Siemens: Digitalisierung von Schiene und Bahn
Big Data meets Heavy Metal
Künstliche Intelligenz für die Bahn
Deshalb analysieren die Data Scientists des Mobility Data Services Center laufend auch bereits als gültig bewertete Muster und Regeln, um sie immer weiter zu verifizieren und zu verfeinern. Dazu werden nicht nur die Daten ausgewertet, die die Onboard-Unit eines Schienenfahrzeugs liefert. Auch die Meldungen von Triebfahrzeugführern, Ersatzteilanforderungen, Arbeitsprotokolle der Werkstätten und Arbeitsanweisungen der Siemens Support Center werden erfasst und in die laufende Musteranalyse eingebracht. Durch maschinelles Lernen - früher vielfach als Künstliche Intelligenz bezeichnet - werden die Prognosesysteme ständig weiterentwickelt. Dazu dienen auch neue mathematische Vorgehensweisen, die das entwickelt hat und auch patentrechtlich schützen lässt.
Edge Computing keine Lösung
Deshalb hält Kreß auch Fog- oder Edge-Computing - wie es von vielen IT-Herstellern im Zusammenhang mit IoT propagiert wird -, für seinen Bereich nur bedingt geeignet. Für einen Sensor, der etwa mit einer Frequenz von acht Kilohertz Vibrationsdaten erfasst, sei Edge Computing durchaus denkbar. Ansonsten bräuchten aber er und sein Team die Daten einer gesamten Fahrzeugflotte, um so Muster zu erkennen und daraus ein Modell zu erlernen. Eine Kamera zur automatischen Hinderniserkennung wird etwa dadurch trainiert, indem vor ihr eine gesamte Zugstrecke abgespielt wird.
Milliarden Daten verarbeiten
Um diese gewaltigen Datenmengen - im Schnitt sind es jährlich über eine Milliarde Datenpunkte je Schienenfahrzeug - zu bewältigen, nutzen die Münchner eine offene und Cloud-basierte Hybrid-Architektur. So werden die rasch wachsenden Datenberge von speziellen relationalen Datenbanken und No-SQL-Datenbanken verwaltet. Dazu kommen massiv parallele Systeme, in-database-Processing und spezielle Hochleistungscomputer zum Einsatz, denn nur diese wären in der Lage, diese großen Datenmengen zu bewältigen und mit komplexen Algorithmen zu analysieren.
Dabei hostet das Siemens-Team seine Apps bei AWS (Amazon Web Services). Die Big Data Analytics erfolgt mit Hilfe der Aster Database von Teradata. Die Daten der verschiedenen Sensoren werden dabei mittels Aster nPath von Teradata analysiert. Geht es um No-SQL-Datenbanken setzten die Siemens Eisenbahner auf Hadoop. Teradata selbst ist im Siemens Konzern kein unbekannter Player, denn seit 2013 besteht zwischen der Siemens-Division Smart Grig und Teradata eine strategische Big-Data-Allianz für Energieversorger über den Einsatz der Unified Data Architecture von Teradata. Mit der Smart-Grid-Division, dem Bereich Gasturbinen und anderen Siemens Bereichen, die sich bereits mit Predictive Maintenance befassen, unterhält Kreß-Team einen regen Erfahrungsaustausch, da alle Seiten in Sachen Digitalisierung und Smart Data voneinander lernen können.
Digitalisierung spart 15 Prozent
Dass sich die Digitalisierung für Hersteller und Anwender lohnt, zeigt das Projekt Rhein-Ruhr-Express (RRX) für die Metropolregion Rhein-Ruhr. Das System von beschleunigten Regionalzügen hat über die Gesamtlaufzeit von 32 Jahren ein Volumen von 1,7 Milliarden Euro für Beschaffung und Wartung. Dank Condition Based Maintenance sollen die Kosten 15 Prozent niedriger ausfallen. Damit konnte Siemens die Konkurrenz im Ausschreibungsverfahren ausstechen und die Projektbeteiligten sparen pro Jahr 8 Millionen Euro.
Neue Wege in der Produktion
Allerdings umfasst bei Siemens die Digitalisierung nicht nur die Überwachung von Zügen und Infrastruktur. So geht man in Allach auch in der Produktion neue Wege: War der Lok-Bau früher ein reines Projektgeschäft, so ist es bei Siemens jetzt ein Produktgeschäft mit einem Vertriebslager an Loks. Kunden können so innerhalb weniger Wochen eine neue Lok erhalten. Dazu baut Siemens jetzt die Loks in einer Takt-Produktion. Hierzu kommen neue Produktionswerkzeuge wie etwa ein Laser-Hybrid-Schweiß-Roboter zum Einsatz.
Der digitalisierte After Sales
Aber auch im After-Sales-Bereich hat die Digitalisierung Einzug gehalten. So sieht etwa das Easy-Detect-Konzept vor, dass ein Kunde ein defektes Teil einer Lok nur noch per Handy fotografiert. Das Bild soll dann innerhalb weniger Sekunden quasi in Echtzeit identifiziert werden. Auf diese Weise werden Prozesskosten gespart, denn gerade bei älteren Modellen dauert es häufig lange, bis das entsprechende Ersatzteilidentifiziert ist.
Das Versprechen des Spare Part Services: Ersatzteile per Easy Detect in zehn Sekunden identifizieren, in drei Minuten bestellen und in 24 Stunden in Europa geliefert. Und ist ein Ersatzteil nicht auf Lager, dann wird es gedruckt. Mit dem 3D-Druck3D-Druck - im professionellen Umfeld auch als Additive Manufacturing bekannt - beschäftigt sich die Bahnsparte seit rund drei Jahren. Die Servicetechniker vor Ort erhalten dann per Augmented Reality ein digitales Abbild des Fahrzeugs mit Service- und Dokumentationsdaten. Alles zu 3D-Druck auf CIO.de