Arbeitsrecht
Im Visier der Chefs
Die internen Kündigungstipps eines Dax-Konzerns
Es gibt viele Gründe, warum Mitarbeiter bei Chefs in Ungnade fallen können. Egal ob wegen menschlicher Differenzen, Streit über Zielvorgaben oder schlicht die Belegung einer Position, die eigentlich für den Vertrauten des Vorgesetzten bestimmt ist - wer einmal im Visier des Chefs steht, muss um seinen Job bangen. "Mitarbeiter sind zwar arbeitsrechtlich geschützt, dürfen aber nicht die Professionalität ihrer Vorgesetzten in puncto Arbeitsrecht unterschätzen", sagt Abeln.
Denn Führungskräfte werden nicht nur auf Seminaren geschult und von den Personalern - meist selbst studierte Arbeitsrechtler - unterstützt. Für das Aussortieren angeblicher Problemfälle gibt es in Unternehmen mittlerweile standardisierte Prozesse. Das zeigt zumindest der Leitfaden eines weltweit agierenden und wirtschaftlich höchst erfolgreichen Dax-Konzerns, der Handelsblatt Online vorliegt.
In kritischen Gesprächen sollen Führungskräfte dieses Unternehmens "nicht unvorbereitet" und "mit Fingerspitzengefühl" vorgehen. Sonst käme es bei dem betroffenen Mitarbeiter "zu Blockaden, die eine Einigung letztendlich unmöglich machen".
- Keine alternativen Jobs
Es darf keine alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen geben, ansonsten ist die betriebsbedingte Kündigung nicht möglich. - Weniger Schutzbedürftige
Die weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmer können gekündigt werden. - Sozialauswahl
Der Arbeitgeber muss eine Sozialauswahl durchführen und je nach Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltsverpflichtungen und Schwerbehinderung entscheiden, welche Arbeitnehmer sozial am schutzbedürftigsten sind. - Wegfall von Arbeitsplätzen
Die unternehmerische Entscheidung muss zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen, es darf keine anderen, milderen Maßnahmen geben – etwa Teilzeit oder Umstrukturierungen – die einen Wegfall der Arbeitsplätze verhindern könnten. - Unternehmerische Entscheidung
Für eine betriebsbedingte Kündigung muss es eine unternehmerische Entscheidung geben, beispielsweise einen Vorstandsbeschluss.
"Trennungsgespräche und andere schwierige Gespräche" können nach dem Leitfaden einen "bleibenden Eindruck der Führungskraft hinterlassen", der sich "in der Belegschaft, bei Kunden, Lieferanten oder anderen Gesprächspartnern herumsprechen könnten".
Checklisten sollen allzu rüden Führungskräften Leitlinien geben, Emotionen gilt es zu vermeiden. Wer auf der Abschussliste steht, soll auch weg. Und das - laut Papier - so schnell wie möglich. Wenn keine "Nebenaufgabe, ein sogenannter Elefantenfriedhof" zugewiesen werden kann, seien Aufhebungsverträge oder Kündigungen die beste Wahl. Entscheidungskraft und Schnelligkeit seien wichtig, weil sonst das "Alter" des Mitarbeiters spätere "externe Lösungen" wie etwa eine Kündigung erschwere.
Bei den Gründen für die Trennung von Mitarbeitern lässt das Unternehmen seinen Chefs freie Hand. Das "Nachlassen der Leistung" oder "Überforderung" gelten dafür als ebenso relevant wie "sehr hohe krankheitsbedingte Fehlzeiten" oder "Chemie-Probleme". Offenbar widerspricht es nicht der Unternehmenskultur, dass solche Begründungen für eine Trennung dem deutschen Arbeitsrecht widersprechen.