Vom Karrierekiller zum Karriereturbo (Teil 1)
Negative Glaubenssätze erfolgreich integrieren
Monatliches Meeting im Unternehmen zur Implementierung der neuen IT-Strategie. Alle Abteilungsleiter sitzen auf ihren Plätzen. Alle? Nein, Herr M., der Leiter der Entwicklung, fehlt noch - nicht zum ersten Mal. Er ist notorisch unpünktlich, hat dazu auch schon negatives Feedback erhalten - und spricht das Thema bei mir im Coaching an: "Ich komme immer zu spät", klagt er, "da kann ich machen, was ich will."
Er habe schon alles versucht - den Wecker gestellt, sich eine halbe Stunde früher auf den Weg gemacht, Zeitmanagement-Systeme ausprobiert. Nichts habe geholfen. Und so bestätigt sich immer und immer wieder seine innere Überzeugung: "Ich bin ein unpünktlicher Mensch." Das macht ihn unglücklich, gibt ihm das Gefühl, ein schlechter Mitarbeiter zu sein - und hinterlässt bei seinem Vorgesetzten, dem CIO des Unternehmens, keinen guten Eindruck.
Die Lage ist ernst, denn offensichtlich hat dieses Problem nichts mit Disziplin oder dem viel zitierten inneren Schweinehund zu tun, der sich mit Motivationstechniken in die Schranken weisen ließe. Es ist etwas Schwerwiegenderes am Werk, eine "geheimnis-volle Kraft", die Herrn M. davon abhält, pünktlich zu sein. Im Coaching stellt sich heraus, dass Herr M. tatsächlich zutiefst innerlich davon überzeugt ist, ein unpünktlicher Mensch zu sein. Er hält unbewusst stark an diesem "Glaubenssatz" fest und glaubt an dessen Unverrückbarkeit.
Das Fatale ist nun: Ein Glaubenssatz wird in unserer Realität immer und immer wieder bestätigt und festigt sich dadurch immer mehr. So wird er für uns zur Wahrheit - zu einem Fakt, den wir nicht mehr in Frage stellen. Auch in unserem Umfeld arrangieren sich die Ereignisse immer so, dass der Glaubenssatz ständig neu bestätigt wird. Und gerade für Menschen aus der IT, die oft einen besonders hohen Anspruch an sich und ihre Arbeit haben, können sich negative Glaubenssätze zu regelrechten Karrierekillern entwickeln.
Klassische Karrierekiller
Klassiker unter den negativen Glaubenssätzen und gefährliche Karrierekiller sind etwa:
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"Ich bin nicht gut genug."
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"Das schaffe ich nie."
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"Ich muss perfekt sein."
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"Ich muss funktionieren."
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"Wer hoch hinaus will, der fällt auch tief."
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"Das geht sowieso schief."
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"Wenn ich nein sage, mache ich mich unbeliebt."
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"Ich kann mich auf andere nicht verlassen."
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"Ich muss alles alleine machen."
Solche Glaubenssätze wirken wie Bremsklötze. Sie sabotieren Selbstwertgefühl und Motivation, zementieren Ängste - und stehen dann unserer beruflichen und persönlichen Entwicklung ernsthaft im Wege.
Glaubenssätze wahrnehmen und integrieren
Weil Glaubenssätze innere Überzeugungen sind, können nur Maßnahmen erfolgreich sein, die ins Innere vorstoßen und die emotionale Ebene erreichen. Auch, wenn Sie als ITler Hindernisse oft von Kopf her angehen, kann hier ein kleiner "Umweg" über den "Bauch" und die Gefühlswelt helfen. Deswegen verfolge ich im Coaching die Strategie, den Glaubenssatz nicht zu löschen, sondern ihn zu integrieren und gleichzeitig Handlungsalternativen anzubieten. So ist der Klient seinem Verhaltensmuster nicht mehr blind ausgeliefert, sondern erlangt neue Handlungsalternativen und wird wieder Herr der Lage.
Glaubenssätze integrieren - Erste Schritte zum Erfolg
Schritt 1: Identifizieren
Viele Glaubenssätze entfalten ihre negative Wirkung, sind jedoch im Unterbewusstsein verborgen. Wenn Sie einen Glaubenssatz erst noch aufspüren müssen, helfen folgende Leitfragen:
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Was hindert Sie daran, Ihre Pläne zu verwirklichen?
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Warum können Sie morgen nicht Ihren idealen Tag leben? Was steht zwischen Ihnen und dem idealen Tag?
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Wenn Sie sich mit diesen Fragen auseinandersetzen, müssen Sie in einem guten emotionalen Kontakt mit sich selbst sein,- ansonsten werden Sie Ihren "Bremsklötzen" kaum auf die Schliche kommen.
Schritt 2: In Frage stellen
So überzeugt Sie von einem Glaubenssatz sind - bewiesen ist er damit noch lange nicht. Ziehen Sie ihn in Zweifel!
Hierbei helfen folgende Fragen, bei denen Sie als ITler Ihre analytischen Stärken wieder ins Spiel bringen können:
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Ist das wahr? Ist das wirklich wahr? Ist das so zu 100% bewiesen? (Die Wiederholung und die Steigerung machen bei der Frage den Kick)
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Vielleicht gibt es doch eine Ausnahme? Eventuell eine klitzekleine? Mindestens ein Gegenbeispiel, bei dem es anders ist?
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Wer oder was sagt das eigentlich?
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Was kostet es mich, wenn ich weiter daran glaube?
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Wie wäre es, wenn ich nicht länger daran glauben würde?
In Teil zwei der kleinen Artikelserie erfahren Sie, wie Herr M. im Coaching durch die Anwendung dieser beiden Schritte (und von drei weiteren, die Sie dort auch finden) zum Herrn seiner Unpünktlichkeit wurde - und welch überraschender Hintergrund sich dabei auftat.
Gudrun Happich ist Executive Business Coach.