Stress in der Führungsetage
Riskanter Balance-Akt
Auch Kienbaum-Partner Terglane macht im eigenen Unternehmen einen Zuwachs an Coaching-Nachfragen von "sicher 30 Prozent" aus. Den Grund sieht der Mathematiker darin, dass derzeit zwei Kulturen in den Unternehmen aufeinander prallten. "Viele Manager vom alten Schlag können eine konsequente Business-Orientierung in der Kommunikation nicht durchhalten und führen immer noch sehr technologieorientiert. Sie nutzen ihre technologieorientierte Sprache häufig als Schutzschild gegenüber Anforderungen des Business. Jüngere Mitarbeiter akzeptieren diesen Part nicht mehr. Sie verbinden ihren technologischen Hintergrund weit besser mit den Erfordernissen des Business." Terglane schätzt, dass etwa 30 bis 60 Prozent der Führungskräfte die "alte" Sicht auf die Dinge hätten - also Probleme lieber im stillen Kämmerlein lösen würden. Mit dem Konzept des so genannten Board Development möchte er diesen Spagat, den er besonders in der IT ausmacht, hinkriegen und diese beiden Pole zusammenrücken. Verantwortliche für die Unternehmensorganisation, die strategische Planung und aus dem Personalbereich setzen sich dafür mit einem Gruppen-Coach zusammen, um ideale Arbeitsstrukturen zu finden. "Wer eine größere Eigenverantwortlichkeit in seinem Unternehmen hat, wendet sich erstaunlicherweise schneller an uns", stellt Terglane fest. Ziel ist es - "und das zeigen auch unsere Erfahrungen" -, dass weniger das Tagesgeschäft und mehr die Effektivität in der Vordergrund gerückt wird. "Zudem können sich die Manager besser als Persönlichkeiten annehmen", so Terglane, der auch auf der zweiten Führungsebene Erfolge sieht: "Sie sind zielorientierter, konsequenter - blicken mehr nach vorne."
Das sind exakt die Ziele von Mihaly Csikszentmihalyi. Der Psychologie- und Management-Professor von der Drucker School of Management der Clearmont Graduate University erforscht seit Jahrzehnten den "Flow" - einen stressfreien Glückszustand, "in dem die Zeit fliegt, das Ego abfällt, man total involviert ist und seine Fähigkeiten voll zur Geltung bringen kann". Umgehendes Feedback durch Vorgesetzte, Gleichgewicht zwischen der Aufgabe und den Fähigkeiten sowie klare Ziele sind demnach für das eigene Gleichgewicht und schließlich den Flow unerlässlich - typische Fähigkeiten, die ein Coach im Unternehmen fördern soll.
Manager wollen an allem beteiligt werden
Allerdings ist Coaching und insbesondere die psychologische Beratung ein sensibles Feld. Ein CIO, der das Board Development derzeit mit psychologischer Unterstützung macht, war zu einem Gespräch nicht bereit. Denn die Angst ist groß, dass das Bild des Machers Risse bekommen könnte - vor allem in Hinsicht auf den Ruf im Unternehmen. "Es gibt Manager, die partout nicht loslassen können und an allem beteiligt werden wollen", so Terglane. "Eine Möglichkeit ist, ihm einen externen Manager zur Seite zu stellen. Da ist eine gute Kommunikation allerdings dringend nötig, damit der CIO nicht desavouiert wird."
"Führungskräfte geben Angst nicht gerne zu - es ist nicht chic", sagt Wolfgang Stegmann, neben Winfried Panse Autor des Buches "Angst, Macht, Erfolg" (Volk Verlag, München 2004), in dem unter anderem der volkswirtschaftliche Schaden der Angst auf mehr als 100 Milliarden Euro beziffert wird. Obwohl diese Sensibilität Unternehmen schützen könne, hätten Vorstände dazu eine einhellige Meinung, so der wissenschaftliche Mitarbeiter an der Fakultät für Wirtschafts- wissenschaften der Fachhochschule Köln. "Bei dem vielen Geld, das meine Manager verdienen, können sie sich keine Angst leisten"; "Ich habe alle Manager entlassen, die Angst hatten"; "Angst ist ein Wort, das ich nicht kenne" sind nur drei der typischen Antworten. Und wer seine Angst offen äußere, stehe dann auch nicht besser da: "Dann heißt es: So einen Meckerpott kann ich gar nicht brauchen", so Stegmann, "da wird kreatives Potenzial niedergedrückt."
Jens B. hatte ein ähnliches Problem. Er konnte nicht akzeptieren und zugeben, dass er mit seiner Aufgabe überfordert war und Angst davor hatte, seine Befürchtungen auszusprechen: "Es war unmöglich für mich zuzugeben, dass ich mich übernommen hatte. Gegenüber Vorgesetzen habe ich mich durchgemogelt - das Schuldbewusstsein aber weggetrunken." Nach einer Umschulung zum Systemadministrator arbeitet Jens B. seit fünf Jahren als IT-Projektleiter für einen großen IT-Dienstleister. Und er rät: "Es ist wichtig, darüber zu reden, was geht und was nicht geht - auch unseren Kunden gegenüber. Das wird auch akzeptiert, und die Welt geht nicht unter".