Erfolgsfaktoren für den Arbeitsplatz der Zukunft
Innovation lässt sich nicht verordnen
Die Suche nach Informationen über den Arbeitsplatz der Zukunft führt gerne direkt zur nächsten bunten Bilderstrecke über Shared Workspaces, kreative Home-Office-Modelle oder glückliche Menschen, die barfuß mit ihrem Notebook an Gewässern sitzen. Die Darstellungen unterscheiden sich in Nuancen, in den Köpfen bleibt die Vorstellung dabei aber meist die gleiche: Der Arbeitsplatz der Zukunft muss ein Büroarbeitsplatz sein - wenn auch die Arbeitsorte variieren dürfen.
Dass diese Interpretation der Dynamik der digitalen Transformation wohl nur teilweise gerecht wird, darüber sind sich die Diskutanten beim IDG Round Table schnell einig. "Nur weil diejenigen, die über die Digitalisierung diskutieren, selbst an Büroarbeitsplätzen arbeiten, dürfen wir die Debatte nicht auf dieses Thema verengen. Was ist mit den Dienstleistungsberufen, dem Handwerker oder der öffentlichen Infrastruktur? Nur wenn wir die Digitalisierung für all diese Arbeitsplätze mitdenken, schaffen wir es, den nötigen gesamtgesellschaftlichen Kulturwandel anzustoßen", betont Katrin Beuthner, Geschäftsführerin des Digital-Workplace-Spezialisten United Planet.
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Die Diskussion machte früh klar: Der Arbeitsplatz der Zukunft ist ein Thema für alle, unabhängig von Qualifikation oder Branche. Und gerade wegen dieser kulturellen Dimension sei es höchste Zeit, die Debatte zu öffnen. "Die Technik muss dem Menschen folgen, nicht umgekehrt. Sie ist dazu da, Ansprüchen und Aufgaben optimal gerecht zu werden, und zwar egal, wo jemand arbeitet."
Für Christian Postel, General Manager Sales & Marketing bei Dimension Data, hat die disruptive Kraft technischer Innovationen das Potenzial, die komplette Wirtschaft zu erfassen - wenn sie so eingesetzt wird, dass sie zu den Bedürfnissen der jeweiligen Branche passt. Jeder Betrieb ist unterschiedlich, aber jeder Arbeitsplatz ist transformierbar - wenn es der Technik gelingt, diese Individualität zu berücksichtigen.
Dafür nötig seien der richtige Wille, Risikobereitschaft und eine Kultur, die Innovationsgeist vor Prozesse stellt. Die einfache Gleichung dahinter: Je starrer die prozessuale Ebene, desto schwieriger der Change. Für Michael Gerner, Enterprise Account Manager bei Aruba, ist außerdem klar, dass diese Erkenntnis weit über IT-Prozesse hinausgeht: "Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht im Klein-Klein verlieren. Nehmen wir nur mal die klassischen Leistungsnachweise in großen Unternehmen, das sind absolute Innovationskiller. Wenn das pünktliche Erscheinen zu einem Meeting wichtiger ist, als tatsächlich hervorgebrachte Innovationen, dann wird jedes Veränderungspotential im Keim erstickt."
Vom Cost Center zum Profit Center
Die Gestaltung dieses kulturellen Wandels erfordert zuallererst einen neuen Blick auf die IT als wichtigsten Enabler digitaler Transformation. Nur wenn die IT auch die Rolle erhält, aus der heraus sie überhaupt Veränderungen anstoßen kann, entsteht ein Ökosystem im Unternehmen, das eine technische Öffnung in der Breite ermöglicht. Sie muss laut Gerner "vom Cost Center zum Profit Center werden."
Dieser Perspektivenwechsel kann allerdings nur auf der C-Level eingeleitet werden. Eine Schlüsselrolle spielen dabei vor allem die in den vergangenen Jahren geschaffenen CTO-Positionen. Diese sollten idealerweise eine deutlich wichtigere Rolle bei strategischen Entscheidungen spielen, sich aber gleichzeitig vom Anspruch lösen, jede Neuerung selbst verstehen und strukturieren zu wollen. Dynamik durch Verantwortungsabgabe, auch das sei am Ende eine kulturelle Frage.
"Change Management ist ein elementarer Erfolgsfaktor und muss Teil der Unternehmenskultur sein", ergänzt Rainer Zeitler, Vice President Portfolio bei T-Systems. Gerade deutsche Unternehmen würden hier aber zunächst in eine reflexartige Abwehrhaltung verfallen. "Wer Neues etablieren will, muss das auf so vielen Ebenen kommunizieren, dass es - wenn überhaupt - Monate oder sogar Jahre dauert, um Innovationen zu erreichen", führt Zeitler weiter aus, "in dieser Zeit ist die Konkurrenz aus den USA und Fernost aber längst am deutschen Wettbewerber vorbeigezogen." Der T-Systems-Manager befürchtet deshalb, dass ein Umdenken wohl erst einkehren wird, wenn die Auftragsbücher leerer werden.
Programmierer statt Fabrikarbeiter
Überraschend viel Raum nahm das Thema Bildung beziehungsweise Erziehung ein. Die produktive Verbindung von Technik und Mensch erfordert zunächst die nötige Umsetzungskompetenz, einen "Homo Digitalis", der sowohl die nötige Offenheit mitbringt, neue Technologien in seinen Arbeitsalltag zu integrieren, als auch ein kritisches Bewusstsein für mögliche Fehlentwicklungen hat.
Wer heute fest im Berufsleben steht, kann sich noch gut an einen Schulalltag erinnern, der aus Büchern, Heften und Schiefertafeln bestand - und in dem Multimedia bestenfalls bedeutete, alle paar Wochen einen zentnerschweren Videowagen in das Klassenzimmer zu wuchten. Eine romantische Vorstellung, die aber schnell der traurigen Erkenntnis weichen muss, dass sich daran bis heute nicht viel geändert hat.
Digitalisierung ist in den meisten Schulen - medienwirksame Pilotprojekte mal ausgenommen - noch immer ein Fremdwort und die Kenntnisse vieler Schüler liegen im rudimentären Bereich, wie uns die Studie "International Computer and Information Literacy Study" (ICILS) im Jahr 2013 auf bittere Weise vor Augen führte. Demnach war damals ein Drittel der Achtklässler im Grunde vom Zugang zu einem tieferen Verständnis digitaler Technologien ausgeschlossen, besonders Kinder aus sozial schwachen Familien galten quasi als "abgehängt".
Die Veröffentlichung der Studie löste damals einen Schock aus, Konsequenzen wurden aber kaum gezogen. Ein Land, das sich stets seines hohen Technisierungsgrades rühmt, droht mit Blick auf die Digitalisierungskompetenz seines Nachwuchses den Anschluss zu verlieren. Die nächste ICILS-Studie wird noch in diesem Jahr erscheinen und man ahnt, dass die Verbesserungen ebenso rudimentär ausfallen könnten wie die Digitalisierungskompetenz der Heranwachsenden.
Zwar enthält der neue Koalitionsvertrag einige wesentliche Neuerungen wie eine Abschaffung des Kooperationsverbotes zwischen einzelnen Bundesländern sowie der Zusage von 5 Milliarden Euro für den Aufbau einer digitalen Infrastruktur, die restlichen Punkte sind aber bewusst so vage gehalten, dass große Veränderungen wohl nur mit deutlich erhöhtem öffentlichen Druck zu erreichen sind.
Aktuelle IDG-Studie Zum Thema Arbeitsplatz der Zukunft führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multiclient-Studie unter IT-Entscheidern durch. Die Studie soll zeigen, wie deutsche Manager das Thema Arbeitsplatz der Zukunft in ihren Unternehmen angehen. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, dann hilft Ihnen Frau Jessica Schmitz-Nellen (jschmitz-nellen@idg.de, Telefon: 089 36086 745) gerne weiter. Informationen zur Arbeitsplatz-der-Zukunft-Studie finden Sie auch hier zum Download. |
Doch genau diese Veränderungen wären unbedingt nötig, um den nötigen kulturellen Wandel zu erreichen. Ansonsten droht Deutschland (und mit ihm der europäische Wirtschaftsraum) im Zangengriff zwischen Palo Alto und Peking zum Industrie- und Handwerksmuseum zu verkommen.
"Das Bildungssystem spiegelt leider immer noch zu sehr den Status Quo unserer auf industrielle Produktion fixierten Wirtschaft wieder: Wir bilden Fabrikarbeiter aus, obwohl wir Programmierer brauchen", fasst Christian Gehring, Director Solution Architects bei VMware, das Dilemma zusammen.
Gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Der IDG Round Table brachte schnell die Erkenntnis: Echte Veränderung ist nicht nur eine Frage von Technik, sondern davon, mit ihr umgehen zu lernen, den Zugang zu ihr zu ermöglichen und jeden dabei mitzunehmen. Und hier fehlt, so die einhellige Meinung der Runde, auf jeder Ebene die nötige Konsequenz. Das Management muss vor allem auf C-Level mehr Initiative zeigen, aber auch mehr Vertrauen entwickeln und der IT eine tragendere Rolle einräumen. Nur so werden Administratoren zu Enablern.
Möglich wird dieses Bewusstsein nur durch mehr Innovationsgeist und Risikobereitschaft - Werte, die sich nicht verordnen lassen, sondern die in der Mitte der Gesellschaft entstehen. Dies erfordert bessere Bildung, flächendeckenden und gerechten Zugang zu den Zukunftstechnologien und die Bereitschaft zur Veränderung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.