Homeoffice-Schattenseiten
Stress und Ungleichheit nehmen zu
Mitte Februar arbeitete annähernd die Hälfte der abhängig Beschäftigten in Deutschland zumindest stundenweise im Homeoffice. Ein gutes Drittel arbeitete sogar überwiegend oder ausschließlich zuhause. Das zeigt eine aktuelle Befragung des Bonner Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), die im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums vorgenommen wurde. Dafür wurden im Februar dieses Jahres Daten zur Verbreitung von Homeoffice erhoben. Die Marktforscher interessierten sich auch für die Wirkung der Ende Januar in Kraft getretenen Corona-Arbeitsschutzverordnung, das empfundene Ansteckungsrisiko am Arbeitsplatz sowie das allgemeine Belastungsempfinden.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Arbeitssituation für viele Beschäftigte in der andauernden Coronakrise verändert hat. Das Homeoffice wird in der aktuellen Lage noch stärker genutzt, 22 Prozent der Befragten arbeiteten im Februar 2021 mehr daheim als noch im Vormonat.
Insgesamt zeigt die Kurve der im Homeoffice Arbeitenden steil nach oben. Ihr Anteil liegt aktuell etwa 13 Prozentpunkte über dem im ersten Shutdown erreichten Wert, wie ein Vergleich mit den Ergebnissen einer Befragung aus dem Sommer vergangenen Jahres belegt. Im Sommer 2019, vor der Coronakrise also, arbeiteten nicht einmal halb so viele Mitarbeiter von daheim wie derzeit.
Arbeitsschutzverordnung zeigt Wirkung
Nach Einschätzung der Forscher dürfte die zuletzt weiter gestiegene Homeoffice-Nutzung auch auf die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung zurückzuführen sein. Jeder vierte Beschäftigte zeigt sich in der Umfrage überzeugt, dass diese neue Regelung die Homeoffice-Nutzung im eigenen Unternehmen angekurbelt habe. Viele Kolleginnen und Kollegen hätten sich erst daraufhin ins Homeoffice zurückgezogen oder zumindest ihren Anteil an Heimarbeitszeit ausgebaut. Wer unter den Befragten keine Veränderungen bemerkt haben will, gab dafür zwei wesentliche Gründe an: Entweder war Homeoffice bereits vorher gut möglich, oder die betreffenden Tätigkeiten waren im heimischen Büro nicht zu erledigen.
Die IZA-Verantwortlichen sehen kaum noch Spielraum für weiteres Homeoffice. Die mangelnde Eignung bestimmter Tätigkeiten sei der wichtigste Faktor, warum Remote Work in der aktuellen Situation nicht noch stärker genutzt werde. Dagegen habe nur etwa jeder fünfte abhängig Beschäftigte eine mangelnde oder schlechte technische Ausstattung als Grund angegeben, gar nicht oder nur selten im Homeoffice arbeiten zu können.
Die "Entgrenzung der Arbeit" findet statt, aber nur im kleinen Rahmen. Die meisten Menschen arbeiten so wie immer.
Viele skeptische Führungskräfte haben ihre Meinung im Laufe der Krise revidiert. Allerdings müssen sie noch an ihrem Führungsverhalten arbeiten.
Die Betreuungssituation daheim hat einige Mitarbeiter stark beansprucht.
Lehren aus Corona: Das Misstrauen gegenüber dem Homeoffice ist gesunken. Außerdem wollen Unternehmen ihre Dienstreisen reduzieren.
Laptops, VPN-Zugänge, Videokommunikation – die in der Corona-Krise unentbehrlich gewordene technische Ausstattung war meistens schon vorhanden.
Die Belastung nimmt zu
Das Institut geht daher davon aus, dass weitere Veränderungen eher bei solchen Beschäftigten anstehen, die jetzt schon ihre Arbeit zumindest zum Teil von zuhause aus erledigen. Von diesen plane jeder vierte Angestellte, seinen Brötchengeber darum zu bitten, den Homeoffice-Anteil noch weiter zu erhöhen. Eine große Mehrheit ist laut Umfrage jedoch mit dem aktuellen Umfang an Heimarbeit zufrieden oder arbeitet bereits jetzt schon so oft und häufig von zuhause, wie es der Job ermöglicht.
Der Umstieg vom Firmen- ins heimische Büro hat bei den meisten Befragten gut funktioniert. Auch die Betriebe verzeichnete keine Einbußen in Sachen Produktivität oder Arbeitseffizienz. Dennoch läuft in den Häusern und Wohnungen der Deutschen längst nicht alles rund.
42 Prozent der vom IZA Befragten fühlen sich in ihrer momentanen Arbeitssituation stark oder sehr stark belastet. Der zunehmende Stresspegel drückt auch auf die Lebenszufriedenheit. Auf einer Skala von 0 (ganz und gar unzufrieden) bis 10 (ganz und gar zufrieden) ergab die Befragung einen Durchschnittswert von 6,7. Immerhin ein überdurchschnittlicher Wert, möchte man sagen, doch die Tendenz ist negativ. Zu Beginn der Pandemie im April 2020 hatte eine vergleichbare Umfrage noch einen Wert von 7,4 ermittelt.
Frauen im Nachteil
Auffällig an dieser Stelle ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern. So empfinden 48 Prozent der Frauen stärkeren StressStress als vor der Homeoffice-SituationHomeoffice-Situation, unter den Männern sind es nur 36 Prozent. Das kann auch daran liegen, dass viele Frauen neben ihrer beruflichen Tätigkeit auch noch das Gros der Aufgaben in Haushalt und Kinderbetreuung schultern – weil sie allein sind oder weil ihre Männer nicht können, wollen oder sollen. Alles zu Home Office auf CIO.de Alles zu Stress auf CIO.de
Noch gravierender zeigt sich ein Geschlechterunterschied an anderer Stelle: Weibliche Beschäftigte im Homeoffice bekommen im Durchschnitt weniger Arbeitsmittel zugeteilt als ihre männlichen Kollegen. Insgesamt erhält aber die überwiegende Mehrheit aller Befragten (85 Prozent) Computer, Laptops oder Tablets zur Verfügung gestellt, bei Smartphones und Handys sind es 44 Prozent. Büromöbel wie etwa Schreibtische oder Bürostühle bekommt indes nur jeder Zehnte.
Infektionsschutz ist gewährleistet
In ihren Bemühungen um Infektionsschutz schneiden die Arbeitgeber aus Sicht ihrer Angestellten insgesamt gut ab. So machen sich aktuell nur 17 Prozent der Mitarbeiter große oder sehr große Sorgen, dass sie sich bei der Arbeit mit dem Coronavirus infizieren könnten. Nur einer von zehn Beschäftigten hält die vom Arbeitgeber ergriffenen Maßnahmen zum Schutz vor Ansteckung für nicht weitreichend genug.