Land, Wasser, Luft

Die Zukunft des Lieferverkehrs

07.09.2016
Das Paket der Zukunft erreicht den Empfänger wann und wo er will. Auf dem Landweg oder über die Luft. So die Theorie. Lieferdienste, Handel und nun auch Autohersteller lassen ihrer Fantasie bei der Frage, wie uns online bestellte Waren in Zukunft erreichen, freien Lauf.
Unterschiedliche Logistikwege: Luft, Straße, Wasser
Unterschiedliche Logistikwege: Luft, Straße, Wasser
Foto: stockphoto mania - shutterstock.com

Lieferwagen, die automatisch beladen werden; Drohnen, Roboter und Lastenräder, die vom Transporter aus ausschwärmen wie von einem Mutterschiff oder Autos, deren Kofferräume zur Paketstation werden. Paketdienste, Händler und nun auch die Autobranche tüfteln an neuen Ideen, wie die dank des Booms von Online-Handel und Lieferdiensten wachsende Zahl von Paketen und Lieferungen zu den Menschen gelangen könnte. Allein im Jahr 2015 sind gut 1,24 Milliarden Sendungen nur an private Haushalte geliefert worden - insgesamt waren es 2,3 Milliarden. Der Autobauer DaimlerDaimler kündigte am Mittwoch an, eine halbe Milliarde Euro in neue Ideen rund um Transporter und Lieferdienste stecken zu wollen. Doch wie wird der Lieferverkehr der Zukunft aussehen? Top-500-Firmenprofil für Daimler

Vor allem elektrisch, heißt es in der Branche. "Elektromobilität ist das Basiskonzept", betont Boris Zimmermann, Professor für Logistik an der Hochschule Fulda. Denn der Innenstadtverkehr werde sich angesichts des anhaltenden Booms des Online-Handels vervielfachen. Das Umweltministerium hat die blaue Plakette zwar zunächst auf Eis gelegt, trotzdem denken auch deutsche Großstädte über Diesel-Fahrverbote nach. Und die viel diskutierte Reichweite der Elektrofahrzeuge? Im innerstädtischen Lieferverkehr kein Problem, heißt es bei Paketdienstleistern: 50 bis 100 Kilometer pro Tag reichten völlig aus.

Doch bislang gibt es kaum Lieferwagen mit Elektroantrieb zu kaufen. "Das ist ein klassisches Innovationsdilemma", sagt Andreas Schumann vom Bundesverband Kurier-Express-Post-Dienste. 2012 hatte Daimler einen Transporter mit E-Antrieb auf den Markt gebracht, das Angebot aber mangels Nachfrage eingestellt. "Unsere Kunden rechnen mit spitzem Bleistift, die Kosten waren damals zu hoch", erklärte Daimlers Van-Chef Volker Mornhinweg. Am Mittwoch deutete er entsprechende Ankündigungen für die IAA Ende September an. "Ich bin schon länger überzeugt, dass sich gerade auf der letzten Meile Elektromobilität durchsetzen wird", sagt er - ohne Details zu nennen. Auch Konkurrent VolkswagenVolkswagen hat bislang nur seinen Kleinwagen Up als Lieferwagen mit Elektromotor umgebaut, mit entsprechend begrenztem Laderaum von einem Kubikmeter. Top-500-Firmenprofil für Volkswagen

Die Post hat deshalb selbst die Initiative ergriffen und baut in Aachen eigene elektrische Lieferwagen. Doch die Möglichkeit sieht nicht jeder. "Wir sind stark auf die IndustrieIndustrie angewiesen", sagt ein Sprecher des DHL-Konkurrenten HermesHermes. Der Lieferdienst UPS lässt selbst Lieferwagen auf E-Antrieb umrüsten. Top-500-Firmenprofil für Hermes Top-Firmen der Branche Transport

Dabei werden für den städtischen Lieferverkehr längst andere Konzepte diskutiert. Zukunftsträchtig seien etwa Mikrodepots, kleine Verteilzentren, von denen aus Lastenfahrräder mit kleineren Ladungen in Innenstädte ausschwärmen, sagt Marten Bosselmann vom Bundesverband Paket und Expresslogistik. Auch von autonom fahrenden Anhängern, die Paketboten auf dem Fuße folgen, sei die Rede, so Logistikprofessor Zimmermann.

Den Einsatz von Drohnen, mit dem der Online-Händler AmazonAmazon für Schlagzeilen sorgte und den die Deutsche Post für abgelegene Gebiete in den Alpen bereits getestet hat, hält Bosselmann hingegen vor allem in Ballungsräumen für nicht praktikabel. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Rechtsrahmen so liberalisiert wird." Alles zu Amazon auf CIO.de

Auch Daimlers Vans-Chef Mornhinweg will Transporter mit Drohnen auf die Straße schicken: "Wir werden uns Länder aussuchen, in denen wir das prototypisch testen können", sagte er. Die USA gehörten dazu, aber auch die Schweiz und Großbritannien.

Den Autobauer lockt die eher klamme Transportbranche vor allem mit Effizienzgewinnen. "Wenn ein Wohnbezirk mit 180 Paketen beliefert wird, braucht ein Lieferwagen im Schnitt 120 Stopps", rechnet Daimler-Manager Stefan Maurer vor. Mit einer Drohne an Bord, die 25 Prozent der Pakete ausliefere, seien es noch 90 Stopps. Zusätzliche Schnelligkeit sollen hoch automatisierte Laderegale mit Kühlmöglichkeiten für Lebensmittel bringen - und Roboter.

Daimler stellte am Mittwoch auch das Modell eines entsprechend ausgestatteten Transporters vor. Auch Hermes und die MetroMetro Gruppe testen derzeit die Roboter der Starship Technologies, hinter der die beiden Skype-Mitgründer Ahti Heinla und Janus Friis stecken. Die Technik ist vor allem für Lieferungen wie Lebensmittel gedacht, die Menschen in einem festen Zeitfenster zu Hause erwarten. Denn sie müssen den Roboter mit Hilfe einer PIN öffnen. Top-500-Firmenprofil für Metro

Dafür, dass das Paket auch ankommt, wenn niemand Zuhause ist, sollen künftig mit Hilfe von Apps zu öffnende Paketboxen sorgen. Im Test der Post sind diese auch mit Landestationen für Drohnen ausgestattet. In einer einfacheren Variante werden Lieferungen in Kofferräume von Autos zugestellt. Die Daimler-Tochter Smart hatte jüngst mit DHLDHL einen entsprechenden Test. Auf ähnliche Weise sollen Handwerker mit fehlenden Ersatzteilen oder Werkzeug versorgt werden. Top-500-Firmenprofil für DHL

Am Ende dürfte allerdings immer noch der Empfänger entscheiden, auf welchem Weg ihn eine Lieferung erreicht. "Wir sind für alles zu haben, solange der Kunde bereit ist zu zahlen", sagte Bosselmann. Und der könnte sich möglicherweise den Lieferdienst nach Hause ganz sparen. Logistik-Experte Zimmermann rechnet zunächst einmal mit immer mehr Shops, in denen online bestellte Waren nur noch abgeholt werden. "Click & Collect (Klicken und Abholen)wird einen deutlich größeren Effekt haben", sagt er - auch wenn die Frage der Rückgabe in dem Fall noch ungelöst sei. (dpa/rs)

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