Strategien


Siemens: Digitalisierung von Schiene und Bahn

Big Data meets Heavy Metal

Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

500 Züge digital überwacht

Zwischen 200 und 300 Sensoren besitzt eine moderne Lokomotive.
Zwischen 200 und 300 Sensoren besitzt eine moderne Lokomotive.
Foto: Siemens

Deshalb kommt der Digitalisierung im Bahnverkehr das 21. Jahrhunderts eine Schlüsselrolle zu. Hierzu wertet Siemens eine Vielzahl von Daten aus, die laufend von hunderten Sensoren und Steuerungsgeräten in Zügen, in Lokomotiven und Infrastruktur erfasst werden. Etwa die Temperatur der Achslager und der Transformatoren, der Zustand von Hydraulikölen, die Vibrationen der Drehgestelle, dynamische Daten des Antriebs und der Bremsen, die Ströme der Türantriebe und Informationen über Heizung, Lüftung und Klimaanlage. Insgesamt betreut das Mobility Data Services Center in München Allach bereits rund 500 Züge in Europa, davon 35 in Deutschland.

Dabei gelangen die Daten auf den unterschiedlichsten Wegen nach München Allach. "Bevorzugte Übertragungsart ist dabei LTE", so Gerhard Kreß, Director Mobility Data Services, aber auch GSM-R, UMTS und andere Verfahren kommen zum Einsatz. Selbst Loks, die ihre Daten per E-Mail senden, gibt es noch, denn in der Bahnbranche kalkuliert man mit Lebenszyklen von 30 bis 40 Jahren.

Big Data in München Allach

Beim britischen Thameslink überwachen die Münchner unter anderem die Türen aus der Ferne, um Ausfällen vorzubeugen.
Beim britischen Thameslink überwachen die Münchner unter anderem die Türen aus der Ferne, um Ausfällen vorzubeugen.
Foto: Siemens

Die so gewonnenen Daten werden im Mobility Data Services Center in München Allach analysiert. Dabei entstehen durchaus erhebliche Datenberge. So geht man davon aus, dass eine Flotte von 100 Triebzügen jährlich zwischen 100 und 200 Milliarden Datenpunkten produziert. Eine Flotte kommt damit auf etwa 50 Terabyte an Daten. Big Data, das analysiert werden will.

Und die dreistellige Flotte von Vectron-Lokomotiven, die dort auch produziert werden, erzeugt beispielsweise pro Monat eine Datenmenge von rund einem Terabyte. Schließlich sind in einer Vectron 200 bis 300 Sensoren verbaut, die kontinuierlich Daten erfassen. Für die Datenanalyse sind am Standort in München Allach 40 bis 50 Leute zuständig, die sich aus einem Team von Data Scientists, Physikern, Ingenieuren, Informatikern und Mathematikern zusammensetzen. Arbeitssprache des Teams, das zwischen 25 und 32 Jahren alt ist, ist Englisch, denn zwei Drittel der Mitarbeiter stammen aus einem anderen europäischen Land, da Siemens hierzulande nicht genügend Experten mit dem entsprechenden Know-how fand.

Von Big Data zu Smart Data

Eine Panne im Güterverkehr kann sehr zeitraubend sein, denn unter Umständen muss der Zug sehr lange auf einen freien Slot zum Befahren der Strecke warten.
Eine Panne im Güterverkehr kann sehr zeitraubend sein, denn unter Umständen muss der Zug sehr lange auf einen freien Slot zum Befahren der Strecke warten.
Foto: Siemens

Aufgabe des Teams im Mobility Data Services Center ist es nun, Big Data in Smart Data zu verwandeln, denn die Temperatur eines einzelnen Sensors interessiert nur bedingt. Vielmehr will man Kausalketten erkennen, um so zu Prognosemodellen zu kommen, die dann zuverlässig etwa den Ausfall eines Radlagers vorhersagen. Um dies zu erreichen, werden mit maschinellem Lernen - oft auch als künstliche Intelligenz bezeichnet -, Datenanalytik, mathematischen und physikalischen Methoden werden Algorithmen und Modelle erarbeitet, die sichere Prognosen zum zukünftigen Verhalten von Fahrzeugen und Komponenten ermöglichen.

Ziel der Datenanalyse ist eine genaue Vorhersage, wie lange ein Aggregat, eine Komponente oder ein Antrieb noch funktionieren werden, wenn bestimmte Ereignisse und Daten vorliegen. Sie soll auch mit großer Sicherheit herausfinden, wann sofort gehandelt werden muss, wenn das aus den Daten und Erfahrungen gewonnene Verhaltensmuster einen akuten Ausfall schon in kurzer Zeit erwarten lässt.

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