Whistleblowing

Selbstmord auf Raten

01.09.2008
Von Eva Buchhorn

Mit der Unternehmenswelt vertraute Praktiker wie der Düsseldorfer Arbeitsrechtler Stefan Röhrborn wollen so weit nicht gehen. Röhrborn warnt vor einer Gesellschaft von "Betriebspetzen", die sich durch allzu weitgehende Gesetze ermutigt fühlen könnten, mit falschen Hinweisen Unschuldige zu verleumden. Röhrborn musste vor einiger Zeit dem Vorstand eines rheinischen Mittelständlers aus der Patsche helfen, den ein fragwürdiger Hinweisgeber in arge Bedrängnis gebracht hatte. Unter dem Decknamen Donald Duck ließ der Mann mittels eines Anwalts den Vorstandsvorsitzenden wissen, der Finanzvorstand habe die Bilanzen manipuliert, um Investoren zu täuschen und den Aktienkurs nach oben zu treiben.

BDI fordert anonyme Whistleblower-Stellen

Vom Unternehmen angeheuerte Gutachter verbrachten Wochen damit, das Zahlenwerk zu prüfen und den Vorwurf zu entkräften - und kassierten fast zwei Millionen Euro. Schließlich wurde auch Donald Duck enttarnt: Es handelte sich um einen frustrierten Mitarbeiter. Und obwohl nun alles vom Tisch ist, hat der Vorstandsvorsitzende weiter panische Angst um das Image seiner Firma.

Dennoch sollten Unternehmen ihr grundsätzliches Misstrauen gegen Whistleblower aufgeben. Wer die unbequemen Mahner nicht in die Verbannung schickt, sondern anhört, wird eine Eskalation meist vermeiden können. Einen Schritt in diese Richtung machte im Juni der Bundesverband der Deutschen IndustrieIndustrie (BDI). Sein Präsident, Jürgen Thumann, forderte via "Bild" deutsche Unternehmen zur Einrichtung anonymer Whistleblower-Anlaufstellen auf. Top-Firmen der Branche Industrie

Solche Beschwerdestellen haben viele Konzerne, zum Teil weil sie an der US-Börse gelistet sind und damit amerikanischen Whistleblower-Schutzregelungen unterliegen, schon eingeführt. Siemens ermuntert seine Mitarbeiter als Reaktion auf die Korruptionsenthüllungen, Unregelmäßigkeiten über eine Hotline zu melden. Bayer und BASF haben eine Telefonleitung zu einer Anwaltskanzlei geschaltet. Volkswagen , Rewe und O2 arbeiten mit dem Rechtsanwalt Rainer Buchert zusammen. Der ehemalige Direktor im Bundeskriminalamt nimmt als Ombudsmann vertrauliche Mitarbeiterhinweise entgegen. Die Deutsche Bahn nutzt das Online-System der Potsdamer Business Keeper AG, in dem Mitarbeiter über einen elektronischen Postkasten Hinweise lancieren können.

Whistleblower-Anlaufstellen könnten nicht nur den Nachrichtenfluss über Schmu im Unternehmen verbessern, sie könnten auch helfen, die häufig extrem verunsicherten und aufgewühlten Melder frühzeitig einzufangen und möglicherweise folgenschwere Irrtümer zu korrigieren, meint Ombudsmann Buchert. Denn typischerweise sähen Whistleblower nur einen Ausschnitt des Geschehens, sie vermuteten manchmal Unrat, wo gar keiner sei: "Im Gespräch lässt sich vieles schnell ausräumen."

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