Bertram Hilgen
Neue Kraft unter Herkules
Wird sich Kassel unter einem ehemaligen IT-Manager als Oberbürgermeister zu einer E-Government-Musterkommune entwickeln? Hilgen winkt ab: "Was in der Verwaltung noch durch E-Government rationalisiert werden kann, betrifft kaum mehr das unmittelbare Verhältnis zum Bürger." Die erzielbaren Spareffekte seien vielfach ausgereizt; jetzt gehe es um die Optimierung des Workflows in der Verwaltung. Hilgen: "Als Oberbürgermeister mit knapper Kasse muss ich fragen, wann sich der RoI von E-Government-Projekten einstellt." Es gehe nicht darum, technische Showcases zu produzieren. "Öffentlicher Dienst kommt von Dienen, und die Technik hat dienende Funktion."
Ob das in Kassel künftig spürbar ist, muss sich erst erweisen. Eine Ankündigung dürfte ihm viel Wählergunst eingebracht haben: Er will als Stadtvater ein Bürgeramt installieren, in dem alles, was mit einem Umzug zu tun hat - von der Ummeldung eines Kfz bis zur Mülltonne -, binnen einer Stunde erledigt werden kann. Zwar kein E-Government im strengen Internet-Sinn, aber Systeme und Anwendungen müssen darauf vorbereitet sein - von frischer Servicebereitschaft der kommunalen Angestellten ganz zu schweigen.
Für Hilgen ist der Wandel des öffentlichen Sektors längst nicht abgeschlossen. Strategische Planung sei vonnöten, um Synergien zu entdecken, wie in der Wirtschaft. Er selbst hält es mit dem Verwaltungsreformer Freiherr vom Stein, der Anfang des 19. Jahrhunderts forderte, Führungskräfte müssten "das Allgemeine umfassen, im Einzelnen sich nicht verlieren, reisen, sprechen, anhören und nicht im Tintenfass ersaufen."
Die künftige Ekom-Geschäftsführung hat also noch reichlich Change Management zu erledigen, um den Anforderungen der immer kritischeren Kunden zu genügen. Der neue Kasseler OB träumt derweil in seiner knappen Freizeit von der Ruhe, die eine Pendeluhr verbreiten kann.