IT-Manager wetten
Kaufsoftware – so zukunftsträchtig wie VHS-Kassetten
Ausverkauf des Kaufmodells
Der Europäische Gerichtshof hat im Jahr 2012 entschieden, dass "gebrauchte" Software weiterverkauft werden kann. Was auf den ersten Blick banal klingt, wird allerdings, so wetten wir, erhebliche Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle beim Softwarevertrieb haben.
Bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs war umstritten, unter welchen Bedingungen Gebrauchtsoftware verkauft werden konnte. Dementsprechend groß war die Unsicherheit, die mit dem Verkauf und Kauf gebrauchter Software einherging. Daher verwundert es nicht, dass 2008 in einer Forrester-Studie 80 Prozent der Befragten angaben, für die jeweils getroffenen Einkaufsentscheidungen sei der Stand der Rechtsprechung von übergeordneter Bedeutung.
Was war der Hintergrund der rechtlichen Unsicherheit? Im europäischen Urheberrecht gilt der sogenannte Erschöpfungsgrundsatz. Dieses Prinzip besagt, dass ein Vervielfältigungsstück mit Software, das in der EU vom Hersteller in Verkehr gebracht wurde, an Dritte weitergegeben werden kann - etwa im Wege eines Verkaufs. Vertragliche Regelungen, die einen solchen Verkauf einschränken, etwa in Herstellerlizenzbedingungen, sind unwirksam.
Zahlreiche Fragen waren bis zur Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof umstritten, viele sind es noch heute. Unklar war vor allem, ob der Begriff des "Vervielfältigungsstücks" auch Downloads umfasst oder ob er sich auf physische Datenträger beschränkt. Der Europäische Gerichtshof entschied, dass ein Vervielfältigungsstück auch ein Download sein kann - was die Rechtssicherheit für den großen Teil der online vertriebenen Software wesentlich erhöhte.
Alle Fragen geklärt?
Viele Fragen sind immer noch offen. Können Volumenlizenzen aufgespalten und in kleineren Tranchen verkauft werden? Eine unlängst veröffentlichte Gerichtsentscheidung des Bundesgerichtshofs bejaht dies. Was gilt bei Client-Access-Lizenzen, die den Zugriff auf nur eine Serverkomponente regeln - können diese einzeln verkauft werden? Dies ist umstritten. Unter welchen Voraussetzungen können Updates verkauft werden, die nach dem Erstkauf von der Hersteller-Website heruntergeladen wurden?
Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung wohl ein Wartungsvertrag mit dem Hersteller. Es wird zu klären sein, ob auch kostenlos überlassene Updates nach Abwicklung des Erstkaufes verkauft werden dürfen. Eine weitere Voraussetzung, die die Rechtsprechung aufgestellt hat, ist die restlose Vernichtung sämtlicher Programmkopien beim Erstkäufer. Dieser muss, so die Gerichte, dem Softwareanbieter gegenüber die Vernichtung nachweisen. Doch wie wird so ein Nachweis erbracht?
Es wird sicherlich noch eine ganze Weile dauern, bis eine gefestigte Rechtsprechung existiert, die die wichtigsten Fragen zu den derzeit gängigen Geschäftsmodellen geklärt hat. Aber die grundsätzliche Richtung ist jetzt schon klar: Gebrauchte Software kann weiterverkauft werden, auch wenn die Lizenzbedingungen der Softwarehersteller entgegenstehende Verbote enthalten.