"Dämonisierung"

Experten im Finanzministerium rücken von Digitalsteuer ab

11.09.2018
Die Milliardengewinne von Google und Co. wecken in der EU Begehrlichkeiten. Experten im Bundesfinanzministerium stellen jedoch das SPD-Wahlkampf-Versprechen einer Digitalsteuer in Frage und warnen vor einer "Dämonisierung" großer Digitalunternehmen.
Die Besteuerung der digitalen Wirtschaft rückt in weite Ferne.
Die Besteuerung der digitalen Wirtschaft rückt in weite Ferne.
Foto: Photo Veterok - shutterstock.com

Im Bundesfinanzministerium gibt es erhebliche Zweifel an einer stärkeren Besteuerung von US-Internetkonzernen wie GoogleGoogle, FacebookFacebook und AmazonAmazon. Eine "Dämonisierung der großen Digitalunternehmen" sei nicht zielführend, heißt es der "Bild"-Zeitung zufolge in einem vertraulichen Papier aus dem Leitungsstab des von Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) geführten Ministeriums. Stattdessen solle man sich auf Maßnahmen gegen Gewinnverlagerungen konzentrieren. Bei einer stärkeren Besteuerung werden zudem Gegenmaßnahmen für deutsche Unternehmen in den USA befürchtet. Damit rücken die Experten von einem Lieblingsprojekt der SPD ab. Alles zu Amazon auf CIO.de Alles zu Facebook auf CIO.de Alles zu Google auf CIO.de

Der Sprecher von Scholz betonte aber in Berlin: "Das Ziel einer fairen Besteuerung von Internetkonzernen verfolgt das Bundesfinanzministerium weiter." Es würden derzeit mehrere Modelle diskutiert. "Eine Festlegung des Ministers oder des Hauses auf ein oder mehrere Instrument(e) gibt es noch nicht."

Besteuerung der digitalen Wirtschaft

Zu Beginn der Amtszeit hatte Scholz mit Blick auf Verhandlungen auf EU-Ebene und im Kreis der G20-Staaten noch betont: "Die internationale Gemeinschaft muss Antworten finden auf die Herausforderungen der Digitalisierung, die Besteuerung der digitalen Wirtschaft gehört dazu." Doch zuletzt war im Ministerium - auch wegen des Handelskonflikts mit den USA - die Skepsis deutlich gewachsen.

Gerade die Parteilinke der SPD pocht aber auf eine Digitalsteuer, da die Steuervermeidung am Gerechtigkeitsempfinden vieler Bürger rüttelt. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, bei einem Jahresumsatz ab 750 Millionen Euro sowie einem Online-Umsatz von 50 Millionen Euro in Europa drei Prozent Ertragssteuer zu verhängen. Argumentiert wird, dass die Konzerne mit den Daten von Millionen Nutzern in Europa gewaltige Umsätze machen, aber dort kaum Steuern zahlten, während Industriekonzerne mit Fabriken in anderen Ländern dort auch entsprechend Steuern zahlen müssten.

Wenn Scholz sich gegen die Digitalsteuer entscheiden sollte, würde ihm das Ärger nicht nur in seiner eigenen Partei, sondern auch innerhalb der Bundesregierung einbringen. So will sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron für eine "faire Digital-Besteuerung" einsetzen, auf die die EU sich bis Jahresende einigen soll - das vereinbarten die beiden bei einem Treffen im Juni.

Große Uneinigkeit innerhalb der EU

Innerhalb der EU herrscht in Sachen Digitalsteuer allerdings große Uneinigkeit. Frankreich pocht auf die sogenannte "Gafa-Steuer" (Google, AppleApple, Facebook, Amazon). Länder wie Luxemburg, Irland und Malta sind hingegen deutlich zögerlicher. Als Argument führen sie häufig an, dass Europa bei dem Thema nicht vorpreschen, sondern eher eine internationale Lösung auf OECD-Ebene finden solle. Die Organisation zählt mehr als 30 Mitgliedstaaten, darunter die USA, eine Einigung scheint dort wenig wahrscheinlich zu sein. Alles zu Apple auf CIO.de

Ifo-Präsident Clemens Fuest wies in der "Wirtschaftswoche" darauf hin, dass die international vereinbarten Regeln zur Besteuerung globaler Konzerne nicht vorsähen, Gewinne dort zu versteuern, wo die Produkte verkauft werden. "Sie sind dort zu versteuern, wo sie entwickelt und produziert werden."

Da Digitalkonzerne wie Apple und Google ihre Produkte und Dienstleistungen in den USA entwickelt hätten, liege das Recht zur Besteuerung der globalen Gewinne dieser Firmen in erster Linie in den USA. "Europa sollte weniger über neue Steuern und Abgaben auf digitale Geschäftsmodelle spekulieren", forderte Fuest. Viel wichtiger sei es, die Digitalisierung zu fördern und das Projekt eines europäischen Binnenmarktes für die Digitalwirtschaft voranzubringen. (dpa/rs)

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