SWOT-Analyse


McKinsey-Ratschläge

10 Punkte für eine schnellere Digitalisierung

Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
Knapp jede zweite Arbeitsstunde lässt sich automatisieren – theoretisch. McKinsey nennt Stellhebel für Politik und Wirtschaft, um ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von knapp zweieinhalb Prozentpunkten jährlich zu realisieren.
  • Hotellerie und Gastronomie weisen mit 72 Prozent das höchste Automatisierungspotenzial auf
  • Anfang 2017 wies lediglich ein Drittel (33 Prozent) der deutschen Internetverbindungen eine Durchschnittsgeschwindigkeit von mehr als 15Mbit/s auf
  • Arbeitsmarktinstrumente müssen künftig auch die sogenannte „Gig Economy“ (Selbstständige und zeitlich Befristete) einbeziehen

Das deutsche Bruttoinlandprodukt (BIP) schrumpft derzeit um gut einen halben Prozentpunkt pro Jahr, rechnen die Analysten von McKinsey vor. Denn die Zahl der Erwerbstätigen sinkt. McKinsey hält bis 2030 ein jährliches Wachstum von 2,4 Prozentpunkten für möglich. In dem Papier "Das digitale Wirtschaftswunder - Wunsch oder Wirklichkeit?" schlagen die Analysten Entscheidern aus Politik und Wirtschaft Maßnahmen vor.

McKinsey hält ein Wachstum des Bruttoinlandproduktes von jährlich 2,4 Prozentpunkten durch Digitalisierung für möglich.
McKinsey hält ein Wachstum des Bruttoinlandproduktes von jährlich 2,4 Prozentpunkten durch Digitalisierung für möglich.
Foto: McKinsey Global Institute

Grundsätzlich ließe sich derzeit fast jede zweite Arbeitsstunde (48 Prozent) automatisieren. Hier will McKinsey kein Missverständnis entstehen lassen: Nicht 48 Prozent der Arbeitsplätze könnten von Robotern eingenommen werden - lediglich zwei Prozent aller Stellen sind komplett automatisierbar. Die 48 Prozent kommen dadurch zustande, dass an vielen Arbeitsplätzen Teile der Tätigkeit durch Maschinen oder Software ersetzbar wären.

Arbeit gefährdet bei Datenerfassung und Datenverarbeitung

McKinsey spricht hier von Tätigkeiten aus drei Bereichen: Datenerfassung und Datenverarbeitung sowie vorhersehbare körperliche Tätigkeiten. Demnach weisen Hotellerie und Gastronomie mit 72 Prozent das höchste Automatisierungspotenzial auf, gefolgt von Transport- und Lagerwirtschaft mit 64 Prozent. Dagegen ließen sich im Bildungswesen nur 32 Prozent der Arbeitsstunden automatisieren.

Zehn Punkte für eine Automatisierung

Die Analysten geben Entscheidern in den Firmen folgende Ratschläge mit auf den Weg:

1. Mehr Mut: Zunächst einmal brauchen Unternehmen schlicht den Mut, sich neu aufzustellen. Denn DigitalisierungDigitalisierung ist auch mit organisatorischen Umwälzungen verbunden. Das große Stichwort ist hier "Agile". Außerdem sollten sie einen digitalen Talentpool aufbauen. Von technologischer Seite her sind nahtlose Datensätze erforderlich. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

2. Sich außerhalb des angestammten Geschäftsfeldes engagieren: Versorger und Baufirmen zum Beispiel können sich mittels des Internet of Things (IoT) neue Absatzmärkte erschließen. Sie brauchen dafür neue digitale Plattformen.

Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland bei der Digitalisierung je nach Branche unterschiedlich ab.
Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland bei der Digitalisierung je nach Branche unterschiedlich ab.
Foto: McKinsey Global Institute

3. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette denken: In isolierten Einzelprojekten verpufft Digitalisierung. Sie muss der gesamten Wertschöpfungskette folgen, also etwa Marketing, Distribution, Lieferketten und Produktion umfassen.

4. "Schnell scheitern": Im Zusammenhang mit Digitalisierung fällt immer wieder das Wort Geschwindigkeit. Lösungen müssen agil entwickelt, pilotiert und überarbeitet werden, um Ressourcen gegebenenfalls zügig auf andere digitale Projekte umschichten zu können.

5. Hierarchien abbauen: Ein weiterer oft genannter Begriff im Zuge der digitalen Transformation ist die Unternehmenskultur. McKinsey plädiert für flache Hierarchien und agile Arbeitsweisen. Die Mitarbeiter sollten sich in autonomen Teams organisieren und Kundenfeedback einbeziehen.

6. Die ständige (R)Evolution akzeptieren: Zwar seien deutsche Entscheider "seit jeher" moderate Veränderungen "in kleinen Schritten" gewohnt, schreiben die Consultants. Sie müssten akzeptieren, dass Digitalisierung eine "ständige (R)Evolution" darstellt.

Forderungen an die Politik

McKinsey sieht auch die Politik gefordert. Sie muss den Rahmen für den digitalen Wandel schaffen. Dazu zählt Folgendes:

7. Mit gutem Beispiel vorangehen: Positive Initiativen sind E-Government-Dienste wie die elektronische Steuererklärung (ELSTER) und die elektronische Gerichtsakte.

8. Einen Digitalisierungsbeauftragten einsetzen: Die Bundesregierung könnte einen Digitalisierungsbeauftragten benennen, der konkrete Ziele für den Öffentlichen Sektor festlegt und die verschiedenen Maßnahmen von Bund und Ländern aufeinander abstimmt.

9. Öffentliche Beschaffung: Die Regierung könnte darauf bestehen, dass Auftragnehmer und Lieferanten digitale Tools nutzen.

10. Physische Infrastruktur: Nicht zuletzt appelliert McKinsey an die Bundesregierung, die physische Infrastruktur weiter auszubauen. Anfang 2017 wies lediglich ein Drittel (33 Prozent) der deutschen Internetverbindungen eine Durchschnittsgeschwindigkeit von mehr als 15Mbit/s auf. Zum Vergleich: In Südkorea waren es 69 Prozent, in der Schweiz 56 Prozent und in Norwegen 54 Prozent.

Der Blick auf den Arbeitsmarkt

Das deutsche Bildungssystem bilde "erstklassige Ingenieure und Fachkräfte" aus, attestieren die Analysten. Sie fügen an. "Dennoch sollte die Politik überlegen, wie sie das System umgestalten kann, damit es künftig auch Datenexperten und Softwareentwickler heranbildet."

Die Digitalisierung wird den Bedarf an gering und mittelmäßig Qualifizierten verringern. Weil aber die Zahl der Erwerbstätigen sinkt, müsse sich Deutschland weniger Sorgen darum machen, dass durch Automatisierung Jobs wegfallen, als vielmehr darum, ob ausreichend Qualifizierte für die Digitalisierung bereitstehen.

Die Einkommensschere klafft auseinander

McKinsey will die Befürchtungen vor wachsender sozialer Ungleichheit nicht übersehen. Die sogenannte Einkommensschere klafft in der Bundesrepublik weiter auseinander als etwa in Großbritannien oder Frankreich. Sozialprogramme müssen mit dem Wandel Schritt halten.

Weitere Aspekte sind die steigende Zahl an zeitlich befristeten Arbeitsverhältnissen und die wachsende Menge an Freiberuflern. Dafür etabliert sich gerade der Begriff "Gig Economy". Die Politik muss die Arbeitsmarktinstrumente so umgestalten, dass auch die Angehörigen der Gig Economy Zugang zu den Leistungen bekommen, die bisher nur konventionell Festangestellte beziehen.

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