Digitalisierung
Informatiker brauchen mehr Mut zum Risiko
Heute besitzt und nutzt fast jeder Bundesbürger ein Mobiltelefon, Tablets begeistern schon Zweijährige und Smartphones scheinen mit den Handinnenflächen von Jugendlichen zu verwachsen. Ganz selbstverständlich nutzen Teenager soziale Netzwerke oder Apps und sind damit ihren Eltern, Lehrern und Chefs weit voraus. "Digitale Medien wie das Smartphone sind heute ganz selbstverständlich. Niemand von den Fachleuten hat das in dieser Form vorhergesagt", erklärt Manfred Broy, Professor für Software Engineering an der Technischen Universität München.
Neue Technologien erobern immer mehr Lebensbereiche. Fitness-Armbänder vermessen den Menschen, Roboter erobern die Werkshallen. Selbst IT-Profis müssen sich sputen, um keinen Trend zu verpassen. Wie muss sich deshalb die universitäre Ausbildung verändern? Kann die Lehre mit diesem Tempo Schritt halten?
Christoph Meinel, wissenschaftlicher Institutsdirektor und CEO des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) in Potsdam favorisiert eine fundierte Ausbildung. "Unabhängig von aktuellen Trends setzen wir auf solide Grundlagen, beispielsweise über Programmierung, Modellierung, Architekturen, Betriebssysteme oder Informationssysteme. Vorlesungen sind nach wie vor wichtig für die Wissensvermittlung." Jedem Trend renne die Hochschule aber nicht hinterher. "Wir bilden nicht für eine bestimmte Technologie aus, sondern vermitteln unseren Studenten Grundlagen für ihre hoffentlich erfolgreiche Berufstätigkeit. Ganz egal wo sie später arbeiten, müssen sie sich auch selbständig in neue Wissensgebiete einarbeiten können."
Echte Projekte statt Trockenübungen
Die HPI-Studenten vertiefen das Gelernte in einem einjährigen Bachelor-Projekt. Jeder der zehn Fachbereiche des HPI bietet Seminare an und die Studierenden wählen aus mehr als 20 Themen ein bis zwei Projekte pro Semester aus. Die konkreten Aufgaben steuern externe Partner aus ihrem Firmenalltag bei, für die die Studentengruppen eine Lösung finden sollen. "Echte Probleme spornen die Studenten an, denn sie bearbeiten reale Projekte", weiß Meinel. Als Team widmen sie sich über zwei Semester hinweg der Aufgabe. Sie lernen dabei mit Auftraggebern zusammenzuarbeiten, die meistens keine IT-Unternehmen sind und eine ganz andere Sprache sprechen.
"Mit ihnen können sie sich nicht in ihrem Fachjargon austauschen. Ein weiteres Ausbildungsangebot ist Design Thinking. Hier lernen sie, in interdisziplinär zusammengesetzten Teams mit Studenten aus anderen Fachgebieten ganz neue Ideen und Lösungsansätze zu entwickeln", erklärt Meinel den Ansatz. Ergänzt werden die Seminare um Kurse wie Körpersprache oder Rhetorik. Soft SkillsSkills erwerben die angehenden Informatiker also ganz nebenbei. Alles zu Skills auf CIO.de
- Ohne Soft Skills geht gar nichts
Auch in der IT-Abteilung sind die so genannten "weichen" Eigenschaften heute wichtiger denn je. Welche Soft Skills IT-Profis neben ihrer fachlichen Qualifikation mitbringen sollten, haben wir neun CIOs gefragt. - Christian Ley, CIO von Brose:
"Für das erfolgreiche Umsetzen unserer immer komplexer werdenden IT-Projekte – gerade auch vor dem Hintergrund einer zunehmenden Internationalisierung – sind eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die Verfolgung gemeinsamer Ziele und eine offene Kommunikation das Maß aller Dinge ... - Kommunikationsfähigkeit
... Deshalb spielen Team- und Kommunikationsfähigkeit, strukturiertes Denken, ein hohes Qualitätsbewusstsein, Konfliktfähigkeit, soziale und teilweise auch interkulturelle Kompetenz eine große Rolle. Natürlich erwarte ich nicht von jedem meiner Mitarbeiter eine gleich starke Ausprägung dieser Soft Skills, das ist letztlich auch abhängig von der Aufgabe des Einzelnen ... - Kundenorientierung
... Von einem Mitarbeiter im ServiceDesk erwarte ich eher eine hohe Kundenorientierung, von einem Softwareentwickler strukturiertes Denken. Alle Mitglieder unserer Mannschaft sollten allerdings mit einem gesunden Maß an Pragmatismus ausgestattet sein." - Klaus Neumann, Bereichsleiter der KfW Bankengruppe:
"Welche Soft Skills IT-Profis heute brauchen – das kommt natürlich immer auch auf die Funktion, in der sie eingesetzt werden, an. An der Schnittstelle zum Kunden, also zum Anwender in unserem Fall, brauchen wir Leute, die offen und kommunikativ sind ... - Konfliktfähigkeit
... Wichtig sind für uns zudem Konfliktfähigkeit und eine lösungsorientierte Sicht. Kann jemand nicht mit Konflikten umgehen - und die gibt es immer - oder denkt einer nur in Problemen, dann ist er nicht der Richtige für die IT-Abteilung." - Für Christoph Böhm, bis 2015 CIO von Vodafone Deutschland, heute Senior Vice President bei SAP...
... ist ebenfalls die Kommunikationsfähigkeit wichtig: "Dies hilft den Mitarbeitern der IT einerseits dabei, die Anforderungen der Business Units als auch die Sprache der IT-Mitarbeiter zu verstehen und diese für die entsprechend andere Gruppe zu übersetzen. Dies ist eine Schlüsselkompetenz, da die Aufgaben einer modernen IT nicht nur darin bestehen, die Business Anforderungen in der IT abzubilden, sondern ebenfalls darin, mögliche Potenziale aus der IT an die Business Units zu kommunizieren, sodass sie nachvollziehen können, welche Auswirkungen und Chancen ein derartiger Schritt auf sie haben würde ... - Die Analytische Kompetenz ...
... ergänzt die Kommunikation, indem die Auswirkungen des Handelns transparent und nachvollziehbar werden ... - Teamfähigkeit
... Mitarbeiter in der IT arbeiten grundsätzlich in Teams, heute meist in gemischten internationalen Teams mit Beteiligung internationaler Partner oder Kollegen." - Günter Weinrauch, ehem. CIO des ADAC:
Zentrale Soft Skills sind für ihn neben Analyse- und Abstraktionsfähigkeiten sowie Kommunikations- und Überzeugungsfähigkeiten (weil auch die beste technische Lösung dem Anforderer "verkauft" werden muss) ... - ... Engagement und Ownership:
... um perfekte Lösungen zu schaffen, muss man von seiner Arbeit begeistert sein. Reiner 'Dienst nach Vorschrift' ohne emotionales Engagement kann nie zu herausragenden Lösungen führen ... - Flexibilität
... weil Überraschungen doch immer wieder lauern, und Hindernisse am besten als Herausforderung gesehen werden sollten, nicht als Bremse." - Gilbert Riegel, Senior Project Manager M & A bei Siemens:
Für ihn ist die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel (Einfühlungsvermögen) besonders wichtig: "Das heißt die Fähigkeit, den Ansprechpartner an dem Punkt abzuholen, wo er vom Wissen (Prozesse / Technik) her steht, und ein Verständnis für die Rahmenbedingungen aber auch für die Handlungsperspektiven der Ansprechpartner zu entwickeln. Die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel reduziert Missverständnisse und potenzielle Widerstände ... - Vertrauen aufbauen
... Die Komplexität von IT-Projekten erfordert es, dass die unterschiedlichen Fachbereiche im Unternehmen Vertrauen in die Fähigkeiten der IT-Organisation und ihrer Mitarbeiter haben. Vertrauen entsteht nicht von alleine, sondern über persönliche Interaktion, das Einhalten von Zusagen und Terminen sowie durch die gemeinsame Durchführung erfolgreicher Projekte - also insgesamt positive Erfahrungen mit Personen und Prozessen ... - Selbstbewusstsein
... Die IT-Abteilung fühlt sich oftmals in der klassischen 'Underdog'-Rolle im Unternehmen wohl bzw. lässt sich dort hineindrängen. Um aber den Auftrag an eine moderne IT-Organisation erfüllen zu können, muss die IT aktiv und selbstbewusst mit den Business-Funktionen interagieren und darf sich nicht hinter Governance-Themen und technischer Komplexität verstecken. Das Bild der IT Organisation kann also nicht nur durch den IT Leiter / CIO und einige zentrale Führungskräfte vermittelt werden, sondern muss insbesondere durch die IT Mitarbeiter in Ihrer täglichen Arbeit transportiert werden ... - Analytische Fähigkeiten gepaart mit Neugierde
... Themen schnell erfassen und zu strukturieren ist eine wesentliche Fähigkeit, allerdings mit dem Fokus auf Lösungsorientierung statt Problemorientierung. Neugierde hilft neue Aspekte zu betrachten und so bei einem lösungsorientierten Vorgehen und damit auch Etabliertes zu hinterfragen." - Fähigkeit zur Selbstreflexion
Auch diese findet Riegel wichtig, "um aus dem Feedback anderer und den eigenen Erfahrungen Optimierungsmöglichkeiten für sich selbst und für die verantworteten Themen abzuleiten." Dadurch sei ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess möglich. - Dirk Müller, CIO von Franz Haniel & Cie. ...
findet die Bereitschaft, gelerntes Expertenwissen in Frage zu stellen und sich im Sinne von Innovation auf neue Themen einzulassen, wichtig. Sowie "Empathie und ... - Verhandlungsgeschick ...
... um mit Kunden und in zunehmenden Maße auch mit Lieferanten zielgerichtet, aber doch authentisch umgehen zu können. Beide Themen halte ich bei IT-Profis, die eher aus der Technikecke kommen, für die größte Herausforderung." - Christian Niederhagemann, CIO von KHS:
"Mehr und mehr entwickeln sich IT-Experten zum Sparringspartner für Fachabteilungen, für das Prozessmanagement und inzwischen vielfach auch für die Strategieabteilungen. Aus meiner Sicht sind es drei wesentliche Eigenschaften, die ein erfolgreicher Mitarbeiter in der IT hierzu insbesondere mitbringen muss: Moderationstalent, Empathie und die Bereitschaft, neue Wege gehen zu wollen." - Moderationstalent
Wenn beispielsweise zwischen Fachbereich, Prozessmanagement und den SAP-Profis eine intensive Diskussion entfacht, wie eine Businss-Anforderung elegant, schnell und ohne großen IT-Aufwand abgebildet werden kann, sind Moderatoren gefragt: "Mit Moderationstalent und dem Gespür für die Situation gelingt es in der Regel rasch, die Beteiligten wieder an den Tisch zurück zu holen und das Gespräch auf die Sache, nämlich das gemeinsame Unternehmensinteresse, zu lenken ... - Hochmut fehl am Platz
... In solchen Situationen ist kein Platz für Eitelkeiten und Eigeninteresse, es ist vielmehr Kreativität gefragt, auch einmal neue – eventuell sogar unkonventionelle – Wege zu gehen. Ich unterstütze meine Leute gezielt darin, im Rahmen definierter Leitplanken bewusst gegen den Strom zu denken. Wie häufig wurden nicht schon einfache und intelligente (IT-)Lösungen gefunden, sobald der Mut aufbracht wurde, die eingetretenen Pfade zu verlassen und gleichzeitig den Blickwinkel der beteiligten Parteien einzunehmen." - Hartmut Willebrand, CIO bei H. & J. Brueggen KG:
Er sagt, in der IT-Branche haben wer es überwiegend mit Persönlichkeitstypen zu tun, die in einer Welt der absoluten Abstraktion leben. "Daher neigen wir dazu, Wunschvorstellungen oder geradezu einen technischen Machbarkeitswahn zu haben, dass das, was wir theoretisch überlegt haben, auch genauso funktioniert. Oft fehlen die Anpassungsfähigkeit und das ausreichende Einkalkulieren der Realitäten. Denn das echte Leben ist und bleibt chaotisch, unvorhersehbar. Und die Menschen sowieso." - An Schwächen arbeiten
Willebrand plädiert dafür, die Fachkompetenzen um die "notwendigen humanen, sozialen Skills" zu vervollständigen. "Mit dem Mut, konstruktiv an unseren Schwächen zu arbeiten und unsere Stärken zu stärken, werden wir nachhaltig Erfolg haben." - Soft Skills im Gespräch abklopfen
Ob ein Bewerber die notwendigen Soft Skills mitbringt, erfährt man am besten im persönlichen Gespräch. Da sind sich die CIOs einig. Bewerbungsunterlagen wie Lebenslauf und Arbeitszeugnisse können zwar Hinweise liefern, aber reichen nicht aus.