Hamburgs CIO über E-Government
Das Ende der Stempelherrschaft
CIO: Die Länder schaffen häufig isolierte Lösungen im E-Government. Warum gibt es nicht viel mehr Zusammenarbeit?
Jörn Riedel: Historisch gewachsene Strukturen führen dazu, dass an unterschiedlichen Stellen gleiche Aktivitäten stattfinden. Die 16 Länder sind zu einer Kooperation bereit, und aufgrund der überschaubaren Zahl besteht hier auch die Chance auf Erfolg. Viel dramatischer ist es bei den Gemeinden, von denen es viele tausend gibt. Nach dem Grundgesetz bestimmen sie über sich selbst. Das heißt, jede kann ihre eigene IT-Struktur aufbauen. Gerade kleine Kommunen haben dabei Vorbehalte, sich an etwas Größeres anzuschließen und die eigenen Geschäftsprozesse daran anzupassen, da sie um ihre Souveränität fürchten. Es mag auch mit der Generationenentwicklung zu tun haben, denn wer heute politisch tätig ist, hat oft nicht das EDV-Wissen, um zu unterscheiden: Hier habe ich politisch etwas zu sagen hat, und hier geht es um eine reine Dienstleistungsstruktur, die ich unter Kostengesichtspunkten verteilen muss.
Niemand versteht, warum es etwa so viele verschiedene Melderegisterverfahren in Deutschland gibt.
Wie viele verschiedene Verfahren es sind, weiß tatsächlich niemand genau. Nur das Flächenland Bayern hat im Gesetz festgeschrieben, dass alle Gemeinden dasselbe benutzen müssen. Ansonsten gibt es in diesem Bereich einen bunten Flickenteppich; die Gemeinden haben sich am Markt verschiedene Programme besorgt. Dabei wäre es heute problemlos möglich, 80 Millionen Datensätze in einer Datenbank zu verwalten. Es gibt keinen Grund dafür, dass wir 1000 unterschiedliche Installationen von Meldewesen haben. Es existieren Datenschutzmechanismen, die es unproblematisch machen, mehrere Datenbestände im Zusammenhang zu betreiben. Nur die Software-Häuser wären nicht begeistert, wenn sich die deutsche Verwaltung auf eine einzige Lösung einigen würde. Und es bedarf großer politischer Anstrengung, um einen Konsens für eine solche Lösung zu erreichen.
Zwischen Bund und Ländern gibt es Spannungen. Spürbar wurde dies im Streit um die Vergabeplattform des Bundes. Wie ist das Verhältnis derzeit?
Kooperationsprojekte sind immer dann erfolgreich, wenn man sich bereits in der Planungsphase verständigt - also bevor man etwas fertig hat. Im Vergabegeschäft macht es einen Unterschied, ob der Bund für die Bundeswehr Panzer einkauft oder eine Kommune Bleistifte für die Schulen. Wenn ich die anderen in diesen Prozess nicht einbeziehe und etwas konstruiere, was die Anforderungen einer Großstadt nicht erfüllt, gibt es Ressentiments. Der Bund hat bei seiner Vergabeplattform individuell programmiert, obwohl es viele Großunternehmen gibt, die auch Beschaffungsprozesse durchführen. Wir hingegen haben gefragt, welche Firma ihr Produkt an die Regeln des öffentlichen Dienstes anpassen will, und haben so eine Lösung zu überschaubaren Kosten erhalten. Im Moment läuft ein Abstimmungsprozess zu der Frage, wo Gesetze bestehen, die Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam vollziehen müssen. Das ist, denke ich, ein sinnvoller Weg, um gemeinsame Aufgaben zu erkennen, im Dialog Anforderungen zu formulieren und zusammen Software zu kaufen oder - wenn nötig - zu entwickeln.