Deutsche IT
Brauchen wir ein deutsches Microsoft?
Immer wenn es darum geht, dass der Staat die Wirtschaft massiv subventionieren soll, muss Airbus als Beispiel herhalten. Nur dank staatlicher Förderung von Frankreich und Deutschland konnte der europäische Flugzeughersteller den Abstand zum einstigen Monopolisten Boeing aufholen. Heute ist Airbus in der Luftfahrt nicht mehr wegzudenken.
Daher überrascht nicht, dass Politiker eine deutsche IT fordern. Bundeskanzlerin Angela Merkel kommentiert die Bespitzelungsaffäre mit dem Satz, dass Europa dort aufholen müsse, wo es "eigene technische Fähigkeiten verloren" habe. Beim Satellitensystem Galileo und eben bei Airbus gibt Europa bereits kontra. Folgt die IT-Branche?
Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz sagt: "Wenn Washington die Marktmacht amerikanischer Unternehmen in der Internet-Branche missbraucht, dann müssen wir angemessene Alternativen schaffen." Und der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl meint, die Regierung müsse "dreistellige Millionenbeträge" für IT-Sicherheit "Made in Germany" aufbringen.
- Neue Enthüllungen
Amerikanische und britische Geheimdienste haben weitläufigen Zugriff auf die Daten von Internetnutzern, das legen die Enthüllungen des Informanten Edward Snowden nahe. Die Firmen bestreiten, den Behörden "direkten Zugang" zu ihren Servern zu gewähren - man rücke nur Daten heraus, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben sei. - Neue Enthüllungen
Allerdings dürfte auch dafür einiges Entgegenkommen notwendig sein: So half der Windows-Riese Microsoft angeblich dem Abhördienst NSA, die Verschlüsselung von Nutzerdaten zu umgehen. - Wie half Microsoft?
Einem Bericht des "Guardian" zufolge arbeitete Microsoft eng mit dem US-Geheimdienst NSA und der US-Bundespolizei FBI zusammen. So soll das Unternehmen geholfen haben, die Verschlüsselung im Microsoft-Chat zu umgehen. Der US-Geheimdienst habe die Möglichkeit zum Zugriff auf eigentlich verschlüsselte E-Mails bekommen, ebenso wie zu Daten beim Online-Speicherdienst Skydrive. - Wie half Microsoft?
Die US-Geheimdienste bekamen demnach zudem die Möglichkeit, über Skype geführte Videotelefonate mitzuschneiden – und sollen davon auch regen Gebrauch gemacht haben. Skype sei dem Überwachungsprogramm Prism bereits im Februar 2011 beigetreten, noch bevor Microsoft die Firma übernahm. Mit Prism sammelt die NSA früheren Medienberichten zufolge Daten von Internetfirmen wie Google, Microsoft, Yahoo oder Apple. - Sind deutsche Nutzer betroffen?
Davon ist auszugehen, denn auch viele Nutzer in Deutschland sind bei Facebook angemeldet, verschicken ihre E-Mails über Microsofts Hotmail oder besitzen Apple-Geräte. - Sind deutsche Nutzer betroffen?
Der "Spiegel" berichtete, dass monatlich eine halbe Milliarde Kommunikationsverbindungen aus Deutschland abgefangen werden. Da die Internetkommunikation global abläuft, kann eine Mail von Berlin nach München über Computer in den USA laufen und so von den US-Geheimdiensten abgegriffen werden. - Hatten die Schnüffler direkten Zugriff?
Ob die Geheimdienste direkten Zugriff auf Nutzerdaten hatten, ist strittig. Edward Snowden sagt ja. "Firmen wie Google, Facebook, Apple, Microsoft, sie alle tun sich mit der NSA zusammen", sagte er dem "Guardian" in einem Videointerview Anfang Juni. "Sie geben der NSA direkten Zugang, den sie nicht beaufsichtigen müssen, damit sie dafür nicht haftbar gemacht werden können." - Hatten die Schnüffler direkten Zugriff?
Die Firmen dagegen bestreiten vehement, den Geheimdiensten eine Hintertür in ihre Computersysteme gebaut zu haben. Daten würden nur aufgrund richterlicher Anordnungen und nicht massenhaft herausgegeben, betonten die Unternehmen wiederholt. "Wir kommen nur solchen Anordnungen nach, die sich auf spezielle Konten oder Identifikationsmerkmale beziehen", erklärte Microsoft. Einen unbeschränkten oder direkten Zugriff gebe es nicht. - Wie offen können die Firmen sein?
Die Online-Firmen unterliegen strengen Geheimhaltungsregeln. Erst nachdem sie die Politik dazu drängten, durften sie überhaupt zugeben, dass sie Anordnungen zur Datenweitergabe an Geheimdienste von dem zuständigen, geheim tagenden US-Gericht erhalten hatten. So betonte Microsoft jetzt, es gebe "Aspekte der Debatte, die wir gerne freier diskutieren würden". US-Gesetze verpflichten die Firmen zur Zusammenarbeit - und Verschwiegenheit. - Wie kann man sich schützen?
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) empfahl Nutzern bereits, US-Dienste zu meiden. Computerexperten raten dazu, die eigene Kommunikation zu verschlüsseln und für das Speichern von Daten Dienste mit Sitz außerhalb der USA zu nutzen. Denn die Einschränkungen für US-Geheimdienste gelten vor allem für die Überwachung eigener Staatsbürger und nicht für Deutsche. - Wie kann man sich schützen?
"Ich fürchte, das ist ein relativ schwacher Schutz, denn die US-Gesetzgebung erlaubt den Zugriff auf Kommunikationsdaten von Ausländern in sehr breitem Umfang", sagte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar dem Bayerischen Rundfunk.
Geht es nach solchen Äußerungen, ist jetzt wieder Zeit für Industriepolitik im großen Stil: Die Berichte über die Abhörprogramme des US-Geheimdienstes machen schmerzhaft deutlich, dass die vernetzte Gesellschaft kaum ohne chinesische Chips und amerikanische Software auskommt. Eine IT "Made in Germany" oder "Made in Europe" soll verhindern, dass ausländische Geheimdienste deutsche Staatsgeheimnisse und die Erfindungen des Mittelstandes ausspionieren. Doch es ist höchst fraglich, ob eine Förderung nach dem Prinzip Airbus hilft, das Internet weniger amerikanisch zu machen.