Change Management
"Wie soll es sonst anders weitergehen?"
Metakompetenzen durch gemeinsame Ziele
Ihnen zufolge sollte man Menschen inspirieren anstelle sie zu motivieren. Können gierige Menschen überhaupt inspirieren?
Im negativen Sinne, ja. Nehmen sie beispielsweise soziale NetzwerkeNetzwerke wie FacebookFacebook. Wenn man keine Verbundenheit oder Nähe erlebt, sucht man sich eben virtuelle Freunde - je mehr, desto vermeintlich besser. Es ist, wie gesagt, eben nicht das, was man wirklich braucht. Nur: Andere nehmen dies als Inspiration und verhalten sich genauso. Alles zu Facebook auf CIO.de Alles zu Netzwerke auf CIO.de
Was ist daran schlimm, jemanden zu imitieren?
Wir tun es alle. Und wir reden uns dabei oftmals gegenseitig ein, dass man über Ersatzbefriedigungen bekommen würde, was man eigentlich braucht. Wir führen den Gedanken nicht zu Ende - das ist das Problem.
Wie lautet die Lösung?
Die eine Lösung lautet: Liebe.
Ist es nicht ein bisschen viel verlangt, dass wir uns alle gegenseitig lieben sollen?
In der Tat. Daher die andere: individualisierte Gemeinschaften. Wir können eine Form von Beziehung herstellen, in der wir gemeinsam für etwas unterwegs sind, also in der jeder Einzelne feststellt, dass er gebraucht wird, um das gemeinsame Ziel zu erreichen.
Wozu ein gemeinsames Ziel?
Weil in gemeinsamer Arbeit etwas entstehen soll, dass der Einzelne alleine nicht vollbringen könnte. Aber er trägt auf seine besondere Weise zum Gelingen bei - es kommt auf ihn an.
Können Sie Beispiele nennen?
Denken Sie an einen Chor oder auch an ein Schauspiel. Hier werden die gemeinsamen Leistungen sichtbar. In Unternehmen sollte es eigentlich auch so sein.
Aber was ist denn daran so grundlegend abwegig, einfach gedankenlos zu handeln, also ohne Inspiration oder den unbedingten Willen, etwas gestalten zu wollen?
Wir machen viele Dinge ohnmächtig, weil es auch so funktioniert. Wir machen das aus dem Bauch heraus, weil es sich halt so entwickelt hat. Manches davon ist ja auch richtig.
Und was davon ist falsch?
Um Ihnen das an einem Beispiel zu erklären: Früher musste ich gemeinsam mit meiner Familie im Wald nach Holz suchen. Da war jedes Kind wichtig, es war gemeinsame Arbeit. Und wir freuten uns alle gemeinsam darüber, dass die Stube am Abend warm war.
Eine individualisierte Gemeinschaft, oder?
Ja. Worauf ich jedoch hinaus möchte: Man erlebt, wie wichtig es ist, dass man seine Eigenheiten und Bedürfnisse auch mal zurückstellen muss, weil man gemeinsam für etwas unterwegs ist - ich nenne das Shared Attention. Mittlerweile wissen wir: Man erwirbt auf diese Weise sogenannte Metakompetenzen, also die Fähigkeiten, seine Handlungen zu planen, die Folgen von seinen Handlungen abzuschätzen oder auch sich in andere Menschen einzufühlen. Dazu gehört ebenfalls, seine Impulse zu kontrollieren und auch mal Frust aushalten zu können.
Können diese Fähigkeiten ausschließlich in solchen Gemeinschaften erlernt werden?
Sie lassen sich nicht unterrichten. Man erwirbt sie in Situationen, in denen man, um es platt zu sagen, den Nutzen von solchen Fähigkeiten erlebt. Das funktioniert aber eben einzig, wenn man mit anderen für irgendein gemeinsames Ziel unterwegs ist. Zumindest in der Vergangenheit hat dies auch immer funktioniert.
Wieso sollte es künftig nicht mehr funktionieren?
Weil gerade die erste Generation von Menschen groß wird, die weder Not noch Elend, Feinde oder Bedrohung erleben. Sie erfahren es gar nicht mehr, wie es ist, gemeinsam arbeiten zu müssen. Dem entsprechend bilden sie ihre Fähigkeiten auch nicht mehr aus.
Wohin führt das?
Wir bekommen dadurch eine Symptomatik, die wir Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS, nennen.
Unsere Kinder werden also krank?
Gott sei Dank, dass uns das passiert!
Wie bitte?
Wie sollten wir jemals erkennen, dass wir durch die Art und Weise, wie wir unser Leben gestaltet haben, gerade dabei sind, uns etwas zu berauben, dass wir dafür brauchen, um weiterhin Menschen zu bleiben? Dadurch, dass man etwas falsch macht, bekommt man die Gelegenheit, es im Anschluss bewusst zu verändern - es selbst zu gestalten. Darum geht es! Es geht nicht darum, dass wir alles richtig machen. Es geht darum, dass wir lernen, was wir eigentlich alles brauchen, damit wir werden können, was in uns angelegt ist.
Sie neigen zur Philosophie.
Sie können ja gar nicht anders als zu fragen, wie es weitergehen soll.
Sind Sie nicht Gehirnforscher?
Sie müssen wissen, dass man ein Gehirn gar nicht verändern kann. Sie können einzig die Erfahrungsräume verändern, in denen die Menschen ihre Gehirne ausbilden.
Psyche und Physis gehören zusammen
Wie kommen Sie zu dieser Erkenntnis?
Es gibt Hirnforscher, die damit zufrieden sind, wenn sie herausfinden, wie das Gehirn funktioniert. Ich gehöre zu denjenigen, die durch ihre wissenschaftlichen Arbeiten und Erfahrungen gemerkt haben, dass an einem Gehirn auch noch ein Körper hängt. Ich kann jedenfalls nur dann Gehirnforschung betreiben, wenn ich auch den Körper betrachte.
Und was hat ein menschlicher Körper mit besagten Erfahrungsräumen zu tun?
Alles, was ich im Gehirn messen kann, hängt immer auch davon ab, wie es der Person gerade geht und wie sie beschaffen ist. Andererseits schlägt sich jeder Effekt, den man im Gehirn auslöst, im Körper nieder. Das kennt übrigens jeder: Wenn man Angst hat, dann wird einem plötzlich die Brust eng, der Atem stockt und die Knie werden weich - lauter körperliche Merkmale.