Croudsourcing in der Arbeitswelt

Digitale Billigjobs taugen nur als Zusatzverdienst

Michael Schweizer ist freier Autor in München.
Phuoc Tran-Gia, Informatikprofessor an der Universität Würzburg: "Mit Crowdsourcing kann man 1000 bis 2000 Probanden testen lassen und hat nach zwei Tagen ein Ergebnis."
Phuoc Tran-Gia, Informatikprofessor an der Universität Würzburg: "Mit Crowdsourcing kann man 1000 bis 2000 Probanden testen lassen und hat nach zwei Tagen ein Ergebnis."
Foto: Privat

Die Prinzipien Zerlegung und Kleinteiligkeit bringen doch wieder die Anwender ins Spiel, die ja im Kern nicht IT herstellen, sondern etwas anderes. Phuoc Tran-Gia, Informatikprofessor an der Universität Würzburg, nennt ein Beispiel: "Ein Laborant der TU München testet die Übertragungsqualität von Audios und Videos." Dafür 100 Studenten und Mitarbeiter zu gewinnen, die man für einen aussagekräftigen Test brauche, sei zeitaufwendig. Mit Crowdsourcing könne man Videos von 1000 bis 2000 Probanden testen lassen: "Man zahlt jedem Tester 50 Cent und hat nach zwei Tagen ein Ergebnis."

Ausbeutung oder Chance für viele?

Größere Aufregung rief Crowdsourcing im April 2010 hervor, als Tim Ringo, hoher Manager in IBMs Beratungszweig Human Capital Management (HCM), der Zeitschrift "Personnel Today" ein Interview gab. Bis 2017, sinnierte Ringo, könne IBMIBM mit Hilfe von Crowdsourcing von seinen 399.000 unbefristet Beschäftigten auf 100.000 herunterkommen und sich riesige Ausgaben für Gebäude, Pensionen und GesundheitGesundheit sparen. Im Februar 2012 war dann von dem Programm "Liquid" die Rede, dem in Deutschland bis zu 8000 der 20.000 Arbeitsplätze bei IBM zum Opfer fallen sollten. Alles zu IBM auf CIO.de Top-Firmen der Branche Gesundheit

Der "Spiegel" konnte aus einer Präsentation zitieren, die der Personalgeschäftsführer von IBM Deutschland, Dieter Scholz, im Mai des Vorjahrs intern gehalten hatte. Auch hier ging es darum, mit Hilfe von Cloudworking die Kernmannschaft möglichst zu reduzieren. Allerdings folgten Dementis, und IBM hat seine Belegschaft seit Ringos Interview merklich ausgebaut: weltweit auf 426.000, in Deutschland auf 21.000 Mitarbeiter . Bert Stach, der in der Gewerkschaft Verdi für Verhandlungen mit IBM zuständig ist, hält das Thema aber für aktuell und IBM für keinen Einzelfall: "Die anderen großen IT-Unternehmen ziehen in unterschiedlicher Intensität nach."

Crowdsourcing ist Globalisierung. Auf Plattformen wie Freelancer und Topcoder konkurrieren Cloudworker aus der ganzen Welt. Dabei könnten sich Preise herausbilden, die etwas vom Wohlstand der entwickelten Volkswirtschaften in ärmere Länder exportieren. Informatikprofessor Tran-Gia glaubt, dass das bereits geschieht: "In manchen Ländern kann man mit einigen Cent viel mehr anfangen als in Deutschland mit drei Euro." Clickworker-Chef Christian Rozsenich will, "dass unsere Clickworker, je nach Aufgabe, für eine Stunde Arbeit mindestens neun Euro bekommen". In Deutschland sei das verträglich, für einen Clickworker in Rumänien sei es richtig attraktiv. Verdi-Mann Stach sieht die internationale Preisbildung skeptischer: "Man trifft sich auf dem niedrigsten Niveau."

Digitale Minijobs als Nebenerwerb

Crowdsourcing-Plattformen spezialisieren sich auf unterschiedliche Auftraggeber, Dienste und Freiberufler, und auch ihre Brückenfunktion gestalten sie unterschiedlich aus (siehe unten). Ihre Margen veröffentlichen sie nicht. Zur Kritik am Crowdsourcing haben sie durch sehr niedrige Honorare beigetragen, die sich - neben besseren - überall finden lassen, ferner durch Bedingungen, die manche Plattformen ihren Cloudworkern auferlegen: Bei Mylittlejob muss der Auftraggeber nur zahlen, wenn er zufrieden ist, bei Wettbewerben auf Topcoder kann der Freiberufler auch mit guter Arbeit leer ausgehen, Freelancer wirbt unverhohlen mit Billighonoraren.

Zur Startseite