Retail IT


Vom E-Commerce-Riesen zum Cloud-Primus

Amazon: Die heimliche Supermacht

Wolfgang Herrmann ist IT-Fachjournalist und Editorial Lead des Wettbewerbs "CIO des Jahres". Der langjährige Editorial Manager des CIO-Magazins war unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO sowie Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.

Wie erfolgreich ist AWS wirklich?

Solche Beispiele klingen beeindruckend, doch es bleibt die Frage, wie erfolgreich Amazon unterm Strich mit seiner Cloud-Sparte agiert. Zahlen dazu gibt es kaum. Amazon bricht seine Umsätze nicht auf AWS herunter. Fast schon gebetsmühlenartig wiederholen Firmenvertreter die offizielle Angabe, Amazon bediene "mehrere hunderttausend Kunden in 190 Ländern". Amazon-CTO Werner Vogels spricht von "hunderttausenden Entwicklern", die auf AWS-Plattformen Anwendungen erstellten.

Finanzanalysten schätzen Amazons Umsatz mit Cloud-Services in diesem Jahr auf knapp eine Milliarde Dollar, das entspräche rund zwei Prozent des Konzernumsatzes. Bis zum Jahr 2014 könnten sich die Einnahmen auf 2,5 Milliarden Dollar mehr als verdoppeln, lautet eine der gewagteren Prognosen. Experton-Mann Velten hält diese Größenordnung für realistisch. Er rechnet mit einem Jahresumsatz zwischen 950 und 970 Millionen Dollar für 2012: "Amazon ist damit der einzige Anbieter, der signifikante Umsätze mit der Public Cloud macht."

Wachstum um jeden Preis?

Wie profitabel die AWS-Sparte arbeitet, steht auf einem anderen Blatt. Saugatuck-Analyst Sempert glaubt nicht, "dass Amazon in diesem Geschäft derzeit viel verdient". Er geht von Gewinnmargen im einstelligen Bereich aus. Frühestens ab 2015 könne das Unternehmen höhere Margen zwischen 20 und 30 Prozent einfahren. Aktionäre dürften solche Einschätzungen mit Sorge hören. Schon einmal, zu Beginn der Erfolgsgeschichte von Amazon.com in den späten 90er Jahren, setzte Bezos bedingungslos auf Wachstum und vernachlässigte lange Zeit die Profitabilität. Im Cloud-Geschäft zeichnet sich eine ähnliche Strategie ab. In rasantem Tempo bringt AWS neue Dienste auf den Markt und scheint sich um Gewinne wenig zu scheren.

Dass das Wachstum viel Geld kostet, zeigten die Geschäftszahlen für das vierte Quartal 2011. Trotz einer Umsatzsteigerung um 35 Prozent brach der Gewinn um fast 60 Prozent ein. Für das erste Quartal 2012 verbuchte Amazon erneut 35 Prozent weniger Gewinn als im Vorjahreszeitraum, bei einem Umsatzwachstum von 34 Prozent. Der Gewinnrückgang hat indes viele Ursachen. Neben dem Cloud-Segment investiert das Unternehmen weiter in den Ausbau seiner Logistikzentren.

Teuer zu stehen kommt darüber hinaus der Einstieg ins Tablet-Geschäft mit den stark subventionierten Kindle-Modellen. Doch die Amazon-Strategen geben sich optimistisch und scheinen auch im Cloud-Geschäft ein klares Ziel vor Augen zu haben: "Eines Tages", so Evangelist Matt Wood, "wird AWS so groß sein wie Amazons Einzelhandelsgeschäft." (Computerwoche)

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