Jahresrückblick

Das IT-Jahr 2017 brachte Ärger, aber auch viel Staunen über neue Technik

Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

KI – der Superstar 2017 ff.

Ein Beispiel dafür sind Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML), die 2017 immer wieder aufhorchen ließen. Die Entwickler scheinen dem Ziel, die Fähigkeiten der menschlichen Intelligenz mit Hilfe von Technik, Schaltkreisen und Maschinen nachzuahmen oder gar zu übertreffen, immer näher zu kommen. Für Schlagzeilen sorgten etwa die Poker-KI "Libratus" und "DeepStack", die Profi-Spieler regelrecht abzockten. Der Clou dabei: Poker stellt eine besonders komplexe Herausforderung für KI dar.

Während bei Spielen wie Schach und Go mit offenen Karten gespielt wird und den Spielern jederzeit alle Informa­tionen wie Stellung, Position und Zahl der Figuren und Spielsteine zugänglich sind, gilt es beim Pokern, mit unvollständigen Informationen klarzukommen. Niemand weiß, welche der 52 Karten aktuell im Spiel sind. Dazu kommen Bluffs, um die Gegner in die Irre zu führen. Die KI-Systeme lernten, sich auf die menschliche Spielweise und die damit ver­bundenen Unwägbarkeiten einzustellen.

Weitergelernt hat auch "AlphaGo", das von Googles KI-Tochter Deepmind entwickelte System, das 2016 Lee Sedol, einen der weltbesten Go-Spieler, vom Brett fegte. Benötigten die ersten AlphaGo-Versionen noch rechenstarke Compute-Boliden, kommt die jüngste Variante "Zero" mit deutlich einfacherer Hardware aus. Der Grund: Zero muss nicht mehr Tausende von Partien analysieren. Die Entwickler brachten dem neuronalen Netz lediglich die Spiel­regeln bei und ließen es dann gegen sich selbst spielen. In drei Tagen spielte Zero etwa 4,9 Millionen Go-Partien und trat dann gegen seinen KI-Vorgänger an, der zuvor Sedol gedemütigt hatte. Das Ergebnis: Zero siegte mit 100 zu 0.

Die Fähigkeiten neuer Entwicklungen rund um Künstliche Intelligenz und Machine Learning haben viele Experten zum Staunen gebracht.
Die Fähigkeiten neuer Entwicklungen rund um Künstliche Intelligenz und Machine Learning haben viele Experten zum Staunen gebracht.
Foto: agsandrew - shutterstock.com

Die Fantasie beflügelt hat 2017 auch eine andere Technik: Blockchain. Sie soll den Traum von sicheren Transaktionen im Netz wahr machen. Daten und Dokumente liegen nicht mehr auf dem zentralen Server eines Mittlers, sondern in einer verteilten Datenbank in einem weltweiten Peer-to-Peer-Netz. Die Technik könnte das Geschäftsmodell von Banken und Versicherungen auf den Kopf stellen.

Spekulationsblase Bitcoin

Die Blockchain ist allerdings auch ein Beispiel dafür, welch absurde Blüten ein Technik- Hype treiben kann. Der Bitcoin, eine auf Blockchain-Technik basierende Kryptowährung, hat sich zum Jahresende zu einer gigantischen Spekulationsblase aufgebläht. Anfang 2017 noch zu Kursen von 1000 Dollar gehandelt, durchbrach der Bitcoin Anfang Dezember die 10.000-Dollar-Grenze.

Mitte Dezember kratzte das Kryptogeld auf der Handelsplattform Coinbase sogar an der 20.000-Dollar- Marke. Banker warnen schon vor einem Platzen der Blase. „Bitcoin ist kein Gelod, sondern ein Spekulationsobjekt“, sagte Bundesbankvorstand Carl-Ludwig Thiele. Der Preis des Bitcoin sei praktisch beliebig, "bis hin zum Totalverlust".

Die Kryptowährung Bitcoin hat einen regelrechten Goldrausch im Netz entfacht. Experten warnen vor einer Spekulationsblase, die schnell wieder platzen kann.
Die Kryptowährung Bitcoin hat einen regelrechten Goldrausch im Netz entfacht. Experten warnen vor einer Spekulationsblase, die schnell wieder platzen kann.
Foto: Wit Olszewski - shutterstock.com

Doch noch scheint der Bitcoin-Rausch zu wirken. Vor vier Jahren hat angeblich ein Informatiker eine Festplatte mit 7500 Bitcoin-Schlüsseln versehentlich weggeworfen, wie britische Medien jüngst berichteten. Angesichts des Kursverlaufs würde er nun gerne die Müll­kippe, auf der die Disk damals gelandet ist, umgraben. Doch das wollen die Verantwortlichen nicht genehmigen – zu groß seien dabei die Gefahren für die Umwelt. Auch das Angebot, die Hälfte des Bitcoin-Schatzes abzutreten, konnte die Stadtoberen nicht erweichen. So rostet der Speicher wohl weiter vor sich hin, bis ihn vielleicht in ein paar Jahrhunderten Archäologen bergen – und sich über einen Milliardenschatz freuen, wenn der Kurs weiter so steigt.

Die Deals des Jahres 2017

Das große Geld wurde 2017 vor allem in der Halbleiterbranche auf den Tisch gelegt.

  • Um sein Standing im Zukunftsmarkt für auto­nomes Fahren zu stärken, übernahm Intel den israelischen Anbieter von Fahrassistenzsystemen Mobileye für 15,3 Milliarden Dollar. Das 1999 in Jerusalem gegründete Unternehmen unterhält Partnerschaften mit vielen großen Automobilherstellern, darunter Audi, BMW, Ford, General Motors, Nissan und Volvo.

  • Im Sommer teilte der US-amerikanische Chip­riese Qualcomm mit, den niederländischen Konkurrenten NXP für 47 Milliarden Dollar schlucken zu wollen. Doch die Wettbewerbs­hüter behielten sich vor, den Deal genau zu prüfen.

  • Dann rutschte Qualcomm selbst ins Übernahmevisier. Konkurrent Broadcom legte ein feindliches Übernahmeangebot mit einem Volumen von 130 Milliarden Dollar auf den Tisch. Zu wenig, befand der Qualcomm-Verwaltungsrat und lehnte ab. Derzeit wird wohl weiter verhandelt und gerungen.

  • Dauern wird es wohl auch noch, bis Bain Capital die Speicherchipsparte von Toshiba für 15 Milliarden Dollar übernehmen darf. Die japanischen Behörden prüfen noch.

  • Auch an anderer Stelle flossen viele Dollars. Amazon schluckte für 13,7 Milliarden die Supermarktkette Whole Foods und stieg damit groß in den stationären Lebensmittelhandel ein.

  • HPE verstärkte sich Anfang des Jahres: Im Januar wurde die Übernahme des auf Hyper Converged Infrastructure spezialisierten Startups Simplivity bekannt gegeben (650 Millionen Dollar). Im März folgte der Kauf von Nimble Storage für rund eine Milliarde Dollar.

Zur Startseite