Healthcare IT


Sana Kliniken

CIO Meisheit stellt Weichen für die Zukunft

Jens Dose ist Editor in Chief von CIO. Seine Kernthemen drehen sich rund um CIOs, ihre IT-Strategien und Digitalisierungsprojekte.
Die Sana Kliniken haben alle Standorte in einem Netzwerk zusammengefasst. Damit können sie Informationen bundesweit in Echtzeit austauschen.
Bernd Christoph Meisheit ist Geschäftsführer der Sana IT Services GmbH, dem IT-Dienstleister für die Sana Kliniken.
Bernd Christoph Meisheit ist Geschäftsführer der Sana IT Services GmbH, dem IT-Dienstleister für die Sana Kliniken.
Foto: Sana IT Services GmbH / Edmund Krebs

In einem Operationssaal in Hoyerswerda wird ein Tumor untersucht. Die Ärzte entnehmen die winzige Gewebeprobe und präparieren sie auf einer kleinen Glasscheibe. Doch anstatt sie unter ein Mikroskop zu legen, kommt sie in einen Spezialscanner. Szenenwechsel: In einem Befundzentrum in Berlin-Lichtenberg öffnet eine Spezialistin die Bilddatei und prüft die Probe. Ihre Diagnose gibt sie sofort an den OP in Sachsen zurück. Die Operation kann weitergehen.

"Das ist nur einer von vielen Use Cases, die unser SCN 2.0 möglich macht," erläutert Bernd Christoph Meisheit. Der Geschäftsführer der Sana IT Services GmbH ist gesamtverantwortlich für die IT der Sana KlinikenSana Kliniken. Dazu gehören 120 Standorte mit rund 36.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern deutschlandweit. "SCN" steht für Sana Corporate Network - das Unternehmensnetz des KlinikverbundesKlinikverbundes. Mit der zweiten Version sei es möglich, Verbindungen im Gigabit-Bereich zu nutzen, so Meisheit: "Für klinische Befunde braucht man hochauflösende Bilder, die bis zu 1,5 Gigabyte groß sein können." Bandbreiten in dieser Größenordnung seien also notwendig, um solche Datenmengen nahezu in Echtzeit durch die Republik zu schicken. Top-500-Firmenprofil für Sana Kliniken Alles zu Healthcare IT auf CIO.de

Der Weg zu Nummer Zwei

Seinen Ursprung nahm das SCN im Jahr 2008. Alle Anwender der Sana Kliniken sollten mit einheitlichen Services versorgt werden. Daher bot das Team um den CIO E-Mail-Dienste, Terminkalender und das SAP-Finanzsystem als zentral verwaltete Services an. "Wir haben damals mit zwei, vier und acht Mbit Bandbreite angefangen, aber die Kollegen haben es zunächst nicht genutzt. So hatten wir allerdings kaum Auslastung auf den Leitungen," erinnert sich Meisheit. Doch das Nutzungsverhalten änderte sich nach und nach: Zwischen 2010 und 2013 stellte die IT immer mehr Anwendungen und Dienste im SCN bereit.

Bald waren die Leitungen ausgelastet. Apps mussten über Citrix bereitgestellt, Bandbreite hinzugekauft und Pakete über Quality-of-Service-Maßnahmen priorisiert werden. "Außerdem wollten wir nicht nur Backoffice- und Finanz-Apps auf diese Weise betreiben, sondern auch in den klinischen Bereich vorstoßen," so der IT-Chef. Für die dort anfallenden Datenmengen reichten die bisherigen DSL-Verbindungen jedoch nicht aus. 5G wäre eine mögliche Lösung gewesen, lag aber noch in weiter Ferne.

Daher entscheid das Unternehmen 2016, das Netzwerk selbst auszubauen. Zusammen mit einem Technologiepartner wurde ein Proof of Concept (PoC) erstellt. Die Messlatte: Zwischen Rechenzentren sollten zehn Gigabit bidirektional sowie mit gleichen Up- und Download-Raten möglich sein. Große Krankenhäuser und Medizinische Versorgungszentren (MVZ) galt es mit Verbindungen von einem Gigabit beziehungsweise 100 Megabit auf dieselbe Weise anzuschließen. Für Arztpraxen im Klinikverbund mit weniger als fünf Mitarbeitern wurden 25-Mbit-Leitungen veranschlagt.

Zudem wollte Meisheit Latenzen in der Übertragung vermeiden. Daher sollte alles über das Netz der Telekom ohne Schnittstellen zu Telefonica oder anderen laufen: "Bandbreiten, Laufzeitverhalten, ServerServer oder steuernde Systeme mit SQL-Abfragen müssen sich wie in einem Campus-LAN verhalten." Alles zu Server auf CIO.de

Der Business Case

Nach dem erfolgreichen PoC machte sich das Team um Meisheit an die Umsetzung. Kabel mussten verlegt und jeder Standort angeschlossen werden. "Wir brauchten rund zweieinhalb Jahre und 350 Personentage Zeit," sagt der Manager. Die Sana Kliniken haben dafür insgesamt 6,5 Millionen Euro investiert. Die jährlichen Kosten belaufen sich auf 1,8 Millionen Euro für Leitungen, Wartung und Personal. Das alles wird laut dem CIO nicht über Fördermittel refinanziert, sondern über Einnahmen aus neuen Use Cases, die das Netzwerk möglich mache.

"Ich habe dem Vorstand damals eine Gesamtkostenkalkulation samt Business Case vorgelegt, um die Ausgaben genehmigt zu bekommen," so Meisheit. Die TCOTCO (Total Cost of Ownership) hätten sich gerechnet, der Mehrwert für das Unternehmen sei klar gewesen. Außerdem zahle der Netzwerkausbau auf eines der Unternehmensziele ein: Die Sana Kliniken haben sich auf die Fahne geschrieben, Patientensicherheit und Versorgungsqualität hochzuhalten. Könnten Ärzte über digitale Lösungen schneller bessere Diagnosen stellen, werde mehr Menschen geholfen. Laut dem CIO hat das SCN 2.0 dafür das Fundament gelegt. Alles zu TCO auf CIO.de

Kein reines IT-Projekt

Herausforderungen gab es bei der Anbindung der Standorte. In Städten mussten die Kabel gelegentlich durch fremde Gebäudeetagen oder Grundstücke in der Nachbarschaft verlegt werden. Hier galt es, das Einverständnis der Besitzer einzuholen.

War der Anschluss im Keller bereit, ging es daran, die Hardware einzubauen. Meisheit: "Die Appliances brauchen Platz und Kühlung, zudem müssen Standards für Sicherheit und DatenschutzDatenschutz eingehalten werden." In großen Krankenhäusern und Rechenzentren sei das kein Problem gewesen. Bei MVZs und Ärztehäusern mussten dagegen oft Räume geschaffen werden. Alles zu Datenschutz auf CIO.de

Eine Hürde waren die relativ hohen Kosten. "Der Server-Schrank und die Klimatisierung kosten rund 1.500 Euro," so der CIO. Das sei für kleine Einrichtungen viel Geld. Über ein stringentes Projektmanagement gemeinsam mit den kaufmännischen Verantwortlichen vor Ort habe das verantwortliche IT-Team jedoch Lösungen gefunden. "Das hat uns aber einiges an Zeit gekostet. Es war als reines IT-Projekt geplant und wir haben uns nur mit der Technologie befasst. Plötzlich hatten wir zusätzlich sehr viel Bürokratie zu bewältigen," erinnert sich Meisheit.

Um die Daten nicht nur am Anschluss, sondern über den gesamten Standort mobil zur Verfügung zu stellen, baute das IT-Team zeitgleich jeweils ein WLAN mit hoher Bandbreite auf.

Rechenzentrum und Public Cloud

Das SCN ist in zwei "Ringen" für Nord- und Süddeutschland angelegt, die sich in einem Rechenzentrum Rechenzentrum in Frankfurt am Main treffen. Dort baut die IT-Abteilung eine eigene Private Cloud auf, die ausfallsicher an zwei getrennten Standorten angelegt ist. Alle Daten, die speziellem Datenschutz unterliegen, lagert und verarbeitet der Klinikverbund dort. Zudem legt die Sana-IT gerade einen Data Lake an. Alles zu Rechenzentrum auf CIO.de

Systemskizze des SCN 2.0 mit den zwei "Ringen" Nord und Süd und dem zentralen Rechenzentrum in Frankfurt am Main.
Systemskizze des SCN 2.0 mit den zwei "Ringen" Nord und Süd und dem zentralen Rechenzentrum in Frankfurt am Main.
Foto: Sana IT Services GmbH

Dieses Konzept macht die Zusammenarbeit der Standorte über ganz Deutschland hinweg möglich. Berlin und Bayern bilden dabei Ausnahmen, da dort laut Meisheit noch strengere gesetzliche Auflagen gelten. In diesen Ländern bleiben die Daten auf dem Campus und in den Netzen der Kliniken.

Weniger kritische Anwendungen betreibt das Team um den CIO in der Azure-Cloud von Microsoft oder Amazon Web Services. Dazu zählen das ERP-System von SAP, Finanz- und Logistiksysteme sowie Materialwirtschaft und das eigene Sana Extended Warehouse Management (EWM).

Fundament für die Zukunft

"Für alles, was wir in Zukunft an IT denken und machen, ist das neue Sana Corporate Network unser Fundament," resümiert Meisheit. Alle Kliniken im Verbund könnten deutschlandweit so arbeiten, als befänden sie sich im Campusnetz einer Uniklinik. Ziel sei es, ein softwaregetriebenes Unternehmen zu werden, das einen neuen Versorgungsansatz möglich macht. DigitalisierungDigitalisierung soll mittelfristig mit den Möglichkeiten der Sensorik, Smarthome-Technologien und der Telemedizin vereint werden. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

Erste Schritte hat das Unternehmen gemacht. Das "Sana E-Health Network" beispielsweise ist ein zentral über das SCN bereitgestellter Enterprise-Service. Darüber kommunizieren alle klinischen und medizinischen Systeme ohne Medienbrüche miteinander. Meisheit: "Kommt ein Patient in eines unserer Krankenhäuser, können wir die Daten aus der Gesundheitskarte auswerten und sie zudem bald mit denen aus der Datenbank der Sana-Kliniken kombinieren." So habe der Arzt immer alle Informationen zur Hand, die er braucht.

Als die Corona-Pandemie ausbrach, zeigten sich weitere Vorteile des neuen Netzwerks. Meisheit: "Über das SCN konnten wir in sehr kurzer Zeit alle 4.000 Mitarbeiter, die nicht im Klinikeinsatz sind, ins Home-Office bringen und Microsoft Teams ausrollen." Darüber hinaus lief die Ausbildung an den Pflegeschulen der Sana Kliniken via Distanzunterricht ungehindert weiter. Ohne das SCN wäre das nicht möglich gewesen, bilanziert der CIO.

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