Top 10 - Klaus Vitt, Arbeitsagentur
Mehr Realist als Visionär
"Das Machbare zählt", lautet die Prämisse von Klaus Vitt. Der CIO der Bundesagentur für Arbeit, der seit 2006 das IT-Geschick der großen Behörde mit über 100.000 Mitarbeitern verantwortet, geht seine Aufgaben pragmatisch an. Jede technische Neuerung müsse sich an ihrem wirtschaftlichen Effekt messen lassen. Dabei biete die Arbeit im Bereich der öffentlichen Hand durchaus auch Vorteile. "Wir sind nicht nur auf kurzfristige Einsparungen ausgerichtet", sagt der 57-jährige Manager, der zuvor viele Jahre bei Bertelsmann und der Deutschen Telekom tätig war, "sondern hier zählen der mittelfristige Erfolg und die Nachhaltigkeit."
Dabei ist es beileibe nicht trivial, was sich Vitt in der Nürnberger Behörde vorgenommen hat. Dem Geschäftsführer IT geht es um nichts Geringeres als den kompletten Umbau der IT-Landschaft in Richtung Service-orientierte Architektur (SOA). Neben den Fachbereichen müsse man dabei auch die eigene IT-Abteilung weiterentwickeln, beschreibt der Manager die Herausforderungen. "Die Aufgaben und Verantwortlichkeiten ändern sich gravierend." Seien heute einzelne Mitarbeiter für bestimmte Großanwendungen verantwortlich, müssten sie sich zukünftig um Services kümmern. "Ich brauche keine Produktverantwortlichen mehr, sondern Serviceverantwortliche, die auch in der Lage sind, verschiedene Services zu einer Anwendung zu kombinieren." Es gehe nicht mehr darum, Technik zu administrieren, sondern Prozesse und Abläufe.
Den Weg in das SOA-Zeitalter sollen rollenbasierende Oberflächen ebnen. Im Rahmen des Projekts "RobasO" erhalten die Mitarbeiter speziell auf ihre Aufgaben zugeschnittene User Interfaces. Vitt verspricht sich davon effizientere Geschäftsprozesse und eine bessere Qualität. Außerdem bringe die Lösung handfeste Vorteile: Die Anlage eines Neukunden für die Vermittlung und Bewilligung von Geldleistungen lasse sich mit RobasO bis zu zwei Minuten schneller im ServiceCenter abwickeln als mit den Altsystemen.
Im Geschäftsbereich ServiceCenter werden die neuen Oberflächen bereits eingeführt. Die Vorbereitungen für den nächsten Schritt im Bereich Vermittlung laufen. Dabei müsse man allerdings behutsam vorgehen, die Anwender bei der Umstellung ihrer über Jahre hinweg gewohnten Arbeitsoberflächen zu begleiten, sagt Vitt. Gerade die erfahrenen Mitarbeiter, die die bestehenden Verfahren in- und auswendig kennen, müsse man erst überzeugen und motivieren.
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Neben den Umstellungen am Frontend wartet auch im Backend jede Menge Arbeit auf den IT-Geschäftsführer. Dort geht es hauptsächlich darum, die Altanwendungen in ihre Kernfunktionen zu zerlegen, um sie dann als Services anbieten zu können. Und nicht zuletzt wirft die große SAP-Umstellung ihre Schatten voraus. Der erste Schritt mit der Einführung des Moduls Organisations-Management und Stellenwirtschaft im Personalbereich ist bereits getan. Bis Ende des Jahres soll die Bezügeabrechnung für die Beamten folgen. Den größten Teil der neuen Lösung will Vitt bis Ende 2010 implementiert haben. Dabei bleibt der Manager allerdings auf dem Boden der Tatsachen: "Natürlich gibt es bei einem Projekt dieser Größenordnung Schwierigkeiten und Probleme." Es sei nur wichtig, offen damit umzugehen und lösungsorientiert daran zu arbeiten. "Je früher ich ein Problem identifiziere, umso einfacher ist es zu lösen", beschreibt der Manager seine Strategie. "Ich bin mehr Realist als Visionär."
Klaus Vitt, Bundesagentur für Arbeit
Position: Geschäftsführer der zentralen IT (CIO-Funktion) und vorsitzender Geschäftsführer des IT-Systemhauses der Bundesagentur für Arbeit.
Branche: öffentliche Hand (über 100.000 Mitarbeiter).
Ein CIO muss ... eine Strategie verfolgen, um das Technisch-Innovative und Wirtschaftlich-Machbare auszubalancieren. Er muss die IT als Partner positionieren, die mit innovativen Ideen das Geschäft vorantreibt, um so Effizienzsteigerungen und Qualitätsverbesserungen im operativen Geschäft zu erreichen.
Er liest gerade ... Tom DeMarco: "Der Termin - Ein Roman über Projekt-Management".
Er ärgert sich … dass in der Öffentlichkeit Behörden und damit auch deren IT-Bereich als wenig innovativ angesehen werden.
Ein Leben ohne Blackberry ist für mich … auch lebenswert.
Wichtigstes Projekt: "RobasO" - Einführung von rollenbasierten Oberflächen als erster Teilschritt des Umbaus der gesamten IT-Landschaft in Richtung Service-orientierte Architekturen.
Beschreibung: Umwandlung der existierenden IT-Anwendungslandschaft hin zu einer modernen, flexiblen und service-orientierten Architektur (SOA); rollenbasierte Oberflächen bilden dabei einen wesentlichen Bestandteil der Strategie; für einzelne Rollen zum Beispiel Servicecenter-Mitarbeiter werden spezifische Maskenflüsse entsprechend den jeweiligen Geschäftsprozessen zur Verfügung gestellt; Altverfahren stellen dabei ihre jeweiligen Services über SOA-Fassaden bereit und erlauben somit den Zugriff auf bestehende Funktionalität.
Projektbereiche: Service-Management; IT-Architektur; Anwendungsentwicklung.
Kernprodukte: Vermittlungs-, Beratungs- und Informationssoftware, Software zur Berechnung von Geldleistungen, Business Intelligence.
IT-Umgebung: bundesweites Netzwerk mit 167.000 PC, 11.000 Servern, zwei zentralen Rechenzentren und 178 dezentralen Rechenzentren.
Herausforderungen: Überzeugung und Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Altverfahren in- und auswendig kennen.
Zeitrahmen: 1,5 Jahre.
Projektmitarbeiter: 7 (IT-Mitarbeiter insgesamt: 1800).
Projektbudget: Zwei Millionen Euro (IT-Budget allg.: 670 Millionen Euro).