#SchauHin
Ein neuer #Aufschrei geht durchs Netz
Nach dem #Aufschrei gegen Sexismus rollt eine neue Welle der Empörung durch Soziale NetzwerkeNetzwerke. Diesmal nehmen Netz-Aktivisten unterschwellige Fremdenfeindlichkeit in Deutschland ins Visier. Unter dem Schlagwort #SchauHin schildern Internetnutzer bei TwitterTwitter ihre Erfahrungen mit Rassismus im täglichen Leben. Mehr als 21 000 Nachrichten haben Twitter-User bereits unter diesem Hashtag abgesetzt. Mit den gewohnten 140 Zeichen berichten sie von Szenen im Büro, im Supermarkt oder in der Schule. Alles zu Netzwerke auf CIO.de Alles zu Twitter auf CIO.de
""In Deutschland benimmt man sich mitteleuropäisch zivilisiert" hieß es, als ich mal zu spät in die Schule gekommen bin", schreibt zum Beispiel der Nutzer @KhaludeD. "Du bist aber hübsch für eine Schwarze", bekam @annoyingMenace ihrem Tweet zufolge zu hören. Andere erzählen von Vorurteilen. Und ein Kölner mit türkischen Wurzeln berichtet von einer Absage: "Ich rufe mit meinem Namen an, Job leider vergeben. Deutscher Freund ruft an, Job noch frei, Termin auch."
Alle Tweets werden mit dem gleichen Stichwort versehen und dadurch gebündelt. "Einige haben getwittert, die selbst schon Opfer von Rassismus geworden sind oder Rassismus bemerkt haben", sagt die freie Journalistin Kübra Gümüsay. Auf einem Blogger-Treffen Anfang September hat die 25-Jährige die Idee mit anderen Netz-Aktivisten entwickelt.
Besonders interessant fand Gümüsay #SchauHin-Tweets von Nutzern, die schildern, wie sie sich selbst bei fremdenfeindlichen Äußerungen im Alltag ertappt haben. "Nicht jeder, der sich rassistisch äußert, ist sofort ein Rassist. Jeder verhält sich manchmal rassistisch", sagt sie. "Es ist okay, Vorurteile zu haben. Es ist aber nicht okay, auf seinen Vorurteilen zu beharren."
Schon einmal sorgte eine solche Hashtag-Aktion in Deutschland für Diskussionen. Nach den Sexismus-Vorwürfen einer Journalistin gegen den FDP-Politiker Rainer Brüderle hatten sich die Reaktionen bei Twitter zu Jahresbeginn überschlagen. Versehen mit dem Hashtag #Aufschrei berichteten Nutzer von sexistischen Bemerkungen im Alltag. #Aufschrei bekam sogar einen der renommierten Grimme-Online-Awards.
Die Dimension der #Aufschrei-Debatte hat Gümüsay mit ihrer Netz-Aktion noch nicht erreicht. Der Kommunikationswissenschaftler Axel Maireder von der Universität Wien sieht dafür mehrere Gründe. "Wir haben auf Twitter sehr viel weniger Betroffene", sagt der Experte. Zum einen gebe es in Deutschland grundsätzlich mehr Frauen als Menschen mit Migrationshintergrund. Zum anderen seien letztere deutlich seltener bei Twitter aktiv.
Die #Aufschrei-Welle Anfang des Jahres sei außerdem erst entstanden, als die Vorwürfe gegen FDP-Politiker Brüderle bereits hitzig diskutiert wurden. "Die Hashtag-Erfinder sind damals sozusagen auf einen fahrenden Zug aufgesprungen", erklärt der Netz-Experte. Mit #Aufschrei hätten sie die Diskussion weiter getrieben. Der Hashtag hat sich inzwischen zu einem festen Begriff der Netzgemeinschaft entwickelt. Noch heute twittern täglich Nutzer unter dem Schlagwort.
Nach Tausenden Kurznachrichten in den ersten Tagen ist die Frequenz der #SchauHin-Tweets dagegen bereits merklich gesunken. Forscher Maireder glaubt aber, dass sich der Anti-Rassismus-Hashtag im Netz etablieren kann. "Es ist ganz wichtig, dass man die vielen Diskurse, die auf Twitter und in anderen Netzwerken stattfinden, strukturieren kann. Wenn das bei #SchauHin funktioniert, dann ist das eine Leistung für sich, die man nicht kleinreden sollte." (dpa/rs)