Stress statt Anerkennung
So leiden IT-Mitarbeiter
Mitarbeiter sind verantwortlich, aber ohnmächtig
Sie sprechen von den "Paradoxien neuer Management-Konzepte" als einer Ursache für Unzufriedenheit. Worin bestehen die Paradoxien? Und liegt es wirklich an den Konzepten an sich oder an ihrer Umsetzung?
Tobias Kämpf: Mitarbeiter werden heute für Ziele verantwortlich gemacht beziehungsweise haben das Gefühl, verantwortlich zu sein, verfügen aber gleichzeitig nicht über die Ressourcen, um diese Ziele tatsächlich erreichen zu können. Sie fühlen sich dann in einer permanenten "Mission Impossible" gefangen. Teil der neuen Konzepte ist nämlich ein "System permanenter Bewährung", wie es jüngst meine Kollegen Andreas Boes und Anja Bultemeier bezeichnet haben. Teil des Unternehmens zu sein, ist dann keine Selbstverständlichkeit mehr. Stattdessen sollen die Beschäftigten jeden Tag durch einen überdurchschnittlichen Beitrag zum Firmenerfolg beweisen, dass sie es verdient haben, "dazu zu gehören". Dadurch entsteht sehr starker Leistungsdruck.
Sehr stark macht den Menschen auch die Geschwindigkeit in der Arbeit zu schaffen. Gleichzeitig haben sie hohe Ansprüche an Nachhaltigkeit und Qualität. Das motiviert einerseits. Aber unter den Bedingungen von permanentem Zeitdruck entsteht andererseits zunehmend das Gefühl, den eigenen Ansprüchen gar nicht mehr gerecht werden zu können. Das ist für viele sehr frustrierend.
Angestellte fühlen sich nur als Zahlen wahrgenommen
Sie beschreiben das mit dem Schlagwort "Leistungsverdichtung" - mehr und komplexere Arbeit in kürzerer Zeit, gleichzeitig wird Personal abgebaut, viele Prozesse sind ineffizient. Ist das wirklich ein typisches Problem der IT-Branche oder trifft es nicht auch auf andere zu?
Tobias Kämpf: Spezifisch für die IT-Branche ist die Zeitenwende, die ich beschrieben habe. Ihr ging ein langer Aufschwung voraus, gepaart mit einem starken Winner-Mythos. Aber grundsätzlich ist der Mechanismus aufgrund der Management-Konzepte ein Element, das wir auch in anderen Forschungsprojekten über qualifizierte Arbeit finden.
Sie schreiben, Angestellte hätten in Interviews von einem Verlust von Anerkennung gesprochen. Wie erleben sie den?
Tobias Kämpf: Eine zentrale Vokabel in den Interviews war der Verlust von Wertschätzung. Ein Teilnehmer hat gesagt: 'Man ist hier nur noch eine Nummer, die man am besten wegekelt'. Fast immer fielen Formulierungen wie 'Wir werden nur noch als Zahlen behandelt, aber nicht mehr als ganzer Mensch'. "Zahlen statt Menschen" ist die zentrale Chiffre dafür, wie die Beschäftigten den Kulturwandel in den Unternehmen erleben. Sie fühlen sich lediglich als Kostenfaktor wahrgenommen, nicht mehr als ganze Person anerkannt. Das kommt auch zum Ausdruck bei den häufig geäußerten Klagen über das Prinzip "Management per Mail".
- 1. Setzen Sie auf Informationen!
Statt dem Flurfunk zu glauben und lange zu grübeln, sollten Sie recherchieren oder Fragen stellen. Häufig haben sich beängstigende Entwicklungen als reine Gerüchte entpuppt. - 2. Mobbing, nein danke.
Verzichten Sie selbst auf Mobbing, um Ihre Ziele durchzusetzen, unterstützen Sie andere nicht bei unfairen Angriffen. Ein Unternehmen ohne Mobbing macht das Leben für alle ein Stück einfacher. - 3. Helfen Sie Kollegen und Chefs.
Jeder Mitarbeiter verfügt über andere Kompetenzen und Interessen. Was für den einen Stunden dauert, bewältigt ein anderer manchmal in Minuten. Setzen Sie dabei aber auch Grenzen, um nicht ausgenutzt zu werden. - 4. Zeigen Sie Interesse!
Wenn Sie ehrliches Interesse zeigen, berichten Ihnen die Kollegen nicht nur von ihren Urlaubsplänen, sondern auch von ihren Hoffnungen und Ängsten. Nehmen Sie diese ernst und unterstützen Sie den Gesprächspartner. - 5. Ein starkes Team.
Nicht jeder Fehler muss gleich dem Chef berichtet werden. Viele Kleinigkeiten lassen sich im Kollegenkreis regeln, was den Zusammenhalt stärkt. - 6. Fehler müssen möglich sein.
Ermöglichen Sie sich und Ihren Kollegen Fehler zuzugeben und aus diesen zu lernen. Wichtig ist nicht die Suche nach dem Schuldigen, sondern das Vermeiden des Fehlers für die Zukunft. - 7. Das direkte Gespräch.
Sprechen Sie nicht schlecht über Abwesende. Nur das direkte Gespräch führt zur Veränderung und damit zum Erfolg. - 8. Bleiben Sie flexibel.
Durch ständige freiwillige Weiterbildung erhalten Sie Ihren Wert für das Unternehmen und auf dem Arbeitsmarkt. Das macht Sie flexibel und zugleich zum gefragten Ratgeber. - 9. Das größte Risiko.
Machen Sie sich bewusst, was das größte Risiko in Ihrem Berufsleben ist. Vielfach ist dieses Szenario weitaus weniger bedrohlich, als man gemeinhin glaubt. - 10. Unterbrechen Sie die Angstspirale!
Lassen Sie rationale Argumente in angstgesteuerte Gespräche einfließen. Helfen Sie besorgten Kollegen, eine realistische Sichtweise zu gewinnen.