschaft Deutschlands nachhaltig verändern - nicht heute, aber mittelfristig über die nächsten Jahre. Es wurde hoffentlich deutlich, dass diese Veränderungen vielschichtig und komplex sind. Somit ist ein "Weiter so" oder "Das machen wir nebenbei" ein sehr gefährlicher Ansatz. Fehler dürfen gemacht werden und sind leider unvermeidlich auf den Weg hin zu einem smarten Unternehmen. Wichtiger ist vielmehr sich auf den Weg machen. Viel Spaß hierbei!

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