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Work Life Balance in der Chefetage

SOS-Karte für den Stress-Notfall

Jeder zehnte Manager gibt in Umfragen zu, ein Sucht-Problem zu haben. Die Dunkelziffer dürfte noch höher sein. Der Grund: Sie erkennen die eigenen Grenzen nicht mehr und verwischen jene extreme Anspannung …

Die Grenze ist erreicht, wenn Sie das Gleichgewicht zwischen Anspannung und Entspannung nicht mehr hinbekommen. Früher habe ich im Flieger fast nur Dienstliches gelesen oder mit dem Laptop gearbeitet. Heute schaue ich mir oft Filme an und lasse die Arbeit gut sein. Den entscheidenden Anstoß, das zu verstehen, hat mir ein Manager gegeben, der mit Ende 50 wegen Herzproblemen aus dem Beruf ausgeschieden ist. Dieser nötige Wechsel zwischen An- und Entspannung ist übrigens aus dem Sport längst bekannt. Nur, wer sich Pausen gönnt, baut Muskeln auf.

Die Organisationspsychologie sieht Manager, die in der Hierarchie weiter unten rangieren, als besonders Stress-gefährdet an. Sie haben nichts zu entscheiden und müssen Entscheidungen, hinter denen sie nicht selbst stehen, ihren Mitarbeitern vermitteln.

Es stimmt, dass Mitarbeiter, die an mich berichten, enger eingespannt sind. Deshalb versuche ich, mit ihnen nur über Ergebnisse und nicht über Arbeitsprozesse zu sprechen. Meine Erfahrung ist: Je weniger Einfluss ich auf die eigentliche Arbeit ausübe, umso höher ist deren Motivation, die Ziele zu erreichen. Auch in den Jahresgesprächen lasse ich die Ziele vom Mitarbeiter beeinflussen.

Trotzdem passiert es, dass Mitarbeiter dem Stress und der Arbeitsbelastung nicht gewachsen sind. Wie gehen Sie damit um?

Ich fordere meine Mitarbeiter dazu auf, zu sagen, wenn sie nicht klar kommen. Ich sage ihnen "Verschonen Sie mich mit Überraschungen. Sie können zu mir kommen, wenn Probleme nicht mehr steuerbar sind". Das ist eine wohlige Drohung, jemanden abzustrafen, der nicht rechtzeitig erkennen und zugeben möchte, dass Unterstützung erforderlich geworden ist.

Manchmal wirken sich Probleme, die außerhalb des beruflichen Alltags liegen, auf die berufliche Leistung aus …

Auf der persönlichen Ebene gibt es bei uns die gedankliche SOS-Karte. Die kann jeder Manager ziehen, wenn der Alltag zu stressig und hektisch wird, egal ob der Grund in einer Scheidung, Schicksalsschlägen in der Familie oder Alkoholproblemen liegt. Dann nehme ich mir innerhalb eines Tages Zeit. Ich möchte niemals erleben, dass ein Mitarbeiter zusammenbricht und ich mir eingestehen muss, dass ich zu abgelenkt war, um die Probleme zu erkennen. Ich verbringe schließlich die Hälfte meines Lebens im Beruf, da möchte ich mit den Menschen klarkommen.

Da gibt es jedoch noch die andere Hälfte - das Leben in der Familie …

Deshalb würde ich auch nicht von Work Life Balance sprechen, sondern Life-in-work- und Life-in-familiy-balance.

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