Management

Was ist ein kooperativer Führungsstil?

Andrea König schreibt seit 2008 für CIO.de. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit für die CIO-Redaktion sind Themen rund um Karriere, soziale Netzwerke, die Zukunft der Arbeit und Buchtipps für Manager. Die Arbeit als freie Autorin für verschiedene Redaktionen ist mittlerweile kein Vollzeitjob mehr - hauptberuflich arbeitet sie als PR-Beraterin bei einer Hamburger Kommunikationsagentur.
Wer kooperativ führt, kommuniziert mit seinen Mitarbeitern auf Augenhöhe und teilt Verantwortung. Dieser Führungsstil hat in Corona-Zeiten Auftrieb erhalten.
Kooperative Führungskräfte teilen Verantwortung mit ihren Mitarbeitern und beziehen sie in Entscheidungen ein.
Kooperative Führungskräfte teilen Verantwortung mit ihren Mitarbeitern und beziehen sie in Entscheidungen ein.
Foto: NDAB Creativity - shutterstock.com

Ein Führungsstil beschreibt die Grundhaltung einer Führungskraft sowie ihr Verhalten gegenüber Mitarbeitern. Es gibt verschiedene Theorien und Modelle mit unterschiedlichen Führungsstilen.

Welche Führungsstile gibt es?

Eine bekannte Einteilung hat der Sozialpsychologe Kurt Lewin vorgenommen. Lewin emigrierte 1933 aus Deutschland und forschte in den USA. In dieser Zeit entstand die Unterscheidung und Abstufung zwischen den Führungsstilen autoritär, laissez-faire und kooperativ:

  • Beim autoritären Führungsstil gibt die Führungsperson ihren Mitarbeitern Anweisungen, was zu tun ist. Mitarbeiter haben diese Anweisungen zu akzeptieren und auszuführen.

  • Beim Laissez-faire-Führungsstil überträgt die Führungskraft Aufgaben auf die Mitarbeiter. Vorgesetzte machen klare Zielvorgaben, definieren die erwarteten Arbeitsergebnisse und delegieren die Aufgaben an die Mitarbeiter.

  • Dazwischen liegt der kooperative Führungsstil, bei dem Führungskraft und Mitarbeiter Verantwortung teilen beziehungsweise gemeinsam übernehmen. Eines der Forschungsergebnisse Lewins war, dass ein kooperativer Führungsstil mit einer erhöhten Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter verbunden ist.

Merkmale eines kooperativen Führungsstils

Kooperative Führungskräfte teilen Verantwortung mit ihren Mitarbeitern und beziehen sie in Entscheidungen ein. Für Prof. Dr. Guido Möllering, Direktor des Reinhard-Mohn-Instituts für Unternehmensführung an der Universität Witten/Herdecke, zählt zu den Merkmalen einer kooperativen Führungskraft auch, dass mehr Autonomie gewährt wird bei zugleich gegenseitiger Transparenz und Koordination: "Die formale Führungskraft kommuniziert auf Augenhöhe, das heißt mit Respekt und Anerkennung der Fähigkeiten und Bedürfnisse der Geführten. Es gibt kaum noch Anweisungen, sondern man einigt sich, was zu tun ist", so Möllering. Man verständige sich häufiger über die gemeinsamen Werte und Ziele. Führungskräfte sähen sich selbst als Vermittelnde.

Für den Transformationsexperten und Berater Martin Michaelis ist es nicht nur eine Frage von Branchen, Unternehmenskultur oder Generationen, ob kooperatives Führen sinnvoll ist. "In der heutigen Zeit ständiger und schneller Veränderung haben Unternehmen gar keine andere Wahl, als Ihren Mitarbeitern in einem bestimmten Maße mehr Verantwortung zu übergeben. Das bedeutet für Führungskräfte, dass sie ihre Mitarbeiter mehr in Entscheidungsprozesse einbinden müssen." Schwierig werde es dann, wenn unter den Mitarbeitern nur eine niedrige Bereitschaft bestehe, Verantwortung zu übernehmen. "Wichtig ist dann, Schritt für Schritt vorzugehen: je nach individueller Kapazität und nicht zu viel auf einmal an Verantwortungen zu delegieren", rät Michaelis.

Vor- und Nachteile eines kooperativen Führungsstils

"Die stärkere Partizipation und das Empowerment, das kooperative FührungFührung ermöglicht, sind sehr motivierend, können aber auch überfordern", weiß Experte Möllering. Wenn Verantwortung stärker geteilt werde, werfe das Fragen auf: Wer trägt das Risiko von gemeinsamen Entscheidungen? Und: Wer bekommt welchen Anteil am gemeinsamen Erfolg? "Wenn ein gemeinsames Verständnis hergestellt werden kann, wie die kooperative Führung wirklich gemeint ist, dann überwiegen klar die Vorteile", ist Möllering überzeugt. Wichtig sei auch, dass eine echte Beteiligung an der Führung möglich ist. Also nicht am Ende doch wieder einer alles alleine entscheide. Alles zu Führung auf CIO.de

Kooperatives Führen lernen

Doch lässt sich ein solcher kooperativer Führungsstil erlernen? "Es gibt eine Menge Kompetenzen, die erlernt werden können", sagt Martin Michaelis auf die Frage, ob sich kooperatives Führen erlernen lässt. Dabei unterscheidet er zwischen Methoden und Verhalten, sowie Haltung. Neue Methoden und Verhaltensweisen lassen sich erlernen. Dazu zählt beispielsweise, sich selbst als Führungskraft zurückzunehmen, Mitarbeitern mehr Raum zu geben und ihnen mehr Fragen zu stellen.

"Eine kooperative Haltung braucht meist etwas mehr Zeit", so Michaelis. Je nach Person ständen oft alte Einstellungen und Glaubenssätze im Weg. Eine wichtige Erkenntnis lautet: Wer kooperativ führen möchte, muss Schritt für Schritt lernen, Vertrauen zu haben. "Eine 'Dann mache ich das jetzt lieber selbst'-Haltung ergibt keinen Sinn", sagt Michaelis. In einer konkreten Situation ist eine Aufgabe damit vielleicht schneller und auch besser erledigt. Aber damit nehme man seinen Mitarbeitern den Raum, zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Und damit auch die Möglichkeit, zumindest mittelfristig mehr Verantwortung zu übernehmen.

Kooperativ führen in Corona-Zeiten

Die Bertelsmann Stiftung und das Reinhard-Mohn-Institut der Universität Witten/Herdecke haben für ihren Führungskräfte-Radar 2020 im September und Oktober 2020 eine repräsentative Befragung unter Führungskräften in Deutschland vorgenommen. Eine Beobachtung: Wenn Home-Office zur Dauereinrichtung wird, befürchten Führungskräfte, dass der Austausch mit den Mitarbeitern mehr und mehr verloren geht und die Unternehmenskultur leidet. Viele Führungskräfte konnten ihre Mitarbeiter in Home-Office-Corona-Zeiten nicht so unterstützen, wie sie es gerne getan hätten (45,7 Prozent). Guido Möllering vom Reinhard-Mohn-Institut sagt: "Die Ausnahmesituation hat uns verschiedene Aspekte deutlicher sehen lassen als sonst". Er nennt die folgenden drei Punkte:

  • Führung funktioniert nur, wenn die Geführten mitspielen, also kooperativ die Impulse der Führenden aufnehmen oder konstruktiv der Führungskraft Feedback geben.

  • Das Management kann gerade in einer Krise nicht alle Probleme alleine lösen und alle Entscheidungen alleine treffen. Notgedrungen wird mehr delegiert, pragmatisch gehandelt und sich aufeinander verlassen. Man ist im Team beim gemeinsamen, kooperativen Problemlösen mehr auf Augenhöhe.

  • Gerade beim Führen auf Distanz (insbesondere wegen Homeoffice) merkt man deutlich, dass Führen nicht primär Kontrolle, sondern Unterstützung der Geführten bedeutet. Der Team-Gedanke verstärkt sich und die Verantwortung für das gemeinsame Ergebnis wird stärker geteilt.

Kooperative Führungskräfte brauchen Vertrauen

Übergreifend werde deutlich, wie wichtig eine solide Vertrauensbasis sei, so Möllering: "Diese baut man nicht durch hierarchische Anweisungen, sondern durch kollegiale Zusammenarbeit auf." Im Gegensatz zu dem oft in Krisen vermuteten autoritären Führungsstil hat sich in der Corona-Pandemie nicht die lenkende Führungskraft früherer Zeiten, sondern die vermittelnde Führungskraft bewährt.

Auch eine im Oktober 2021 veröffentlichte Führungskräftebefragung des Personaldienstleisters Hays lässt die Entwicklung hin zu einem partizipativ-kollaborativen Führungsstil erkennen: Knapp die Hälfte der Befragten will Mitarbeitern künftig stärker motivieren und offen mit Vorschlägen umgehen. Immerhin ein Drittel will mehr Verantwortung abgeben, um damit Freiraum für Eigenverantwortung und ergebnisorientiertes Arbeiten zu schaffen. Ebenso viele Führungskräfte wollen der individuellen Betreuung der Mitarbeitenden mehr Platz einräumen.

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