Neue Arbeitsformen
Zu schneller Wandel zum Scheitern verurteilt
- 30 Prozent der Studienteilnehmer gehen „in der traditionellen Arbeitswelt ihren altbewährten Weg“ und erziehen damit hohe Erfolge
- HSG und ZEAG definieren sechs "neue Arbeitsformen"
- Die Forscherinnen plädieren für einen "verhaltenen Wandel" statt überstürzter Aktionen
- Wandel der Arbeitsformen braucht gute Führung
"Arbeitswelt im Umbruch" nennt sich die gemeinsame Studie vom Konstanzer Zentrum für Arbeitgeberattraktivität (ZEAG) und der Hochschule St. Gallen (HSG). Das Papier versteht sich als Bestandsaufnahme in Sachen DigitalisierungDigitalisierung, diesmal von der unternehmenskulturellen Seite her betrachtet. Knapp 20.000 Führungskräfte und Angestellte aus dem deutschsprachigen Raum haben an der Studie teilgenommen. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de
Der Umbruch lässt demnach noch auf sich warten: Nur sechs Prozent der untersuchten Firmen klassifizieren die Forscherinnen als innovativ und erfolgreich. Sie gelten denn auch als "Pioniere". Das Buzzword Erfolg allerdings darf hier nicht täuschen. Wie die Zahlen von HSG und ZEAG zeigen, sind die Pioniere zwar überdurchschnittlich innovativ, schneiden aber beim Return on Investment (ROI) nicht herausragend ab.
6 neue Arbeitsformen
Zunächst aber liefern HSG und ZEAG eine Begriffsklärung dessen, was "neue Arbeitsformen" ausmacht. Sie nennen folgende sechs Punkte:
1. Flexible Arbeitszeiten: Das beinhaltet nicht nur eine Abweichung von "Nine to Five", sondern beispielsweise auch Sabbaticals oder vorübergehende Änderungen des Arbeitspensums wegen Kinderbetreuung,
2. Home Office: Durch die Möglichkeit, von zuhause aus tätig zu sein, soll Arbeit und Privates besser vereinbar werden,
3. Desk Sharing: Hier geht es nicht nur um das Abschaffen fest zugeteilter Arbeitsplätze, sondern auch um Arbeitsplätze mit bestimmten Funktionen, wie etwa Räumen für Teamarbeit, Rückzugsmöglichkeiten für konzentriertes Arbeiten und Ähnliches,
4. Individualisierte Arbeit: Unter individualisierter Arbeit verstehen die Forscherinnen Arrangements, die die Mitarbeiter mit ihren Chefs individuell abstimmen. Solche Absprachen sind typischerweise informell und geben dem Mitarbeiter mehr Handlungsspielraum,
5. Virtuelle Teams: HSG und ZEAG betonen, dass auch virtuelle Teams "echte" Teams sind. Deren Mitglieder sind aber geografisch verteilt und deshalb miteinander vernetzt und
6. Fluide Teams: "Fluide Teams" umschreibt, dass sich die Zusammensetzung eines Teams kurzfristig ändert. Das soll Lernbereitschaft und Handlungskompetenzen der Kollegen fördern - und damit Einsatzmöglichkeiten und Innovationskraft.
Diese neuen Arbeitsformen werden von den Firmen unterschiedlich stark genutzt. Die Forscherinnen warnen vor überzogenen Erwartungen: Ihre Analyse zeigt, dass sich Fluide Teams negativ auf die Unternehmensleistung auswirken können. Virtuelle Teams dagegen zeigen deutlich positive Ergebnisse.
4 Kriterien für die Führungskultur
Über Erfolg und Misserfolg entscheiden laut HSG und ZEAG vier Kriterien, die die Führungskultur umschreiben. Das sind:
1. Führung mit Vision und Inspiration
2. Vertrauenskultur
3. Flexible Strukturen
4. Selbstkompetenz der Mitarbeiter (etwa im Umgang mit Stress).
Beispiele Teambank und Wetropa Kunststoffverarbeitung
Konkret zeigt sich das an Beispielen wie der Wetropa Kunststoffverarbeitung aus Mörfelden. Die Geschäftsleitung des Mittelständlers dreht täglich ihre Runde durch den Betrieb und spricht mit den Mitarbeitern. Insgesamt wird bei Wetropa viel miteinander gesprochen, und zwar sowohl innerhalb der Teams, als auch über Abteilungsgrenzen hinweg.
Ein weiteres Beispiel ist die Nürnberger Teambank AG. Dort soll eine durchgängige Du-Kultur für "professionelle Nähe, einfache Kommunikation und das Auflösen hierarchischen Denkens" sorgen.
Das gelingt noch nicht jedem Unternehmen. Laut HSG und ZEAG sind 19 Prozent der Unternehmen momentan mit der digitalen Transformation überfordert.
Hohe Erfolge mit traditioneller Arbeitswelt
Die Forscherinnen betonen, dass 30 Prozent der Studienteilnehmer "in der traditionellen Arbeitswelt ihren altbewährten Weg" gehen und damit hohe Erfolge erzielen. Das gilt nach den Kriterien Unternehmensleistung, -wachstum und ROI. Allerdings: geht es um Mitarbeiterbindung und Fluktuation, schneiden die Pioniere besser ab.
"Schneller und unvorbereiteter Übergang zum Scheitern verurteilt"
"Alle reden von der neuen Arbeitswelt und nur wenige gehen hin", lautet das Fazit von Silke Masurat, Geschäftsführerin ZEAG. Weiter sagt sie: "Das ist schade und richtig zugleich: Schade ist es, weil die Globalisierung und Digitalisierung diesen Wandel erzwingt. Gut und richtig hingegen ist der verhaltene Wandel, weil ein zu schneller und unvorbereiteter Übergang zum Scheitern verurteilt ist."