Führung nach Covid
Neue Leadership-Strategien für CIOs
In den zwei Jahren seit die globale Pandemie die Welt zum Stillstand brachte, haben IT-Abteilungen einen Großteil zum Überleben ihrer Unternehmen beigetragen. Die IT-Funktion hat sich dadurch für immer verändert.
Nachdem sich der Staub gelegt hatte, stellten viele IT-Chefs fest, dass die Veränderungen, die sie aus der Not heraus vorgenommen haben, ihre Teams positiv transformiert haben. Die neue Arbeitsstrategien, Führungsstile und Teamstrukturen werden auch in Zukunft Bestand haben.
Barrieren für Zusammenarbeit und InnovationInnovation wurden überwunden, Empathie gewann an Bedeutung und Beziehungen wurden bewusster gepflegt, berichten FührungskräfteFührungskräfte aus der Technologiebranche. Einige dieser strategischen Erkenntnisse aus den letzten zwei Jahre haben gute Chancen, zu Schlüsselfaktoren moderner Führungsmethoden zu werden. Alles zu Innovation auf CIO.de Alles zu Personalführung auf CIO.de
Crowdsourcing löst Probleme schneller
In den ersten Tagen der Pandemie erfuhren Unternehmen wie Avery Dennison, wie wichtig Agilität und Experimentierfreude sind. Der Hersteller von Klebematerialien lernte, seine IT einzusetzen, um eine anpassungsfähige Organisation zu schaffen, die flexibel genug ist, um auf Krisen zu reagieren und Lösungen zu entwickeln.
Das Digital Innovation Center of Excellence (DICE) des Unternehmens führte digitale Ideation-Sessions. Dabei setzten die Teams eine Technik namens Brainwriting ein, um Ideen von den Mitarbeitern zu sammeln, die den Herausforderungen am nächsten sind. Heute setzt das Unternehmen dieselbe Methode ein, um Effizienz und Wachstum zu steigern.
Beim Brainwriting notieren alle Teilnehmer Ideen, um eine bestimmte Herausforderung zu lösen. Dazu zählt etwa: "Wie bleiben wir während der COVID-19-Pandemie mit unseren Kunden in Verbindung?" Die Sessions sind in zeitlich begrenzte Runden gegliedert. Nach jeder Runde geben die Teilnehmer ihre Ideen an ihren Nachbarn weiter, um sie als Denkanstoß zu nutzen. Zum Schluss bewerten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Ideen nach Wert und Aufwand, um die vielversprechendsten Ansätze zu ermitteln, die aus dem Crowdsourcing-Prozess entstanden sind.
Insgesamt entstanden so 390 Ideen, durchschnittlich 98 pro Session, die sich auf die Kunden, Fabriken, Mitarbeiter und Produkte von Avery Dennison auswirken. DICE arbeitete mit den Geschäftsbereichen zusammen, um alle Ansätze in der Pipeline zu priorisieren und von der ursprünglichen Konzeption bis zur Umsetzung zu verfolgen. Am Ende sollen neue Produkte und Service, verbesserte Prozesse sowie Erfahrungen für Kunden und Mitarbeiter stehen. Das DICE-Team startete 31 Experimente, von denen über ein Drittel nach Abschluss in die Produktion übernommen wurden.
Laut Nick Colisto, Vice President und CIO bei Avery Dennison, hat das Unternehmen gelernt, dass es mit Agilität und Experimenten Ideen rasch testen und in schnellen Iterationen weiterentwickeln kann. Es habe Minimal Viable Products und Services auf den Markt gebracht, die die Erfahrungen mit Kunden, Fabriken, Mitarbeitern und Produkten verbessern.
Während der Pandemie hatte das Unternehmen etwa Schwierigkeiten, physische Fabrikinspektionen durchzuführen oder den Arbeiter in der Werkstatt technischen Support zu leisten. Daraufhin startete DICE einen Proof-of-Concept, um Wearable-Computing- und Augmented-Reality-Technologien einzusetzen. Die Mitarbeiter sollen alle relevanten Arbeitsanweisungen sehen, Fotos machen und Video-Calls führen können, um sich sofort mit Experten in Einzel- oder Gruppengesprächen austauschen zu können. Das Team wurde durch Live-Anmerkungen in der Augmented RealityAugmented Reality unterstützt, um jeden Schritt zu dokumentieren. "Wir machen die Lösung jetzt für weitere Fabriken verfügbar", sagt Colisto. Alles zu Augmented Reality auf CIO.de
Weniger Hierarchie für bessere Entscheidungen
Obwohl während der Pandemie neue physische Barrieren entstanden, wurden einige der alten künstlichen Barrieren, wie etwa starre Hierarchien und Abteilungsgrenzen, abgebaut. Die Unternehmen suchten nach neuen Wegen, um in angespannten und Remote-Arbeitsumgebungen zusammenzuarbeiten.
"In den ersten Tagen der Pandemie tauschte ich zu jeder Tages- und Nachtzeit Telefonate und Nachrichten mit Kollegen auf allen Ebenen der Organisation aus," sagt Angela Yochem, Executive Vice President und Chief Transformation and Digital Officer des Kliniknetzwerks Novant Health. Das sei eine willkommene Veränderung gewesen, die sie in die Lage versetzte, die Herausforderungen proaktiv anzugehen. Jeder habe erkannt, dass alle im selben Boot sitzen und keine Zeit für Standesdünkel ist, wenn jemand zwei oder drei Ebenen höher im Organigramm Informationen hatte, die sofort benötigt wurden.
Während die Organisation zum New Normal überging, erlebte Yochem flüssigere und zwanglosere Kommunikation und Konversation erlebt. "Wir können den Leuten eine SMS oder eine Nachricht schicken, wenn wir schnellen Input oder eine Einschätzung brauchen, und jeder ist bereit, das Gleiche zu tun", sagt sie.
Im Ergebnis arbeitet ihr Team besser mit Kollegen auf allen Ebenen des Unternehmens zusammen. "Das ist etwas, das ich weiterhin fördern möchte, denn in Zeiten des Wandels sind Sichtbarkeit, Verbindung und Zusammenarbeit sehr wichtig," urteilt Yochem.
Mehr Innovation durch Automatisierung
Als die Telearbeit bei Investor Sequoia Capital 2020 Realität wurde, sahen sich der Global Chief Digital Officer Avon Puri und sein Team gezwungen, einige der Prozesse zu automatisieren, die sie normalerweise nicht angefasst hätten, weil die Mitarbeiter an externen Standorten arbeiteten. Seine Abteilung musste etwa die On- und Offboarding-Abläufe zwischen Personalsystemen, Compliance- und Technologie-Teams automatisieren. "Jetzt, da wir in die Büros zurückkehren, ist dieser Prozess sehr hilfreich, weil wir diese Dinge sehr schnell erledigen können", sagt Puri.
Auch papierbasierte Finanzprozesse wurden durch automatisierte Workflows ersetzt. Interne Prüfungen von Unternehmensinvestitionen, die früher in Papierform erfolgten, erfolgen nun digital.
Zwar ist es laut Puri ist noch zu früh, um festzustellen, inwiefern die Automatisierung das Unternehmen effizienter macht, dennoch ist er ist optimistisch: "Wir fangen gerade erst an, wieder ins Büro zu kommen, aber in sechs Monaten werden wir die Effizienzgewinne viel besser einschätzen können". Er ist der Meinung, dass es letztendlich zu mehr Innovation führen werde, weil die Mitarbeiter mehr Zeit hätten, sich darauf zu konzentrieren.
Gezielte Ansprache überwindet physische Grenzen
"Ein CIO kann seine Arbeit nicht machen, ohne Beziehungen zu pflegen," sagt Andy Farella, CIO von Gesundheitsvereinigung NBME. Das Non-Profit-Unternehmen hat 500 Mitarbeiter, die in einem Büro im Stadtteil University City von Philadelphia arbeiten.
"Vor der Pandemie pflegte ich meine Beziehungen, indem ich die Leute an der Kaffeebar, im Aufzug, auf den Fluren und - eine meiner Lieblingszeiten - direkt vor oder nach Meetings traf", so Farella. Diese Möglichkeiten verschwanden im März 2020 über Nacht, als die Belegschaft auf Telearbeit umstellte. Er stellte fest, dass er in dieser Umgebung bewusst handeln und diese Interaktionen herbeiführen musste.
Farella begann viele Meetings zu buchen. Er beraumte etwa 30 wiederkehrende Besprechungen über Microsoft Teams mit unterschiedlicher Länge und Kadenz an. Sie rangierten je nach Adressat zwischen 30 und 60 Minuten und fanden wöchentlich, monatlich, zweimonatlich oder vierteljährlich statt. In den Besprechungen ging es um wichtige Beziehungen zu direkten Mitarbeitern, Kollegen und Führungskräften im gesamten Unternehmen. Anschließend buchte er 15-minütige Treffen mit etwa 125 Personen aus allen Abteilungen von NBME, einschließlich IT-Mitarbeitern, Managern und wichtigen Geschäftsinteressenten, verteilt über sechs Monate.
Er verbringt die ersten fünf Minuten mit persönlichen Dingen, fragt etwa nach Kindern und Familie. Dann geht er zum Geschäftlichen über, bespricht aktuelle Projekte, wie die IT dabei helfen kann. "Auf diese Weise habe ich immer einen Überblick über die aktuellen Geschehnisse," sagt Farella. Er erfährt, wo die IT Geschäftsprobleme mit Bravour löst, wo die Mitarbeiter mehr Hilfe benötigen und wo die IT die Erwartungen nicht erfüllt. Diese Praxis führt er heute fort.
Selbst wenn die Pandemie abklingt und die Mitarbeiter wieder ins Büro zurückkehren, hält Farella diese gezielten Verbindungen per Videochat aufrecht und plant zudem bald einige persönliche Treffen. "Wenn man in diesem Umfeld nicht bewusst den Kontakt zu seinen Mitarbeitern und Kunden pflegt, verliert man schnell den Anschluss", sagt der CIO.
Teams brauchen persönlichen Kontakt
Für viele Unternehmen schien die Fernarbeit nur wenige Nachteile zu haben und verbesserte vielleicht sogar die Produktivität während der Pandemie. Doch für die Moral in den IT-Teams war das nicht gerade förderlich, sagt Puri von Sequoia. "Wir mussten uns mit der Teamdynamik auseinandersetzen, vor allem in unserem technischen Team, weil wir die Befürchtung hatten, dass die Leute ausbrennen," berichtet er. Die attraktiven Facetten der Arbeit von zu Hause aus hatte sich in StressStress wie bei der Arbeit im Büro verwandelt, da es keine physische Trennung mehr zwischen beiden gab. Alles zu Stress auf CIO.de
Hinzu kam, dass die meisten Mitarbeiter in Puris Team in Indien während der Pandemie eingestellt wurden. Puri begann im Juni 2020 bei dem Unternehmen. Zoom-Anrufe wurden zur Norm, aber es fiel ihm schwer, eine echte Verbindung zu den Mitarbeitern auf der ganzen Welt herzustellen und ihnen die richtigen Geschäftsziele und Zwecke zu vermitteln.
Im März 2022 reiste Puri nach Indien, um die Mitarbeiter, die er in den letzten neun Monaten eingestellt hatte, zum ersten Mal zu treffen. In seinen Augen verbesserte die Reise die Moral und die Verbindungen weit mehr, als es ein Jahr lang mit Zoom-Anrufen möglich gewesen wäre.
"Ich habe festgestellt, dass die Leute ziemlich schüchtern sind und deshalb bei Zoom-Anrufen keine Fragen stellen", sagt Puri. Wenn man aber den ganzen Tag zusammen sei und nach der Arbeit in einer zwanglosen Umgebung ausgehe, stellen viele Leute Fragen, die sie sonst nicht stellen würden.
Durch den Besuch fühle sich die Gruppe laut Puri auch als Teil des Teams: "Unser indisches Team spielt eine wichtige Rolle bei der Unterstützung unserer globalen Infrastruktur. Ich hielt es für wichtig, dorthin zu gehen und wirklich einige persönliche Gespräche zu führen." (jd)
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.