Q-Cells investiert 125 Millionen Euro
Zweite Chance für Solarmodule "Made in Germany"
Schon länger hat die Schweizer Meyer Burger Technology AG mit dem Gedanken gespielt. Nun ist es offiziell: Der Maschinen- und Anlagenbauer will in die Produktion von Solarzellen und Solarmodulen einsteigen - und zwar in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Geschäftsführer Gunter Erfurt spricht von einem "fundamentalen Richtungswechsel".
In den vergangenen Jahren musste die Solarindustrie - einst Hoffnungsträger der ostdeutschen Wirtschaft - mit zunehmender Konkurrenz und Dumpingpreisen aus Asien kämpfen. 2018 etwa musste Deutschlands größter Solarmodulhersteller Solarworld endgültig Insolvenz anmelden und den Standort im sächsischen Freiberg mit etwa 600 Mitarbeitern schließen. Im sachsen-anhaltischen Bitterfeld-Wolfen wurde sogar einst ein Gewerbegebiet "Solar Valley" genannt, weil es einer der größten Solarstandorte Europas war. Dann kam die bittere Pleitewelle schon vor gut einem Jahrzehnt.
Produktionskapazität von 400 Megawatt geplant
Jetzt will Meyer Burger in Freiberg wie im "Solar Valley" an die alten Zeiten anknüpfen. Firmenchef Erfurt sieht im Thema Solar "einen enormen Reiz" - vor allem angesichts der Neuausrichtung der Wirtschaft nach der Corona-Krise und dem angestrebten europäischen "Green Deal". Nicht zuletzt könnte auch die Prämie für den Kauf von E-Autos der Solarindustrie neuen Rückenwind geben. "Sicher ist das Timing für diesen Schritt auch deshalb interessant", so Erfurt. Der bisherige Maschinenbauer will künftig Solaranlagen für Dächer, aber auch für kleinere Kraftwerke bauen und strebt eine jährliche Produktionskapazität von 400 Megawatt an.
Meyer Burger verweist darauf, dass viele Solarmodule weltweit bereits mit Technologie aus ihrem Hause hergestellt werden. "Bisher haben wir die eigentliche Wertschöpfung dann den Kunden überlassen. Was wir tun, ist, genau diesen Mechanismus zu unterbrechen", erklärt Erfurt. Mehr als 3.000 Arbeitsplätze sollen langfristig entstehen. Im ersten Halbjahr 2021 soll die Produktion starten - symbolträchtig in den einstigen Hallen der pleitegegangenen Solarfirmen Sovello (Bitterfeld-Wolfen) und Solarworld (Freiberg).
Das Auf und Ab von Q-Cells
Dass die deutsche Solarindustrie eine zweite Chance bekommt, hat der künftige Nachbar von Meyer Burger im "Solar Valley", Q-Cells, bereits bewiesen. Als Start-up gestartet, schaffte es das Unternehmen bis an die Weltspitze, machte Milliardenumsatz - und ging pleite. Die Konkurrenz aus Asien war zu groß. Seit 2012 gehört Q-Cells zum koreanischen Konzern Hanwha, die Produktion wanderte nach Asien ab.
Der Sitz in Bitterfeld-Wolfen und die Forschungs- und Entwicklungscrew blieben. In den kommenden drei Jahren will das Unternehmen 125 Millionen Euro investieren, um die nächste Generation von Solarzellen mit höherem Wirkungsgrad zu entwickeln. Eine Rückkehr der Produktion ist nicht zu erwarten. Q-Cells sei gut durch die Zeit der coronabedingten Lockdowns in vielen Ländern gekommen und habe keine Lieferengpässe gehabt, sagt Sprecher Oliver Beckel.
Auch jetzt gebe es keine größere Auftragsdelle. Mit einem Marktanteil von 20 Prozent sei Q-Cells Marktführer in Deutschland. Doch das Unternehmen räumt ein: Die Preise für Solaranlagen sind derzeit stark unter Druck. "Das ist gut für die Verbreitung der Photovoltaik, für die Welt und das Klima, aber das ist ein Problem für die Hersteller."
Q-Cells setzt verstärkt darauf, neben reinen Solaranlagen neue Produkte anzubieten. So können Unternehmen seit zwei Monaten ihre Dächer an das Unternehmen verpachten, das darauf auf eigene Kosten eine Anlage baut. Zudem ist das Unternehmen auch als Stromanbieter aktiv.
Solarenergie hilft, Klimaziele zu erreichen
Für den Bundesverband Solarwirtschaft ist klar: Ohne einen verstärkten Ausbau der Solarenergie wird Deutschland die selbst gesetzten Klimaziele nicht erreichen können. Bis 2030 sollen erneuerbare Energien 65 Prozent des Stroms liefern. Dazu müsse ab 2022 die jährlich installierte Photovoltaik-Leistung verdreifacht werden, so Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig. Von Januar bis Mai 2020 wurden bisher 1,9 Gigawatt neu installiert. Insgesamt liegt die Photovoltaik-Leistung derzeit bei knapp 51 Gigawatt.
Geschäftsführer des Dresdner Modul- und Systemherstellers Solarwatt, Detlef Neuhaus, sieht ebenfalls neue Hoffnung für die Branche: "Jetzt haben wir eine zweite Chance, vor allem über InnovationInnovation und komplexe Produkte." Wie lässt sich der erzeugte Solarstrom am besten speichern, wie bindet man das E-Auto in der Garage in das eigene Energiesystem ein? Mit der Energiewende seien neue Technologien gefragt, Vertriebs- und Servicestrukturen, Installateure und nicht zuletzt auch die Beratung von Endkunden. Längst gehe es nicht mehr nur darum, "Container mit möglichst billigen Modulen über den Großen Teich" zu schicken, so Neuhaus. Genau darin sieht er die deutschen Hersteller und Anbieter im Vorteil zu den Firmen aus Asien. Alles zu Innovation auf CIO.de
Wachstumspläne von Solarwatt
Trotz Corona-Krise stieg bei Solarwatt die Nachfrage für Solaranlagen für Einfamilienhäuser und mittlere Gewerbeflächen um 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Verbuchte das Unternehmen mit etwa 400 Beschäftigten im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 90 Millionen Euro, rechnet Neuhaus für dieses Jahr mit rund 115 Millionen Euro. Geliefert werden die Glas-Glas-Module vor allem nach Deutschland, Benelux, Österreich, Schweiz, aber auch nach Schweden, Norwegen und Australien. Erleichtert ist Neuhaus, dass der Solardeckel - die Begrenzung auf 52 Gigawatt - gefallen ist. "Das hing wie ein Damoklesschwert über uns." Das könnte die Branche nun zusätzlich befeuern.
Entsprechende Wachstumspläne hat Solarwatt: Eine neue Fertigungsanlage für Module entsteht derzeit in Dresden, auch eine neue Speicherfertigung ist geplant. Rund zehn Millionen Euro will Neuhaus investieren - er glaubt an eine zweite Chance. (dpa/rs)