Das ausgebremste Autoland
Wo Deutschlands Automobilindustrie jetzt steht
Hinzu kommen Digitalisierung und Vernetzung, wobei die IT-Riesen aus den USA und Asien weiter übermächtig sind. Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer schätzt, dass die aktuellen Überkapazitäten wegen der Corona-Krise den Druck aus dem ohnehin schwierigen Strukturwandel nochmals erhöhen: "Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren bis zu 100.000 Jobs in der deutschen Autoindustrie wegfallen."
Wiederanlauf aus dem Stand ist Neuland
Ob es wirklich so arg kommt, ist nicht ausgemacht. So wirksam Corona als Beschleuniger des nötigen Umbaus sein könnte, so groß sind die Risiken. "Ein industrieweiter Wiederanlauf aus dem Stand ist Neuland für alle", sagt ContinentalContinental-Chef Elmar Degenhart. "Er wird gelingen, wenn alle Elemente der Lieferkette zugleich wieder ineinandergreifen und dabei die Sicherheit der Mitarbeiter gewährleistet ist." Top-500-Firmenprofil für Continental AG
Bei dem nach BoschBosch weltweit zweitgrößten Autozulieferer steht die Produktion in vielen Werken rund um den Globus ebenfalls. Allein in der Bundesrepublik waren im April 30.000 Beschäftigte in Kurzarbeit, jetzt wird der Betrieb schrittweise hochgefahren. Ähnlich wie bei VW hat sich einiges in den Fabriken verändert: Plexiglaswände, versetzte Schichten, größere Sitzabstände im Pausenraum, Home Office wo möglich. Top-500-Firmenprofil für Bosch
Aber auch dort gibt es neue Ansätze, beispielsweise in der digitalen Weiterbildung. Manche Kurse wurden in ein "virtuelles Klassenzimmer" verlegt, mehr als 50 Beschäftigte legten online schon Prüfungen ab. "Die Mitarbeiter können sich während der Arbeitszeit bei vollem Lohn weiterqualifizieren", berichtet Conti-Personalchefin Ariane Reinhart.
Abwracken und Umsteuern
Doch die Erwartungen, es möge demnächst vieles wie früher sein, sind hoch. "Deutschland ist ein Autoland", so Diess. "Sobald wieder Autos gekauft werden, kommt die Wirtschaft zurück." Andererseits: Der laute Ruf nach Staatshilfe bringt die Konzerne bisher nicht dazu, ernsthaft an Managerboni oder Aktionärsdividenden zu rütteln. Und noch haben zumindest die Großen Milliarden in der Kasse, die sie eine Zeitlang ohne Steuergeld über Wasser halten können. Und sind neue Verbrenner geeignet, die Industrie auf den grünen Pfad zu führen? Bei der EU machen Hersteller jedenfalls Druck auf die Vorschriften zu CO2 und Flottenverbrauch, zumal der E-Auto-Absatz noch in Fahrt kommen muss.
Am Ende könnte das Auto gar - allen Krisenszenarien und kritischen Stimmen zum Trotz - ein Revival erleben. Angst vor Ansteckung in Bus und Bahn, der Boom der Lieferdienste: Solche Faktoren dürften den Individualverkehr womöglich zusätzlich beleben, ermittelte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Auch die Kollegen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung geben sich skeptisch: "Angesichts der begrenzten Kapazität würde eine "Abwrackprämie" nicht die Gesamtproduktion sauberer Autos erhöhen, sondern den Fokus auf die Produktion konventioneller oder hybrider Autos verstärken - und damit nicht zu Investitionen in die Transformation beitragen." (dpa/rs)