Veredelung von Luxusuhren
Kleine Kunstwerke auf dem Ziffernblatt
Massage für das Uhrengesicht
In einer sanften Almlandschaft, 820 Meter hoch im Jura, liegt verschlafen das 5000-Seelen-Nest St. Imier. In einem modernen Industriebau findet sich die Cadrans Flückiger S. A., 2004 als Zifferblatthersteller von Patek Philippe gekauft. In dieser entrückten Atmosphäre stellen 70 Mitarbeiter die Zifferblätter der Genfer Spitzenmanufaktur her, von der klassischstillen Calatrava bis hin zur äußerst mitteilsamen World Time.
Vieles erinnert noch an vergangene Zeiten, etwa die Oberflächenbehandlung: Da werden die zuvor versilberten Kupferblätter mit einer einfachen hölzernen Bürste förmlich gestreichelt, was ihnen einen überirdisch sanften Glanz, die sogenannte Satinierung, verleiht. Eine Massage für das Uhrengesicht, die keine Maschine hinbekommt. Erst im Finishing geht es wieder ganz zeitgemäß zu. Dort sitzen, abgetrennt von der übrigen Welt durch verschlossene Türen und zwei Glaswände, sechs Handwerker in einem Reinraum, von Kopf bis Fuß verhüllt, die Augen mit Vergrößerungsgerät verstärkt. Sie bringen die Ziffern auf die Blätter, versehen sie mit der Zeiteinteilung und der Markenbezeichnung. Feinschliff in Feinstarbeit.
Der Raum gehört zu jenen magischen Orten in der Uhrenherstellung, die nie ein Besucher betreten hat. Wie der Ort, an dem in Meißen die Zifferblätter geformt werden, hauchdünn und doch sehr widerstandsfähig. Wie kann das gelingen?
"Unser Arkanum", raunt Geschäftsführer Lutz Richter. Man müsse sich den Vorgang vorstellen wie das Kuchenbacken - der Porzellanteig werde ganz dünn ausgerollt, nach dem Brennen bei 1400 Grad würden daraus die runden Scheiben gefräst. Um Bruchsicherheit gewährleisten zu können, müsse die Fläche vollkommen plan sein. Eine Kunst für sich. Richter: "Das macht uns keiner nach." Einen Härtetest ganz eigener Art ließ übrigens der Modemacher Karl Lagerfeld den Meissener Porzellanscheiben angedeihen. Er nutzte das Zifferblattmaterial, um daraus Pailletten für Partykleider zu machen. Und auch den Körpereinsatz haben die hauchdünnen Plättchen offenbar überlebt.
Der Emailleur skizziert entweder mit einer scharfen Metallnadel oder mit zarten Drähten (Cloisonné) das Motiv auf dem Zifferblatt, dann trägt er nacheinander die Farben auf, die jedes Mal gebrannt werden, womöglich 30-mal - und immer droht Totalverlust. Der Guillocheur verpasst dem Zifferblatt nach Art des Großmeisters Breguet von Hand oder per Maschine ein regelmäßiges Muster aus ornamental angeordneten wellenförmigen und ineinander verschlungenen feinen Linien. Der Graveur kommt zum Einsatz, wenn das geschlossene Zifferblatt mit reliefartigen Dekors verziert oder aber skelettiert werden soll, indem die Brücken kunstvoll durchbrochen werden, um den Blick auf das Räderwerk im Innern freizugeben. Der Steinsetzer schmückt Zifferblätter und Lünetten mit Brillanten, wobei die Kunst darin besteht, die kostbaren Steine bombensicher in unsichtbaren Fassungen zu arretieren. |