"HANA ist gestohlen"
Teradata verklagt SAP
Data-Warehouse-Spezialist Teradata hat vor einem amerikanischen Bezirksgericht Klage gegen SAPSAP eingereicht. Die Liste der Vorwürfe ist lang: SAP habe jahrzehntelang Geschäftsgeheimnisse veruntreut und gegen das Urheberrecht wie auch das Kartellrecht verstoßen. Im Visier steht dabei SAPs Kernprodukt HANA, eine In-Memory-Datenbank, die sich im Laufe der zurückliegenden Jahre zur Basis fast aller Softwareprodukte SAPs entwickelt hat. Die Walldorfer hätten HANA nur entwickeln können, indem sie Teradatas geistiges Eigentum veruntreuten, behaupten die Teradata-Verantwortlichen. Alles zu SAP auf CIO.de
Der Data-Warehouse-Pionier beschuldigt SAP, wettbewerbsschädliches Verhalten gegenüber Teradata an den Tag gelegt zu haben. Mindestens über ein Jahrzehnt habe SAP seine dominierende Position im Bereich Enterprise Resource Planning (ERP) ausgenutzt, um Zugang zum Enterprise-Data-Analytics- und Warehousing-(EDAW-)Markt zu erhalten. Ziel sei es gewesen, dort schnell Marktanteile zu gewinnen. Zuvor habe SAP in diesem Segment praktisch keine Relevanz gehabt.
SAP habe Teradata zudem in eine Art Joint Venture gelockt, um dadurch auf Teradatas wertvolles geistiges Eigentum zugreifen zu können, werfen die Amerikaner dem größten deutschen Softwareanbieter vor. Hintergedanke sei gewesen, SAPs ERP-Lösung und das Business Warehouse Reporting Tool (SAP BW) mit Teradatas "Massiv-Parallel-Processing-" (MPP)-Architektur für EADW zu verbinden.
Teradata bezeichnet SAP HANA als "minderwertig"
Im Rahmen der Zusammenarbeit habe SAP Teradatas Geschäftsgeheimnisse gestohlen und die Informationen dazu genutzt, um schnell ein wettbewerbsfähiges, wenn auch "minderwertiges", wie Teradata betont, Produkt zu entwickeln und auf dem Markt anzubieten: SAP HANA. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des neuen Produkts habe SAP dann umgehend das Joint Venture mit Teradata aufgekündigt.
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Seit diesem Zeitpunkt fordere SAP seine Kunden dazu auf, ausschließlich HANA zu nutzen und versuche, Teradata zu verdrängen, beklagt der Data-Warehouse-Spezialist. Kunden, die ihre bestehenden ERP-Anwendungen erneuern oder erweitern wollen, würden praktisch gezwungen, auf HANA zu migrieren. Zusätzlich habe SAP damit begonnen, Teradata-Systemen den Zugriff auf Daten, die Kunden in SAP-Systemen vorhalten, signifikant zu erschweren.
Der Schluss des Teradata-Managements: Durch ihr Verhalten habe SAP bewusst versucht, seinen großen ERP-Kundenstamm von Teradata-Produkten fernzuhalten. Aufgrund der extrem hohen Kosten, die beim Wechsel eines ERP-Systems anfallen, seien SAPs Kunden in den ERP-Anwendungen des badischen Softwarekonzerns eingesperrt. Nun versuche SAP, seine Kunden auch im EDAW-Markt mit SAP HANA zu isolieren.
"SAP hat Geschäftsgeheimnisse gestohlen"
"SAP hätte nie so schnell HANA entwickeln und vermarkten können, wenn sie nicht Geschäftsgeheimnisse von Teradata gestohlen hätten", heißt es in einer offiziellen Mitteilung Teradatas. "Nun, da SAP das gewonnene Wissen des Diebstahls und seine Marktposition im Bereich der ERP-Anwendungen nutzt, versucht SAP Teradata aus dem EDAW-Markt zu verdrängen und Teradata die Möglichkeit zu nehmen, seine Lösungen an die größten Unternehmen der Welt zu vermarkten."
Teradata unterstütze Wettbewerb und Innovation im Daten- und Datenanalysemarkt heißt es dort weiter. "SAPs Verhalten ist allerdings weder wettbewerbsorientiert noch innovativ. Wir glauben, dass rechtliche Schritte gegen SAP notwendig sind, um unsere Rechte und die Interessen unserer Aktionäre und aller anderen Interessensvertreter, inklusive unserer Kunden, zu schützen." Teradata strebt eigenen Angaben zufolge eine Unterlassungsklage gegen SAP an. Des Weiteren fordert der US-Konzern eine Wiedergutmachung der entstandenen Schäden, "welche das Gericht als angemessen erachtet". Ein konkreter Betrag wird an dieser Stelle nicht genannt.
SAP reagierte unvorbereitet auf den Vorstoß des Konkurrenten. Man habe die Klage mit Überraschung zur Kenntnis genommen, heißt es in einem Statement. „In der Regel kommentieren wir keine laufenden Verfahren. Wir prüfen den Fall aber derzeit genau und behalten uns gegebenenfalls weitere Aussagen vor.“
Tatsächlich hatten beide Unternehmen im April 2009 eine erhebliche Erweiterung ihrer bisherigen Technologiepartnerschaft bekannt gegeben und Pläne verkündet, wonach die Produkte beider Hersteller enger miteinander verzahnt werden sollten. Danach werde es möglich sein, SAP BW mit Version 7.2 als "voll integrierte" Komponente auf der für Data-Warehousing optimierten Datenbank von Teradata zu betreiben, hieß es im Rahmen der internationalen Kundenveranstaltung "Teradata Universe" in Istanbul. Laut Stephan Rossius, damals Senior Vice President für Global Partner Management bei SAP, habe man weitreichende Pläne, die neben einer Vertiefung der bisherigen Zusammenarbeit auch die gemeinsame Produktentwicklung umfasse. "Es ist wichtig, dass die führenden Anbieter zusammenarbeiten," sagte der Manager in der türkischen Metropole am Bosporus.
"Spiegel" berichtete über Vorwürfe eines SAP-Mitarbeiters
Nachdem sich die Wege beider Unternehmen wieder getrennt hatten, kamen schon in der Vergangenheit Spekulationen über mögliche Fehltritte SAPs auf. So berichtete "Der Spiegel" im September 2015, ein ehemaliger Mitarbeiter der internen Revision bei SAP werfe dem Unternehmen vor, sich bei der Entwicklung eigener Produkte wie der Datenbank HANA Urheberrechtsverletzungen schuldig gemacht zu haben. Unter anderem habe sich SAP widerrechtlich am geistigen Eigentum von Wettbewerbern wie Oracle, IBM und Teradata bedient, behauptete der SAP-Auditor, der angeblich in mehrere sensible Prüfvorgänge eingebunden war.
SAP habe den Mitarbeiter gekündigt und Strafanzeige gestellt, hieß es in dem Bericht. Demzufolge soll dieser gemeinsam mit seinem Vater, einem US-Anwalt, 25 Millionen Dollar gefordert haben, um die "Probleme zu lösen". Der Konzern hat damals nach Angaben des Nachrichtenmagazins alle Vorwürfe bestritten: "Wir haben den Sachverhalt sorgfältig geprüft und haben keine Belege dafür gefunden, dass SAP geistiges Eigentum verletzt hat."
Auch Aufsichtsratschef und Mitbegründer Hasso Plattner wies die Vorwürfe scharf zurück. Gegenüber der "Wirtschaftswoche" sagte er: "Der Vorwurf einer verdeckten Operation ist ungeheuerlich und lächerlich." Hana basiere auf einer Datenbank namens Hyrise, die von Plattners Software-Institut HPI in Potsdam selbst entwickelt wurde. Hyrise wiederum sei ein Open-Source-Produkt. "Jeder Interessierte kann den Quellcode einsehen, die Datenbank herunterladen und für Forschungszwecke verwenden", so Plattner. Er habe von allen Mitarbeitern und Doktoranden des Instituts Ehrenerklärungen erhalten, dass fremde Software nicht nur nicht eingebaut, sondern nicht einmal betrachtet wurde.
Schwere Zeiten für Teradata
Für Teradata ist es derzeit nicht einfach. Das Data-Warehouse-Geschäft läuft nicht mehr rund. Seit Jahren gehen Umsatz und Gewinn bei Teradata zurück. Standen 2014 noch Einnahmen von 2,7 Milliarden Dollar und ein Ertrag von 367 Millionen Dollar zu Buche, waren es im vergangenen Jahr noch knapp 2,2 Miiliarden Dollar Umsatz und ein Verlust von 67 Millionen Dollar.
Kritiker bemängelten, der Konzern habe sich zu lange auf sein klassisches Data-Warehouse-Konzept verlasssen und dabei wichtige Trends verschlafen. Für den Ansatz, alle Daten in einem zentralen Data Warehouse zu konsolidieren und dort vorzuhalten, haben Anwenderunternehmen in der Vergangenheit viel Geld ausgegeben. Implementierung und Betrieb entsprechender Infrastrukturen und Appliances waren und sind meist teuer und aufwendig.
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Heute geht der Trend jedoch in Richtung flexibler, leichgewichtiger Datenarchitekturen rund um Konzepte wie Data Lakes und Hadoop. Konkurrent SAP hatte im vergangenen Jahr mit dem "Data Hub" eine neue Daten-Management-Lösung vorgestellt, mit deren Hilfe Anwender Daten-Workflows modellieren können, wobei die Daten nicht zentral in einem Data Warehouse aggregiert werden müssen, sondern dezentral in Datenbanken, Data Lakes und Hadoop-Systemen verbleiben.
Teradata bemüht sich derzeit, die eigene Architektur in Richtung Cloud-Infrastrukturen wie AWS und Azure zu öffnen. Außerdem sollen künftig die für Analytics-Workloads beliebten Programmiersprachen, darunter vor allem R und Python, unterstützt werden.