Geht es auch ohne Soft Skills?

Introvertierte IT-Profis erfolgreich machen

Bettina Dobe war Autorin für cio.de.
Selbst der schüchternste ITler muss heute kommunizieren können. Wir haben mit zwei CIOs gesprochen, wie sie Introvertierten helfen, erfolgreicher zu werden.

ragen beantwortet er entweder im Techno-Slang oder stotternd, Tageslicht hat er lang nicht mehr gesehen und mit Frauen spricht er selten. Gibt es solche schüchternen ITler noch? Nein, meinen zwei CIOs - das können sich weder Unternehmen noch die IT-Experten selbst leisten. So ist sich CIO Michael Müller-Wünsch von Lekkerland sicher: "Es gibt in der IT genauso viele introvertierte Mitarbeiter wie in anderen Abteilungen auch. Nicht mehr, wie sonst behauptet wird." Zwar gebe es wahrscheinlich im Marketing und Sales eher extrovertierte Typen. Daraus ergibt sich seiner Meinung nach eine Verzerrung der Wahrnehmung: "Die Extrovertierteren sind sichtbarer. Es wäre albern, das zu leugnen."Aber übermäßig erhöht sieht Müller-Wünsch den Anteil an Introvertierteren in der IT-Branche nicht.

Abgeschottete IT hinter Stahltoren

Michael Müller-Wünsch, CIO von Lekkerland.
Michael Müller-Wünsch, CIO von Lekkerland.
Foto: Lekkerland

Der Lekkerland-CIO liefert stattdessen eine Erklärung für das schlechte Image der IT in Bezug auf Kommunikations- und Teamfähigkeit:"Früher waren wir als IT-Abteilung eher abgeschottet mit Stahltüren. Nur mit Sicherheitscodes kam man in die Abteilung überhaupt hinein. Da muss man sich nicht wundern, dass die IT, die man nie gesehen hat, als anders wahrgenommen wurde." Heute habe sich das mit offenen Gebäudestrukturen geändert. "Außerdem haben die Firmen so viel ausgelagert, dass diese riesigen Rechenzentren in Unternehmen der Vergangenheit angehören." Aus der physischen Zurückgezogenheit entstand das Zerrbild des ITlers, das sich bis heute gehalten hat.

Dennoch kommt das Klischee nicht von ungefähr. Es gab sie durchaus, die Zurückgezogenen. "Aber ganz so schüchterne ITler sind mir länger nicht mehr untergekommen", sagt IT-Bereichsleiter Andreas Gillhuber von RWE. "Den ITler, der wochenlang im Kellerraum vor sich hinwurschtelt, gibt es nicht mehr." Obwohl auch er einräumt: "Was die Soft Skills angeht, kann man in der IT-Organisation unterscheiden, ob die Leute eher in einer Stabsstelle arbeiten oder in den operativen Einheiten. Aber auch für die Experten der Supply-Einheiten, die hauptsächlich IT-intern agieren, gibt es keine Aufgaben mehr, die nur als Einzelkämpfer zu bewältigen sind. Vielmehr müssen komplexe ProjekteProjekte und Fragen immer im Team, oft auch interdisziplinär und abteilungsübergreifend bearbeitet werden." Ohne Kommunikation und Soft Skills gehe es heute einfach nicht mehr. Alles zu Projekte auf CIO.de

Selbst wenn der ein oder andere IT-Experte eher zurückgezogen agiert und sich mit Small Talk schwer tut, muss das nicht unbedingt ein Problem sein. Dann kommt es auf den Chef an, sagt Lekkerland-CIO Müller-Wünsch: "Ich bin überzeugt, dass man als Führungskraft aus den Stärken des Einzelnen schlagkräftige Teams bauen muss. Will man jeden im Team gleich haben oder will man Mitarbeiter, die sich gegenseitig ergänzen? Darauf kommt es doch an." Mitarbeiter könnten und dürften unterschiedlich sein - und das sei auch gut so, ist der Lekkerland-CIO überzeugt. "Es wäre nicht fair, wenn man erwarten würde, dass jeder Experte fachlich spitze sein soll und dazu noch ein Topredner, ein toller Umsetzer und ein großartiger Visionär", fügt Gillhuber hinzu.

Einsetzen kann man Introvertiertere selbstverständlich: "Es wird immer Menschen geben, in der IT genauso wie in der Buchhaltung, die als Fachspezialisten viel für das Unternehmen leisten", sagt Müller-Wünsch. Und das ist nichts Negatives, solange die Führungskraft mit ihnen umgehen kann. "Er muss ja keine schlechter Mitarbeiter sein - aber diese Eigenschaft verlangt entsprechende Objektivität von der Führungskraft", sagt Müller-Wünsch. Jeder habe seinen eigenen Weg, Informationen mitzuteilen - oder zu arbeiten.

Was Chefs tun können

Als Führungskraft muss man das wohl ein Stück weit akzeptieren. "Manche arbeiten als Einzelkämpfer besser als andere", sagt Müller-Wünsch. Diese Mitarbeiter brächten gute Einzelergebnisse - zur Teamarbeit könne und wolle er niemanden zwingen. "Ich kann jemenden nicht den Lebensweg vortreten. Er muss selbst wissen, wie er erfolgreich wird und Spaß an der Arbeit hat." Der Lekkerland-CIO gibt ein Beispiel: "Kam ein Mitarbeiter die letzten zehn Jahre damit zurecht, nur Emails zu schreiben und Dokumente abzulegen, muss ich das akzeptieren, wenn er sich nicht ändern möchte." Zwar müsse man ihm klar machen, dass er in Sachen Beförderung eine Enttäuschung erleben könne, so Müller-Wünsch weiter: "Aber dann ist das eben so. Ich kann nach zwei Jahren nachfragen, ob er etwas ändern möchte, aber wenn nicht, muss ich das akzeptieren."

Wer mit seinen Fachkenntnissen glänzen will, sollte auch extrovertierter sein, weiß Gillhuber: "Die Gurus, die über Unternehmensgrenzen hinweg in der Fachwelt bekannt sind wie Software Evangelists, sind sehr selbstbewusst und mitteilsam. Sie halten Reden und veröffentlichen Artikel."

Vorgesetzte können die Schüchternen durchaus unterstützen, sagt der Lekkerland-CIO: "Ich kann ihm Tipps und Tricks geben, aber er muss Gelegenheit haben, in einem vertrauten Umfeld zu üben." Einen Vortrag könne dieser etwa zur Übung zuerst im Kollegenkreis halten und dann in immer größerem Rahmen sprechen. So kommt das Vertrauen von ganz allein.Wichtig sei auch zu erkennen, dass Reden vor Publikum anspruchsvoll sei. Dem kann Gillhuber nur zustimmen: "Als ich nach dem Studium meinen ersten Vortrag auf Englisch halten musste, hatte ich auch Schweißausbrüche. Man kann auch gezielt Möglichkeiten und Projekte suchen, in denen sich der Mitarbeiter weiterentwickelt und bei denen er gezwungen wird, aus seiner Komfortzone herauszugehen, ohne ihn zu überfordern."

Selbstbewusstsein durch Erfolg

Auch Vorbilder und Beispiele anderer Mitarbeiter können einem Zurückgezogenen helfen: "Ich bin ein großer Fan davon, meine Mitarbeiter durch gezieltes Training on the Job, Coaching und Mentoring voranzubringen", sagt Gillhuber. In dem Fall biete es sich an, dass etwa ein Mentor gesucht wird, der selbst seine frühere Schüchternheit überwunden hat und seine Erfahrungen weitergeben möchte. Umgekehrt hilft es schüchternen Mitarbeiter ebenso selbst, wenn auch sie als Mentor für jüngere Mitarbeiter fungieren.

Am Ende hilft einem Mitarbeiter aber vor allem eines, ist sich Müller-Wünsch sicher: "Egal, ob schüchtern oder selbstbewusst: Der Erfolg stärkt und bringt mehr Selbstbewusstsein. Bringe ich meine Mitarbeiter dazu, erfolgreich zu sein, dann stärkt sie das von allein."

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