New Work

Arbeitgeber setzen falsche Anreize

Annika von Mutius ist Co-Founder & Co-CEO von Empion, dem ersten KI-basierten automatisierten Headhunting-System, das Bewerbende und Unternehmen auf Basis von Werten, Skills und Persönlichkeitsmerkmalen matcht.
Viele Unternehmen glauben, mit der Reduzierung der Arbeitszeit oder materiellen Vergünstigungen Mitarbeiter besser erreichen zu können. Dabei verkennen sie die Förderung von Motivation durch erfüllende und interessante Aufgaben.
Unternehmen, die sich nur auf flexible Arbeitsbedingungen konzentrieren, laufen Gefahr, die eigentlichen Erwartungen ihrer Mitarbeitenden – nämlich finanzielle Sicherheit und klare Karriereperspektiven – zu vernachlässigen.
Unternehmen, die sich nur auf flexible Arbeitsbedingungen konzentrieren, laufen Gefahr, die eigentlichen Erwartungen ihrer Mitarbeitenden – nämlich finanzielle Sicherheit und klare Karriereperspektiven – zu vernachlässigen.
Foto: Brian A Jackson - shutterstock.com

Es ist das Jahr 2017: Auf dem Facebook Campus im Silicon Valley, Menlo Park, prägt eine dynamische Atmosphäre die Umgebung. Der Campus wirkt wie eine kleine Stadt, sehr konträr zu einem gewöhnlichen Arbeitsplatz. Überall gibt es kostenfreie Angebote: Restaurants, die eine breite Palette an Speisen anbieten; Massagen und Maniküren - all das steht nicht nur den Mitarbeitenden, sondern auch Besuchern kostenfrei zur Verfügung.

Diese Annehmlichkeiten scheinen den Inbegriff von New Work zu verkörpern, doch stellt sich die Frage: Kann der Hype um Fotoboxen, unendliche Essensangebote und Wellness am Arbeitsplatz zu nachhaltig erfolgreichen Unternehmen führen? Tatsächlich: Die beeindruckenden Wachstumszahlen von Tech-Giganten wie Google und Facebook deuten auf eine enge Korrelation zwischen Wellness-Benefits und der Erreichung unternehmerischer Ziele hin.

Führungskräfte mittelständischer Unternehmen klagen hingegen über die Praktikabilität zur Umsetzung von New-Work-Trends. So stellt sich die Frage, ob sich der vermeintliche Erfolg klassischer New-Work-Strategien auch auf Mittelständler übertragen lässt.

Eines steht fest: Die Art der oben genannten Benefits repräsentiert einen wesentlichen Bestandteil der New-Work-Strategien vieler Unternehmen. Ob diese Angebote aber wirklich der Schlüssel zu höherer Zufriedenheit am Arbeitsplatz sind und eine langfristige Mitarbeiterbindung stärken, bleibt offen. Gerade angesichts des Arbeitskräftemangels ist diese Frage besonders relevant: Bis 2050 bleibt laut dem Institut für Arbeitsmarkt in Deutschland einer von vier Arbeitsplätzen unbesetzt. Parallel dazu erleben Unternehmen hierzulande steigende Fluktuationsraten, wie zuletzt vor zehn Jahren. Trotzdem zeigt sich in einer internationalen Befragung des Microsoft Work Trend Index, dass zwei Drittel der befragten Unternehmen ihre Arbeitsstrukturen an die Vorstellungen der neuen Arbeitswelt anpassen.

Definition und Ursprünge von New Work

New Work: ein Buzzword der neuen Arbeitswelt. Doch was steckt hinter dem Begriff, der sich in den vergangenen Jahren in sämtlichen HR-Abteilungen verbreitete? Mitarbeitende fordern eine Vier-Tage-Woche, HomeofficeHomeoffice und weitere Vergünstigungen. Das oberste Ziel scheint: eine ausgewogene Work-Life-Balance. Alles zu Homeoffice auf CIO.de

Doch New Work bedeutet laut dem Sozialphilosophen Frithjof Bergmann viel mehr als Flexibilität oder gar die Reduzierung der Arbeitszeit. Ein Paradigmenwechsel von einer Industriegesellschaft zu einer Wissens- und Informationsgesellschaft erfordert zugleich die Revolution bestehender Arbeitsstrukturen. Der ursprüngliche Ansatz, publiziert im Jahr 1977, stellte den Menschen ins Zentrum. In einer Welt, geprägt von digitaler Transformation, wird New Work zu einem Mindset Shift. Menschen, die lieben, was sie tun, bringen Motivation und Kreativität in ihre Arbeit ein.

Festzuhalten ist: Hinter dem Begriff steckt mehr als ein einfaches Arbeitsmodell. Er ist vielmehr ein Repräsentant für die Sinnhaftigkeit von Arbeitsaufgaben, Freiheit und Selbstwirksamkeit, die Arbeitnehmende dabei erfahren.

Häufige Missverständnisse und Pauschalisierungen

Eine zunächst als sinnvoll erachtete Strategie zur Meisterung der Herausforderungen der neuen Arbeitswelt wurde rasch zum Mainstream. Eine Umfrage der Boston Consulting Group zeigt: Angestellte wollen im Schnitt zwei bis drei Tage pro Woche im Homeoffice arbeiten. Dabei gaben 45 Prozent aller Führungskräfte in einer weltweit betriebenen Studie an, dass sie auf die hybride Arbeitswelt nicht vorbereitet seien. Flache Hierarchien und Selbstführung zeigen sich weniger als Allheilmittel, wie zuvor gedacht. Gegenteilig wünschen sich gerade Berufseinsteiger strukturierte FührungFührung und ein Team für die gemeinsame Zusammenarbeit. Alles zu Führung auf CIO.de

In einer Online-Befragung des HR-Tech-Startup Empion wurden 500 Personen im Alter von 23 bis 65 Jahren interviewt. Die Befragten gaben größtenteils ein höheres Bildungsniveau an sowie als Wohnsitz ländliche und städtische Gebiete. Anhand freier Textfelder wurden spontane Assoziationen der Teilnehmenden mit dem Begriff New Work gesammelt. Am meisten nannten Arbeitnehmende fünf zeitliche Faktoren, wie "Vier-Tage-Woche", "Workation", "ausgewogene Work-Life-Balance" oder "Teilzeitarbeit". Eher selten wurden Begriffe wie "flache Hierarchien", "Eigenverantwortung", "agiles Arbeiten" oder "Selbstwirksamkeit" aufgeführt, die sich mehr auf die individuellen Bedürfnisse im konkreten Arbeitskontext beziehen.

Die Motivation der befragten Stichprobe lag fernab der Definition laut Frithjof Bergmann. Provokant gesagt: New Work bedeutet für viele Mitarbeitende eine Reduzierung der Arbeitszeit.

Analog dazu zeigt eine Analyse von Talent Rocket, einer Karriereplattform für Juristen, dass traditionelle Kriterien wie das GehaltGehalt nach wie vor das wichtigste Entscheidungskriterium für Talente bleiben. Erst danach folgen weitere New-Work-Aspekte wie flexible Arbeitszeiten oder die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Diese Erkenntnis beweist, dass trotz des Hypes um moderne Arbeitskonzepte materielle Faktoren für viele Fachkräfte, insbesondere in stark spezialisierten Berufen wie der Juristerei oder der Medizin, an erster Stelle stehen. Alles zu Gehalt auf CIO.de

Das Gehalt ist nach wie vor das wichtigste Entscheidungskriterium für Talente. Erst dann folgen weitere New-Work-Aspekte wie flexible Arbeitszeiten oder die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten.
Das Gehalt ist nach wie vor das wichtigste Entscheidungskriterium für Talente. Erst dann folgen weitere New-Work-Aspekte wie flexible Arbeitszeiten oder die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten.
Foto: Bernd Leitner Photography - shutterstock.com

Die Ergebnisse verdeutlichen folgendes: Während Fachkräfte New-Work-Modelle wie flexible Arbeitszeiten und hybride Arbeitsstrukturen zwar begrüßen, bleiben das Gehalt wie auch die Erfüllung in Tätigkeit und Arbeitsumfeld weiterhin die entscheidenden Faktoren bei der Jobwahl. Unternehmen, die sich nur auf flexible Arbeitsbedingungen konzentrieren, laufen Gefahr, die eigentlichen Erwartungen ihrer Mitarbeitenden - nämlich finanzielle Sicherheit und klare Karriereperspektiven - zu vernachlässigen. Dadurch verpassen sie die Chance, ihre Belegschaft langfristig zu binden und zu motivieren.

Nicht nur Arbeitnehmende, sondern auch Führungskräfte klagen zunehmend über Überforderung durch falsch verstandene New-Work-Strategien. Durch Fehlinterpretationen und deren mangelhafte Umsetzung erleben vor allem mittelständische Unternehmen erhebliche Verluste in ihrer Wachstumsfähigkeit. Die Folge: eine geringere Zielerreichung.

Denn es kommt nicht nur auf großzügige Benefits oder flexible Arbeitsmodelle an, sondern vor allem auf klar definierte, transparente Ziele und eine starke Identifikation der Mitarbeitenden mit der Unternehmenskultur. Große Tech-Giganten wie Google oder Facebook erreichten in der Vergangenheit ihre ambitionierten Ziele, weil sie ihre Kultur und Werte konsistent vermitteln und dabei sowohl materielle als auch sinnstiftende Aspekte in Einklang bringen.

Was sollte New Work sein?

Ganz nach der ursprünglichen Idee Bergmanns sollte New Work vor allem das Individuum und somit die Selbstwirksamkeit der Aufgaben in den Mittelpunkt stellen. Das menschliche Wohlbefinden korreliert stark mit der selbst wahrgenommenen Selbstwirksamkeit, der Kraft und Überzeugung, Herausforderungen gewachsen zu sein. Dabei ist zu bemerken, den Begriff Selbstwirksamkeit nicht mit Selbstverwirklichung zu verwechseln. Denn auch scheinbar einfache Aufgaben, wie Kommissionierung oder Fließbandarbeit, können Selbstwirksamkeit erzeugen - solange Mitarbeitende einen spürbaren Einfluss wahrnehmen.

Es geht also mehr darum, wie Mitarbeitende zur Zielerreichung und zum Unternehmenserfolg beitragen, oft in Zusammenhang mit der Identifikation von Werten und Kultur des Arbeitgebers. Entscheidend ist, dass jeder Einzelne erkennt, wie sein individuelles Können - seine Persönlichkeit, Stärken und Fähigkeiten - den Erfolg des Unternehmens mitgestalten und die übergeordneten Ziele beeinflussen.

Durch New Work entstehen vielfältige Möglichkeiten, einen Rahmen zu schaffen, in dem Mitarbeitende ihre größte Wirksamkeit entfalten können; sei es im Vertrieb, in Tech-Berufen oder im Blue-Collar-Bereich, wie etwa in der Pflege oder einem klassischen Handwerksbetrieb.

Auf individuelle Bedürfnisse eingehen: KI-basierte Technologien?

Jedoch hat nicht jeder Mensch die gleichen Bedürfnisse am Arbeitsplatz. Während manche von der Freiheit träumen, selbst zu entscheiden, wann und wie sie arbeiten, funktioniert es für andere mit klaren Regeln und Strukturen. Auch die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, ist nicht für alle ein Vorteil. Einige Mitarbeitende klagen über fehlende Abgrenzung von der Arbeit und Isolation. Die Nutzung von Technologien und KI-Systemen kann Stärken und individuelle Bedürfnisse identifizieren. So unterstützen sie dabei, herauszufinden, wie gut ein Mitarbeiter zu einer Aufgabe passt, oder welche Faktoren entscheidend sind, damit die individuellen Ziele erreicht werden.

Unternehmen sollten dabei nicht auf den Erfolgsfaktor Unternehmenskultur verzichten. Denn wie sehr Mitarbeitende die Werte sowie die Kultur eines Unternehmens unterstützen, trägt maßgeblich zur Motivation und somit zur Zielerreichung bei. KI-Systeme können hier individueller und objektiver als der Mensch agieren und auf die Bedürfnisse, aber auch Stärken und Schwächen eingehen. Schon im Rekrutierungsprozess können Unternehmen kulturell passende Talente identifizieren und feststellen, ob diese mit ihren internen New-Work-Strategien kompatibel sind.

Zunächst müssen Unternehmen ihre Kultur analysieren, um sich dieser bewusst zu werden. Wichtige Aspekte sind beispielsweise Feedback und Weiterentwicklung. Um ein authentisches Bild zu zeigen, sollte die Erhebung über möglichst viele Hierarchieebenen, Abteilungen, Altersgruppen und Geschlechter hinweg durchgeführt werden.

Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass sich die Kultur in Abhängigkeit der Belegschaft stetig verändert, so dass regelmäßige Evaluierungen sinnvoll sein können. Außerdem sind Fähigkeiten weitaus relevanter als Abschlüsse. Ein Stellenprofil sollte sich auf die Aufgaben und Skills fokussieren, statt generische Abschlüsse aufzuzählen. Doch neben den Fähigkeiten ist auch die Persönlichkeit ein wichtiger Faktor. In einer Studie gab die Mehrheit der Arbeitgeber eine hohe Relevanz in Bezug auf die Berücksichtigung von Persönlichkeitseigenschaften bei der Personalsuche an, in der Umsetzung sieht es anders aus.

Talente finden noch immer generische Stellenanzeigen auf den typischen Jobportalen - oft ohne Aussagekraft über die Kultur des Unternehmens oder die tatsächlichen Anforderungen. Doch diese Anforderungen sind relevant, um passende Talente über die richtigen Kanäle gezielt zu erreichen.

Fazit

Unternehmenskultur bildet die Grundlage, um New-Work-Konzepte erfolgreich umzusetzen. Wenn Unternehmen ihre eigene Kultur herausarbeiten und definieren, sind sie in der Lage, mithilfe von KI-Systemen gezielt die Talente zu finden, die ihre Werte teilen und zur Unternehmenskultur passen. Diese kulturelle Passung ist wichtig, um sinnvolle New-Work-Strategien zu entwickeln und auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden einzugehen.

So können Arbeitgeber herausfinden, was ihre Mitarbeitenden motiviert, ihre individuellen Stärken nutzen und so ihre Selbstwirksamkeit gezielt fördern - statt generische Strategien ohne Berücksichtigung der persönlichen Bedürfnisse oder Stärken einzuführen. Also: ein neuer Schlüssel zur Arbeitswelt von morgen?

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