Agile bei Standard Chartered
Der Fachbereich ist der Bottleneck
Das Retail-Banking ist selbst gestrickt. Das Kernbanksystem läuft auf Java. Erste Versionen sind schon in der Cloud. Bald soll die rechtliche Freigabe kommen, alle Systeme in die Cloud zu schicken. Die Entwickler bauen fleißig APIs (Application Programming Interfaces). Alle Interfaces werden zukünftig über RESTful API gesteuert. Auch der Austausch mit Geschäftskunden oder anderen Banken läuft dann darüber.
Methodenwissen fehlt
Beim Representational State Transfer (REST) schlüsselt der Browser eine Transaktion in mehrere Module auf, sodass auch Endkunden verschiedene Webservices nutzen können, so wie sie es heute schon bei Google, Amazon, Twitter oder LinkedIn tun. "Diese Konzepte müssen wir lehren", kommentiert Gorriz: "Das geht heute nicht mehr, dass jemand im Bankenwesen nicht weiß, was ein API ist. Das müssen auch die Vertriebler lernen."
Doch da klemmt es: Es fehlt an IT- und an Methodenwissen in den Fachabteilungen. API ist dort ebenso ein Fremdwort wie Agilität. So wie Gorriz beklagen viele CIOs, dass die ganze schöne Idee vom agilen Arbeiten nichts bringt, solange nur die IT-Mitarbeiter wissen, was damit gemeint ist. Jede Menge "ScrumScrum Masters" richten gar nichts aus, solange "Product Owner" aus dem Business das agileagile Konzept für neumodischen Kram halten. Dass sich das gute alte Wasserfallmodell in der IT so lange hält, liegt vielleicht weniger an den ITlern als an Auftraggebern, die bitte nicht dauernd von Nachfragen aus der IT gestört werden möchten. Alles zu Agile auf CIO.de Alles zu Scrum auf CIO.de
"Bottleneck sind die Product Owner aus den Fachbereichen"
Wer heute bei der Standard Chartered Web-Oberflächen gestaltet (zirka 400 Mitarbeiter), arbeitet bereits agil. Insgesamt sind schon 1000 IT-Mitarbeiter in Agilität geschult. Bald werden es alle sein. "Ich sag mal, in zwei Jahren sollten wir damit durch sein", schätzt Gorriz. Und ganz nebenbei: Two-Speed - also die Aufsplittung der IT in gründlichere und schnellere Entwickler - funktioniere dabei nicht: "Der agile Mindset muss bei allen vorhanden sein: Wir brauchen Full-Stack-Entwickler", fordert der CIO. Das sei auch gar nicht so schwer zu realisieren, aber: "Der Bottleneck sind die Product Owner aus den Fachbereichen."
Rund die Hälfte seiner Zeit sollte ein guter Product Owner damit verbringen, die Anforderungen im Geschäft zu ermitteln. Die andere Hälfte sollte er in seinem Sprint-Team sitzen. So sehen das Gorriz und die gängige Lehrmeinung (siehe auch "Aufgaben des Product Owners" auf www.computerwoche.de). Genau hier liegt aber das Problem: Welcher etablierte Manager setzt sich schon dauernd mit acht Leuten an einen Tisch, so wie das Scrum nun mal vorsieht? "Der soziale Druck ist viel höher", sagt Gorriz, der seine Scrum-Ausbildung schon hinter sich hat.
Das Business muss die Anforderungen schon selbst sauber formulieren
Wer bislang gewohnt war, ein Problem über den Zaun zu werfen (und später der IT die Schuld für Fehler zuzuschieben), gibt diese Position nicht einfach so auf. Das ist das große Problem aller etablierten, dysfunktionalen Firmen und gleichzeitig die Voraussetzung für agil: Einfach eine Lösung von der IT zu erwarten - ohne immer wieder das Problem einzugrenzen - geht heute nicht mehr. Gorriz hat dazu eine eindeutige Meinung: "Wir haben diesen schwierigen Teil outgesourct: Die Anforderungen sauber zu formulieren. Da muss das Business schon selbst in die Verantwortung gehen."