Fraunhofer-Studie
Erfolgreicher arbeiten mit Videokonferenzen
Schon seit Jahren machen große Telekommunikationsfirmen Werbung mit Videotelefonie. Aber richtig abgehoben hat das Konzept erst dank Skype. In Unternehmen verzeichneten Videokonferenzen in letzter Zeit leichte Zuwächse. Dennoch halten viele Firmen noch immer an Telefonkonferenzen fest. Sie sehen keinen Return on Investment (ROI) durch Videotelefonie und die Technik erscheint ihnen zu aufwändig. Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) hat sich auf wissenschaftlicher Basis angesehen, was Videokommunikation tatsächlich bringt. Die Ergebnisse sind teils erstaunlich.
Der Versuch
Im Test ließ Studienleiterin Dr. Josephine Hofmann Gruppen jeweils die gleiche Aufgabe per Telefonkonferenz und per Videokonferenz mit einer Joint-Editing-Software durchführen. Das heißt, die Probanden konnten alle gleichzeitig ein Dokument bearbeiten wie bei echten Konferenzen, etwa bei der Projektplanung oder Verhandlungen. "Die Teilnehmer waren unter dem Druck, zu einem Kompromiss zu kommen", erläutert die Leiterin des Competence Centers Business Performance ManagementPerformance Management am Fraunhofer IAO die Aufgabe. "Wir haben bewusst Aufgaben gestellt, die sich nicht durch einfache Arbeitsteilung oder Delegieren lösen lassen", sagt sie. Alles zu Performance Management auf CIO.de
Video ist nicht schneller
Im direkten Vergleich der beiden Kommunikationsformen wurde in der Studie überraschend deutlich: "Videokonferenzen sind nicht schneller als Telefonkonferenzen", sagt Hofmann. Aber die Diskussion läuft anders ab. "Per Telefon findet man notgedrungen sehr schnell einen Kompromiss und diskutiert danach in den jeweiligen Teilgruppen, wie die Arbeitsschritte durchgeführt werden", sagt Hofmann. In der Videokonferenz diskutieren alle Teilnehmer viel länger und ausführlicher. Und: Was einigen Meeting-Muffeln als Horror erscheint, ist in Wirklichkeit ein Segen für die Teamarbeit. "Die Teammitglieder fühlen sich viel besser eingebunden in die Entscheidung. Damit hat die Diskussion einen viel höheren Wert", sagt Hofmann. "Die Teilnehmer waren signifikant zufriedener und standen mehr zum Ergebnis."
Das ist ein deutlicher Unterschied zu Telefonkonferenzen: 81 Prozent der Teilnehmer gaben an, dass per Telefon und E-Mail die Aufgaben nur gestellt, aber nicht gemeinsam gelöst wurden. Die Gemeinsamkeit ist den Teammitgliedern aber sehr wichtig, denn gemeinsam können sie sich bei Aufgaben unterstützen, die die Kreativität erfordern. Die Expertise des Einzelnen kann in Videokonferenzen stärker im Vordergrund stehen und damit werden die Stärken des Teams voll ausgeschöpft.
Motivation per Videokanal
Die Präsenz der anderen Teammitglieder auf dem Bildschirm gibt laut Studie den Ausschlag: 70 Prozent der Studienprobanden gaben an, dass sie motivierter und engagierter waren, wenn sie die Teammitglieder sehen konnten. Genauso wichtig ist es aber für das Funktionieren einer Videokonferenz, dass alle Mitglieder ein Dokument zusammen bearbeiten können. Dies bestätigte mehr als die Hälfte (59,6 Prozent) der Teilnehmer. Fast alle Probanden (91,5 Prozent) gaben an, dass ihnen eine entspannte und positive Arbeitsatmosphäre wichtig war, wenn sie eine komplexe Aufgabe zu lösen hatten.
Gleichzeitig lassen sich über integrierte Systeme Missverständnisse vermeiden. Alle Teilnehmer sind auf der gleichen Seite des Dokuments, das sofort gemeinsam bearbeitet wird. Jeder ist aktiv mit eingebunden. Normalerweise wird im Anschluss an die Telko ein Mitarbeiter beauftragt, der bestimmte Änderungen einfügt und dann noch einmal an alle verschickt. Diese Arbeit fällt nun weg.
Keine Drückeberger mehr
Sich zu sehen heißt für Konferenzen auch: Es gibt keine Drückeberger mehr. "Uns fiel auf, dass in Telefonkonferenzen oft nur zwei Menschen diskutieren: der Gesprächsmoderator und ein weiterer", sagt Hofmann. Die anderen Teammitglieder sind still. Wenn beispielsweise fünf Mitarbeiter an der Telko teilnehmen, geschieht es häufig, dass einer nebenher die Blumen gießt, andere Nebengespräche anfangen oder noch schnell eine E-Mail schreiben. Fazit: Die Konzentration ist bei vielen Telkos gleich null. Dementsprechend fällt dann auch das Ergebnis aus.
"In der Videokonferenz kann man sich natürlich nicht so leicht davonmachen", erzählt Hofmann. Dadurch sind alle Teilnehmer stärker eingebunden, wovon die Arbeitsatmosphäre profitiert: 73,9 Prozent der Teilnehmer gaben an, dass die Kommunikation durch die Videotechnik direkter und persönlicher wurde. "Man fühlt sich mehr als Teil der Gruppe und hat mehr Spaß daran, mitzuarbeiten", sagt Hofmann.
- Die Geschichte der Videotelefonie
Rückkehr der Videotelefonie: Das Nokia 6500 bot Videotelefonie über UMTS ... - Die Geschichte der Videotelefonie
... hier im Bild ist ein Selbstversuch auf einem MDA Pro zu sehen. - Die Geschichte der Videotelefonie
Skype ist eins der bekanntesten Video-Call-Tools für Firmen und Privatanwender. - Die Geschichte der Videotelefonie
Eine Telepresence-Lösung von Cisco. - Die Geschichte der Videotelefonie
Der Kommunikationskonzern Tata hat weltweit komplette Räume in Hotels für Videokonferenzen ausgestattet. - Die Geschichte der Videotelefonie
Der Anfang: Mit dem Telekom-Gerät wären Bildgespräche über ISDN möglich - es scheiterte an den Kosten und der Qualität.
Moderation wie im echten Leben
Videokonferenzen bedeuten ein Umdenken für Führungskräfte: "Eine Videokonferenz erfordert eine andere Art der Moderation als Telefonkonferenzen", sagt Hofmann. Denn wie in realen Meetings sollten alle Mitglieder des Teams zu Wort kommen und gehört werden. Die Beteiligung aller an der Konferenz fällt im Medium Video leichter, da sich ohnehin jeder auf dem Bildschirm sehen kann.
Gleichzeitig kann der Meeting-Leiter auf die Körpersprache der Teilnehmer achten: "Der Moderator sieht, wenn jemand das Gesicht verzieht", sagt Hofmann. So kann er besser auf den Einzelnen eingehen, und das Ergebnis des Meetings ist für alle leichter zu akzeptieren. Ferner nimmt er stärker wahr, wenn Teammitglieder etwas sagen wollen - am Telefon ist das sehr schwierig. "Zudem wollen Menschen wissen, wie der Gesprächspartner aussieht", sagt Hofmann. Es sei ein menschliches Grundbedürfnis zu erfahren, mit wem man es zu tun hat und in welcher Stimmung der andere ist.
Zufriedenere Mitarbeiter
Die Fraunhofer-Untersuchung förderte zutage, dass grundsätzlich beide Meeting-Varianten - Telko oder Video - zu einem Ergebnis kommen. Nur sind die Teilnehmer zufriedener mit dem erarbeiteten Kompromiss, wenn sie vorher gemeinsam von Angesicht zu Angesicht darüber sprachen. "Es ist sehr wichtig, dass die Leute gemeinsam hinter dem Ergebnis einer solchen Konferenz stehen", sagt Hofmann.
Viele Unternehmen stehen Videokonferenzen noch skeptisch gegenüber, denn diese erfordern, dass alle Teilnehmer fest an einen Arbeitsplatz mit Bildschirm gebunden sind. Sich mal eben von unterwegs einloggen ist selten möglich. Diesem Nachteil widerspricht Hofmann jedoch: "Die telefonischen Besprechungen leiden oft an Pseudoflexibilität." Zwar könne man sich noch am Bahnsteig in die Konferenz einklinken - nur sei die Beteiligung und die Konzentration nicht die gleiche wie in einer ruhigen Konferenz. "Das entspricht nicht der Bedeutung, die eine solche Besprechung eigentlich haben sollte", sagt Hofmann. Wer Teambesprechungen durch echte Präsenz mehr Bedeutung beimesse, zolle der Arbeit der Teammitglieder mehr Respekt. Nicht zuletzt diene dies der langfristigen Motivation und Projekte scheiterten seltener.