Das ausgebremste Autoland
Wo Deutschlands Automobilindustrie jetzt steht
Derweil versucht die VW-Belegschaft, mit der neuen Realität klarzukommen. "Vor Corona hat es hier noch ganz anders ausgesehen", erzählt der Wolfsburger Werkleiter Stefan Loth. Sorgfältig übt man an der Geburtsstätte von Golf und Tiguan das Leben "post Corona" ein. Die Kollegen sind vorerst nur in geringerer Zahl an den Bändern und in den Büros, die Fertigung läuft im Sparmodus. Andere Taktzeiten, entzerrte Schichtpläne, weniger Menschen je Fläche. Getrennte Pausen, markierte Laufwege. Spuckschutz in der Motormontage, Plastikplanen zwischen den Stationen. So sieht die Arbeitswelt in den Hallen aus.
Die Betriebsärzte Jörg Lamberg und Jakob Lang geben Tipps zum Waschen der Hände - inklusive Vorschlägen zur Musikbegleitung, um die nötige Zeit richtig abzuschätzen. In der Produktion müssen die Oberflächen ständig desinfiziert werden, dazu Hygienestationen in regelmäßigen Abständen. Überhaupt Abstände: Allerorts gilt die Mindestdistanz von 1,50 Metern. Wo das nicht geht, ist Mund-Nase-Schutz sowieso Pflicht.
"Gesund aus dem Schlamassel"
Auch bei anderen Autofirmen gehören solche Maßnahmen zum Standard. Der Kampf gegen Corona führt aber hier und da auch zu einigem Zoff. Quasi durch die Hintertür hätten komplette Schichtmodelle geändert werden sollen, ist bei VWVW zu hören. Das machte der Betriebsrat dann doch nicht mit. Ebenso wenig ließ sich dessen Chef Bernd Osterloh darauf ein, am Werkstor automatische Fieber-Scanner aufzustellen. Top-500-Firmenprofil für VW
Jenseits solcher Reibereien sind sie allerdings froh, weitermachen zu können. Schließlich waren allein in den deutschen VW-Werken 80 000 Menschen in Kurzarbeit, und etliche sind es noch. "Ich hätte nie gedacht, dass mir das fehlen würde: das Scheppern der Plattenwagen, das Quietschen der Werkseisenbahn nach vier Wochen Corona-Schlaf", so Osterloh im Hausblatt "Mitbestimmen". "Nur eine motivierte, gesunde Mannschaft kann uns aus dem Schlamassel herausziehen." Der Chef der Kernmarke, Ralf Brandstätter, ist überzeugt: "Produktionsanlauf und höchste Standards beim Gesundheitsschutz sind miteinander vereinbar. Wir wollen schrittweise wieder zu stabilen Verhältnissen kommen."
Noch sind die Verhältnisse aber alles andere als stabil. Im April stürzten die Auto-Neuzulassungen in Deutschland im Vorjahresvergleich um 61 Prozent ab, auch BMWBMW oder DaimlerDaimler müssen Investitionen straffen und Prognosen über den Haufen werfen. Die Viruskrise spiegelt sich ebenso in der Verwaltung wider, am VW-Hauptsitz wechselten 20.000 Leute ins Homeoffice. Der Vorstand verlangte laut Betriebsrat zuerst eine "Mindest-Anwesenheitsquote". Auch das wurde abgelehnt. Leistung sei entscheidend - "nicht irgendwelche fixen Anwesenheitsquoten". Top-500-Firmenprofil für BMW Top-500-Firmenprofil für Daimler